Auch wir sind aufgerufen den Weg der Erniedrigung zu gehen

Die Leidensgeschichte sollen wir nicht nur anhören

-Sondern uns mit Christus vereinen, ja selber gehorsam zu werden bis zum Tod.

Ein Kommentar zum Sonntagsevangelium von P. Bernhard Sirch

Illschwang, kath.net, 29. März 2012

B – Palmsonntag. “Feier des Einzuges Jesu in Jerusalem”: Mk 11, 1-10 (oder: Joh. 12, 12-16); 1. Lesung: Jes 50, 4-7; 2. Lesung: Phil 2, 6-11., Evangelium: Joh 12, 12-16
“In jener Zeit hörte die Volksmenge, die sich zum Osterfest eingefunden hatte, Jesus komme nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels! Jesus fand einen jungen Esel und setzte sich darauf — wie es in der Schrift heisst: Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin” (Joh 12, 12-15). Der Zuruf “Hosanna!” ist nicht nur ein Ruf der Freude, sondern für die Bewohner von Jerusalem war der Ruf “Hosanna!” gleichzeitig wie die Übersetzung des hebräischen Wortes “hoschiah-na” aussagt, ein Hilferuf, ins Deutsche übersetzt: “Hilf doch!” Hosianna ist als einmal ein Ruf der Freude; warum ist das Volk voll Freude? Weil es weiss, der betreffende Bejubelte kann auch helfen.

Wie viele Menschen rufen heute auch zu Christus: Hosanna, Hilf doch! Dem Brevierbeter ist dieser Hilferuf an Gott vertraut, wenn er im Psalm 118 betet: “Ach, Herr, bring doch Hilfe! Ach, Herr, gib doch Gelingen! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Wir segnen euch vom Haus des Herrn her. Gott, der Herr, erleuchte uns. Mit Zweigen in den Händen schliesst euch zusammen zum Reigen” (Ps 118, 25-27). “Vor allem die Kinder könnten am Palmsonntag beim Sanctus, wenn wir Hosanna singen die Palmbuschen hochhalten, so dass klar wird, dass wir bei Sanctus in allen hl. Messen “Hosianna”, diesen Hilferuf: “Hilf doch!” beten oder singen.

Wir zur Zeit Jesu singen wir bei der Feier des Einzugs Jesu in Jerusalem am Palmsonntag: “Hosanna dem Sohne Davids! Gepriesen, der kommt im Namen des Herrn, der König von Israel. Hosanna in der Höhe!” (vgl. Mt 21, 9).

Wir Christen sollten am Palmsonntag ebenso voll Freude sein, wenn wir mit gesegneten Palmzweigen in Prozession zur Kirche ziehen. Wie zurzeit Jesu soll die Freude zum Ausdruck gebracht werden: Christus, der König zieht mit uns.

Warum wurde Jesus vom Volk so freudig empfangen? Da sitzt Jesus auf einem Esel und zieht fröhlich mit dem Volk in Jerusalem ein. Es ist dies kein Hohn, sondern das Volk jubelt ihm zu. Der Evangelist Johannes gibt uns einen Hinweis. Er beruft sich auf eine Stelle im Alten Testament. Im Buch Sacharja wird das Kommen des Friedensfürsten beschrieben: “Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde” (Sach 9, 9.10). Ganz bewusst wählt Jesus beim Einzug in Jerusalem einen Esel. Das Pferd war das Reittier der Könige, der Esel dagegen das Reittier des kleinen Mannes. Bereits bei der Krippe steht ein Esel als Zeichen des Friedens. Von Bethlehem, wo Jesus in einem ärmlichen Stall geboren wurde, geht an Weihnachten das Friedenslicht, die Botschaft Jesu an die ganze Welt, aus. Bei der Flucht nach Ägypten sitzt Maria mit dem Kind ebenfalls auf einem Esel und bringt den Friedensfürst in Sicherheit.

Christus, der König, kommt auf einem Esel und verkündet so den Menschen Frieden. Die Sehnsucht der Menschen nach einem Friedensbringer auf einem Esel ist auch heute noch ungebrochen. Christus kam nicht hoch zu Ross, sondern auf einem Esel. Dieses Anliegen ist für die Kirche so wichtig, dass sie Jesus täglich im Sanctus begrüsst als den Friedenskönig mit den Versen aus dem Johannesevangelium beim Einzug Jesu als Friedenskönig auf einem Esel: “Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt in Namen des Herrn”.

Das Entscheidende bei Palmprozession war, dass Jesus auf einem Esel als Friedenskönig kommt. Um den Friedenskönig wieder sinnenfällig zu machen, wäre es schön, wenn bei der Palmprozession nicht nur Palmzweige getragen würden, sondern, wenn tatsächlich ein Esel mitgeführt wird: Der Friedens-König auf einem Esel soll begrüsst werden. Das ist das Zentrum der Feier. Die Armut und die Erniedrigung Jesu Christi nachzuahmen, nicht hoch zu Ross auf die Menschen zuzugehen, muss immer ein Leitbild der Kirche bleiben.

