Legale Beihilfe zum Suizid?

Schlimmer geht’s nicht

Die Tagespost, 29.08.2012
Autor: Von Stefan Rehder

Sich Deutschlands Justizministerin als beratungsresistente Politikerin vorzustellen, fällt nicht schwer. Weder die massive Kritik von Unionspolitikern noch ablehnende Stellungnahmen und öffentliche Einlassungen der Bundesärztekammer, der katholischen Bischöfe, der Patientenschützer sowie der Lebensrechtler haben Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dazu bringen können, den von ihrem Haus stets als “Referentenentwurf“ verharmlosten Entwurf eines “Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmässigen Förderung der Selbsttötung” noch einmal zu überarbeiten.

Gestern brachte die Bundesjustizministerin, die auch im Beirat der “Humanistischen Union” sitzt, den Gesetzentwurf, redaktionell überarbeitet, im Wesentlichen aber unverändert, in das Kabinett ein, das ihn auch sogleich verabschiedete.

Erhielte er auch noch die Zustimmung des Parlaments, würde dem ärztlich assistierten Suizid in Deutschland Tür und Tor geöffnet. Zwar beabsichtigt der Gesetzentwurf, wie in dieser Zeitung bereits ausführlich berichtet, die “gewerbsmässige Förderung der Selbsttötung” unter Strafe zu stellen, was tatsächlich eine Verschärfung des geltenden Rechts wäre. Ob Vereinen wie dem des ehemaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch damit das Handwerk gelegt werden kann, steht auf einem anderen Blatt und wird von vielen Experten bezweifelt.

Skandalös ist jedoch, dass Absatz 2 des geplanten Paragrafen 217, der neu in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll, explizit alle diejenigen straffrei stellt, die einem Suizidenten Beihilfe zum Selbstmord leisten, sofern sie selbst nicht gewerbsmässig handeln und ihm nahestehen. Dabei mag noch nachvollziehbar sein, dass der Staat sich nicht in heillose Ehedramen involvieren lassen will, und etwa darauf verzichtet, einen Ehemann bei seiner Rückkehr aus der Schweiz unter Anklage zu stellen, der seine zum Suizid entschlossene, krebskranke Frau nach erfolglosen Versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, schliesslich doch zu den Suizidhelfern von “Dignitas” fuhr. Problematisch ist daran freilich, dass der Staat damit auf die abschreckende Wirkung von Strafe verzichtet, die auch dazu führen könnte, dass der Mann seine Frau statt in die Schweiz zu einem auf Suizidprophylaxe spezialisierten Psychologen begleitet.

Doch geht es bei dem Strafausschluss, wie der “Besondere Teil” des Gesetzentwurfes unmissverständlich erkennen lässt, um weit mehr. “Hilfe beim Sterben” heisst es dort, “die durch Angehörige von Heilberufen im Rahmen medizinischer Behandlung” geleistet werde, falle “grundsätzlich nicht unter § 217 StGB”. Begründet wird dies damit, dass die “Hilfe zum Suizid” nicht dem “Selbstverständnis dieser Berufe” entspreche. “Sollte im Einzelfall aber gleichwohl von diesem Personenkreis Suizid gewährt werden”, so der Text weiter, “geschieht dies typischerweise gerade nicht in der Absicht, sich durch wiederholte Suizidhilfehandlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.” Die Botschaft ist klar: Suizidhilfe, selbst durch einen Arzt, ist löblich, verwerflich ist nur, damit Geld verdienen zu wollen. Damit aber bekommt die Beihilfe zum Suizid geradezu sakralen Charakter. Schlimmer geht’s nicht.

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