Der Herr ruft, aber dieser Ruf bedarf der Antwort

Wer in die Fussstapfen des guten Hirten treten will, darf kein “bezahlter Knecht” sein

(Joh 10, 12) – Ein Kommentar zum Sonntagsevangelium von P. Bernhard Sirch

Illschwang, kath.net, 26.04.2012

B – 4. Ostersonntag, 1. Lesung: Apg 4, 8-12. 2. Lesung: 1 Joh 3, 1-2; Ev. Joh 10,11-18.

Bei jeder Eucharistiefeier spricht der Priester in der Person Christi: “Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird”. “Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird” (Mk 14,23). Jesus, “der gute Hirt der sein Leben hingibt für seine Schafe” (Joh 10,11) ist das Thema des heutigen Sonntags.

Auch in der Karwoche steht die Hingabe Christi im Mittelpunkt der liturgischen Feiern. In ergreifender Weise wird bei der Verkündigung des Leidens unseres Herrn Jesus Christus am Palmsonntag und Karfreitag deutlich, wie Jesus schrittweise sein Leben hingibt, wie er seiner Ehre beraubt wird und schliesslich sein menschliches Leben grausam ausgelöscht wird, um uns von unseren Sünden zu erlösen. Immer, wenn der Name Jesu Christi genannt wird, leuchtet der Opfertod Christi auf, der sein Leben hingibt. Im Schlussgebet des heutigen 4. Ostersonntags betet die Kirche: “Gott, du Hirt deines Volkes, sieh voll Huld auf deine Herde, die durch das kostbare Blut deines Sohnes erkauft ist”.

Im heutigen Evangelium wird der Gedanke: ‘das Leben hingeben’ dreimal hervorgehoben

1) “Jesus sprach: Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe” (Joh 10,11).
2) “Ich bin der gute Hirt;… und ich gebe mein Leben hin für die Schafe” (Joh 10,15).
3) “Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe” (Joh 10, 17).

In der Kirche muss dieses Ideal des guten Hirten immer lebendig bleiben. Die Radikalität des guten Hirten, der sein Leben hingibt, muss unwandelbares, unumstössliches Kennzeichen der Hirten in der Kirche sein. Dieses Ideal muss im Innersten angenommen werden: wer in die Fussstapfen des guten Hirten treten will, darf kein “bezahlter Knecht” (Joh 10, 12) sein.

In einer Botschaft des Heiligen Vaters Johannes Paul II. zum Weltgebetstag um Geistliche Berufe wendet sich der Papst “an Euch, liebe junge Menschen: Christus braucht Euch, um seinen Heilsplan zu verwirklichen! Christus braucht Eure jugendliche Kraft und Eure hochherzige Begeisterung für die Verkündigung des Evangeliums! Antwortet auf diesen Appell, indem Ihr Euer Leben ihm und den Brüdern und Schwestern schenkt”.

In der Nachfolge Christi geht es nicht nur darum, einen Teil der menschlichen Existenz hinzugeben. Der Hirte Christi muss bereit sein: sein Leben hinzugeben. Sicherlich muss jeder Mensch und damit auch jeder Christ am Ende seines Lebens im Tod sein Leben hingeben. Wer jedoch in die engere Nachfolge Christi tritt, der nimmt diese Hingabe des eigenen Lebens im natürlichen Tod voraus und übergibt sein Leben ganz bewusst schrittweise im Dienst an Gott und den Menschen. Das “Sterben” eines Jüngers, einer Jüngerin des Herrn beginnt nicht erst auf dem Sterbebett, sondern der Sterbeprozess, die bewusste Annahme des Kreuzweges Christi beginnt schon vorher, wobei nicht das “Sterben” im Vordergrund steht, sondern das Eingehen in das neue Leben mit Christus. Dadurch gibt er Jünger Christi Zeugnis vom neuen Leben, das wir erwarten und gleichzeitig Zeugnis vom lebendigen Gott und vom auferstandenen Herrn. “Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20).

Dieses schrittweise Hingeben des eigenen Lebens kann in einem aufopferungsreichen Dienst am Nächsten bestehen, im Annehmen einer Verdemütigung, wo die Ehre eines Menschen mit Füssen getreten wird oder im Verzicht auf Ehe und Familie, im Leben der evangelischen Räte: Gehorsam, Ehelosigkeit und Armut. Entscheidend ist jedoch, dass der Berufene, wie Christus, sein Leben “aus freiem Willen hingibt” (Joh 10,18). Diese Grundhaltung ist nur möglich, wenn wir von der Hoffnung erfüllt sind, wie wir in der heutigen 2. Lesung hörten: “Seht, wie gross die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heissen Kinder Gottes, und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist” (1 Joh 3, 1-2).

Im Tod müssen alle Menschen ihr Leben hingeben; wir Christen sind jedoch aufgerufen schon jetzt unser Leben hinzugeben. Dadurch geben wir Zeugnis vom lebendigen und auferstanden Herrn, wir geben Zeugnis als Kinder Gottes von dem “was wir sein werden”.

