Der Papst ist kein Politiker

Die Botschaft, die der Papst von Brasilien aus in die Welt sendet, betrifft alle

Markus RederRio, Die Tagespost, 26. Juli 2013, von Markus Reder

Ja, es geht um die Jugend. Rio, das ist ihr Fest. Aber die Botschaft, die der Papst von Brasilien aus in die Welt sendet, betrifft alle. Keiner kann sich da ausnehmen. Wenn Franziskus eine gerechtere Welt fordert, die nicht gefühl- und mitleidslos auf die Not der Schwächsten reagiert, dann geht das alle an. Die Jugend, die Alten und besonders auch die Politik. “Der Massstab für die Grösse einer Gesellschaft liegt in der Art, wie sie die behandelt, die am meisten Not leiden”:

Diesen Satz des Papstes sollte man in Stein meisseln. Er gehört an Parlamentsgebäude genauso wie in die Pfarrsäle eines bisweilen allzu verbürgerlichten Christentums. Ja, die Botschaft des Papstes hat unüberhörbar eine politische Dimension, aber sie wurzelt nicht in einem politischen Konzept, in irgendeiner Ideologie, sondern im Glauben an den menschgewordenen Gott, der Erbarmen und Liebe ist, und auch heute die Herzen verwandeln kann. Jede wirkliche Veränderung beginnt im Herzen des Menschen. Wenn Gott dort seinen Platz hat, verändert sich der Mensch. Und wo sich Menschen verändern, bewegt sich eine Gesellschaft. Der wahre Reichtum, das betont Franziskus in Rio immer wieder, ist Jesus Christus. Nicht die Gier, nicht der flüchtige Rausch.

Der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri verschärft die Kapitalismuskritik, die deutlich bereits bei Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zu finden ist. Traurig freilich, wenn die Medien zwar die politische Seite sehen, nicht aber deren christozentrischen Wesenskern. Noch übler wird es, wenn Franziskus ganz zur Projektionsfläche eigener Wunschvorstellungen wird. Getreu dem schrägen Motto: Ein Papst, der so unbefangen und herzlich auf Menschen zugeht, der hebt demnächst auch den Zölibat auf und stimmt der Homo-“Ehe” zu. Wer so denkt und schreibt, hat leider weder zugehört, noch sich näher mit Franziskus beschäftigt. Hier deutet sich bereits an, was unter umgekehrten Vorzeichen auch bei Benedikt XVI. festzustellen war: Oberflächenbetrachtung und Vorurteile ersetzen ernsthafte Auseinandersetzung.

Natürlich hat dieser Papst seinen ganz eigenen Stil. Das ist offensichtlich. Franziskus predigt bevorzugt mit Gesten. Er berührt, macht sich begreifbar und damit auch angreifbar. “Predigt das Evangelium. Wenn es sein muss, mit Worten”, hat er kürzlich vor Priestern in Rom den heiligen Franziskus zitiert. Genau das demonstriert er während seines Brasilienbesuches ein ums andere Mal. Das gesprochene Wort wird dadurch nicht überflüssig, sondern lebendig. Die Predigten und Ansprachen des Papstes belegen dies. Das Evangelium sichtbar machen: Damit steht er in grosser Kontinuität zu seinen Vorgängern, die das – jeder auf seine Weise – ebenfalls getan haben. Versuche den Stil des einen gegen den eines anderen Papstes auszuspielen, zeigen ein offensichtlich recht weit verbreitetes fehlendes Verständnis für Charisma und Amt. Das ist bitter, weil es erstens unkatholisch ist und zweitens die Sicht auf das Wesentliche verstellt.

Die Auftritte von Franziskus auf dem Weltjugendtag verraten etwas anderes: An der Spitze der katholischen Kirche steht erneut eine grossartiger Pontifex. Ein Nachfolger Petri, der mit seiner ganz persönlichen Art begeistert. Jugendliche haben ein besonders feines Gespür für diese Authentizität. Darum haben sie vor Franziskus schon Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in ihr Herz geschlossen. Was dürfen sich Katholiken glücklich schätzen, in den vergangenen Jahrzehnten derart eindrucksvolle Päpste gehabt zu haben. Darunter Heilige und Selige. Zuletzt einen überragenden Theologen. Fast scheint es, je grösser die Krise der Kirche, umso stärker strahlt der Felsen Petri.

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