Wir wissen alle, wie schwierig diese radikale Forderung, “sein Leben hinzugeben” im geistlichen Beruf, ist. Nur wenige Menschen haben heute dazu die Kraft. Von dieser Schwäche des Menschen weiss der Ordensvater Benedikt. So rät er seinen Mönchen: “Das Leben des Mönchs ist an sich ‘Fastenzeit’. Nur wenige haben die Kraft dazu. Darum sollen alle wenigstens in der Zeit der vierzigtägigen Fastenzeit ein Leben der Strenge führen. In dieser Zeit soll man sich von allen Nachlässigkeiten des Jahres reinigen. Das aber heisst: sich vor seinen Fehlern hüten, fest beten, geistliche Lesung halten, die Fehler mit dem Herzen einsehen und bereuen, sich in Speis und Trank merklich zurückhalten” (Benediktusregel, Kapitel 49). Es ist die Aufgabe aller Christen, besonders aber der Christen im geistlichen Stand, sich immer wieder Zeiten zu gönnen, in denen man sich frägt: Wo und wie kann ich “mein Leben hingeben” und dann in die Tat umsetzen.

Im Missale Romanum ist unter den Votivmessen Nr. 11 ein Messformular um Ordensberufe und Nr. 9 um Priesterberufe. Gerade in unserer Zeit sollten diese Votivmessen um Priesterberufe ein Gebetssturm vieler Christen werden. Im Eröffnungsvers betet die Kirche: “Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende” (Mt 9,38). Im Schlussgebet der Votivmesse wird wohl ein Wunsch von vielen Christen wiedergegeben: “Lass in vielen den Entschluss reifen, im priesterlichen Amt dir und den Brüdern und Schwestern zu dienen”. Die Welt braucht Priester und Ordensleute. Ohne diese Menschen wäre die Welt ärmer.

Dies ist auch das Gebetsanliegen des Heiligen Vater im April: Den Ruf Christi zu Priestertum und geistlichem Leben mögen viele junge Menschen hören und ihm Folge leisten. Gerade heute am Weltgebetstag um Geistliche Berufe sollten wir den Aufruf des Heiligen Vaters ernst nehmen (vgl. in meiner Homepage: Gebetsapostolat des Heiligen Vaters): “Bevor Christus Menschen in seinen Dienst und in seine Nachfolge rief, verbrachte er die ganze Nacht im Gebet, hörte auf den Willen des Vaters (vgl. Lk 6,12). Geistliche Berufungen sind zu allererst eine Frucht gottverbundenen Lebens und intensiven Gebetes zu Gott, dem “Herrn der Ernte”. Sein Ruf forderte heraus und war zugleich eine Einladung in seine Freundschaft, mit ihm zu leben, auf sein Wort zu hören. Auch heute ist der Herr noch dran, Menschen jeden Standes in seine Sendung zu rufen, seinen Gemeinden als Amtspriester und im Rahmen eines geweihten Lebens zu dienen. Die Kirche soll dieses Geschenk schützen und wertschätzen. Sie ist dafür verantwortlich, dass solche Berufungen entstehen und wachsen, besonders wenn dieser Ruf durch den Lärm anderer Stimmen leicht überhört wird. Jede christliche Gemeinde und jeder Christ soll sich hier mitverantwortlich fühlen und alle, die klare Zeichen einer Berufung erkennen lassen, befähigen, Gott und der Kirche ihr Ja zu sagen. Das Volk Gottes braucht gerade in einer so technisierten und globalisierten Welt wie heute Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat, der uns in seiner Kirche versammelt, um mit ihm und durch ihn den Sinn des Lebens und wahre Menschlichkeit kennen zu lernen.

Der Herr ruft, aber dieser Ruf bedarf der Antwort und diese ist heute oft durch Säkularismus und Materialismus blockiert. Deshalb sollen wir ganz gezielt beten, dass viele junge Menschen fähig sind, den Ruf Christi zu hören, ihm als Priester und Ordensleute zu folgen, damit es überall genügend Hirten gebe, die zu einem Leben nach dem Evangelium ermutigen, durch die Sakramente zur Heiligung des Volkes Gottes beitragen, an der Seelsorge teilnehmen und durch ihr Gebet den Glauben der Christen stärken”.

Ich möchte Sie vor allem hinweisen auf die Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum 49. Weltgebetstag um geistliche Berufungen am 29. April 2012 mit dem Thema: “Die Berufungen: Geschenk der Liebe Gottes”: “Es ist wichtig, in der Kirche günstige Bedingungen zu schaffen, damit bei vielen das “Ja” gedeihen kann als grossherzige Antwort auf den liebenden Ruf Gottes…. In der Familie, der “Gemeinschaft des Lebens und der Liebe” (“Gaudium et spes”, Nr. 48), können die neuen Generationen eine wunderbare Erfahrung dieser sich schenkenden Liebe machen. Denn die Familien sind nicht nur der bevorzugte Ort für die menschliche und christliche Erziehung, sondern sie können “zum ersten und besten Seminar für die Berufung zu einem dem Reiche Gottes geweihten Leben” werden (Apostolisches Schreiben “Familiaris consortio”, Nr. 53), indem sie gerade innerhalb der Familie die Schönheit und die Bedeutung des Priestertums und des geweihten Lebens neu entdecken lassen”.

In der Schlussoration der Votivmesse wird der Gedanke des Hirten aufgegriffen: “Allmächtiger Gott, du sorgst für dein Volk durch die Hirten, die du ihm gibt. Erwecke in der Kirche den Geist des Glaubens und der Bereitschaft und berufe auch in unseren Tagen Menschen, die dem Altar dienen und die Frohe Botschaft mit Festigkeit verkünden”.

PaterBernhard
Vatikan: Gebetsmeinung des Gebetsapostolats für das Jahr 2012
GaudiumetSpes Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute
FamiliarisConsortio: Apostolisches Schreiben über die Aufgabe der christlichen Familie in der Welt von heute

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