Jesus dreht alle unsere Vorstellungen um. Schlicht und einfach wäscht Jesus den Jüngern die Füsse, wie uns Johannes ein Kapitel nach dem Einzug in Jerusalem darlegt: “Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füsse gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füsse waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe” (Joh 13, 13-15). Ruft uns heute Jesus nicht auch zu: Ich bin nicht hoch zu Ross auf die Menschen zugegangen, sondern ich bin auf einem Esel gekommen. “Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe” (Joh 13, 15). Diese Haltung muss das Innerste der Christen ergreifen, um ein glaubhaftes Zeugnis vom Auferstandenen zu geben, der hier auf Erden den Weg der Erniedrigung ohne Zeichen der äusseren Macht ging.

Dies hebt Paulus in der zweiten Lesung hervor: “Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäusserte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” (Phil 2, 6-8). Auch wir sind aufgerufen den Weg der Erniedrigung zu gehen. Die Leidensgeschichte sollen wir nicht nur anhören, sondern uns mit Christus vereinen, ja selber gehorsam zu werden bis zum Tod. Von Christus, der diesen Weg gegangen ist, sagt Paulus: “Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der grösser ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr – zur Ehre Gottes des Vaters” (Phil 2, 9-11). Der Priester sagt zu Beginn der “Feier des Einzuges Jesu in Jerusalem”: “Wir folgen dem Herrn auf seinem Leidensweg und nehmen teil an seinem Kreuz, damit wir auch Anteil erhalten an seiner Auferstehung und seinem Leben”. Diesem Friedenskönig, der Leid und Kreuz auf sich genommen hat, damit wir “Anteil erhalten an seiner Auferstehung und seinem Leben” jubeln wir bei der Palmprozession zu.

Am Palmsonntag wird die Passion Jesu Christi vorgetragen. Ich möchte nur eine Station des Kreuzweges Jesu herausgreifen und mit Ihnen meditieren. 1. Station: Jesus wird unschuldig zum Tod verurteilt. Wie bäumt sich unser Inneres auf, wenn uns Unrecht geschieht! Jesus musste grosses Unrecht erdulden wie heute viele Menschen. Es ist kaum zu glauben: Niemand ist da, der aufsteht und den Mut hat, Jesus zu verteidigen. Wo sind die Menschen, denen er früher geholfen hat? Vergessen ist das Gute, das der Verurteilte getan hat. Selbst bei Jesus, dem Sohn Gottes, wird nur nach Negativem gesucht, um ihn verurteilen zu können. Ein ausgeglichenes Urteil oder gar ein faires, wohlwollendes Gericht fehlt. Viele Menschen sind heute in der gleichen Lage wie Jesus. Auch heute sind Negativanalysten am Werk. Vergeblich suchen die Verurteilen nach Menschen, von denen die unschuldig Verurteilten meinten, sie stehen auf ihrer Seite? Es ist ein bitterer Augenblick, wo ein Verurteilter feststellen muss: er steht allein da. Niemand kommt ihm zu Hilfe. Selbst Gott schaut zu! Die Verteilung nimmt seinen Lauf in der Presse, in den Medien, im täglichen Leben, im engsten Familienkreis.

Jesus weiss um diese Situation. Jesus, der den Menschen immer in ihrer Not geholfen und getröstet hat, sie geheilt hat und eine Frau vor der Steinigung bewahrt hat, wird nun selber unschuldig verurteilt! Was mag da im Herzen Jesu vorgegangen sein? Die Pharisäer und Schriftgelehrten jubeln über diesen “Sieg”. Sie freuen sich, da sie nun dem Volk zeigen können, sie haben Recht gehabt. Ihre Macht ist ungebrochen! Die Pharisäer sind stolz und siegesbewusst. Sie verstehen es, die Menschen umzustimmen. Sie können ihr Gewissen beruhigen, da nicht mehr sie handeln, sondern die jauchzende und brüllende Menschenmenge. Das Gift, das Böse ist in die Menschen eingesenkt und nimmt seinen Lauf. Keiner wird mehr nach Recht und Gerechtigkeit fragen!

Sind wir mit diesen Gedanken nicht mitten in unserem Jahrhundert, im gegenwärtigen Zeitgeschehen! Wie viele Menschen werden auch heute unschuldig verurteilt: Männer und Frauen in Politik und Wirtschaft, im öffentlichen Leben, aber auch Bischöfe und Priester. Es werden nebensächliche Dinge hervorgehoben und dann wird der Stab gebrochen ohne nachzufragen! Die verantwortlichen Stabbrecher verschanzen sich hinter dem “Urteil” der Presse und von Gremien. Eine klärende Auseinandersetzung wird vermieden: Neid und Hass wird Tür und Tor geöffnet. In dieser Situation kann der “Verurteilte” nur auf Christus schauen und das durch die Verurteilung entstehende Leid aufopfern.

Das Richten über den Menschen steht allein Gott zu. Vor Gott werden zwar die Verurteilungen für den Verurteilten, bzw. Gedemütigten, zu Edelsteinen im ewigen Leben. Paulus spricht aber ein sehr hartes Wort und gebraucht sogar den Ausdruck “unentschuldbar”: “Darum bist du unentschuldbar – wer du auch bist, Mensch -, wenn du richtest” (Röm 2,1), man könnte hinzufügen, wenn du Menschen zu Fall bringst.

Christus ist der Hohepriester, er opfert nicht nur Brot und Wein, sondern sein Fleisch und Blut. Ich möchte ihr Augenmerk auf die Priester von heute lenken, von denen auch viele “verurteilt” werden wegen irgendeines Punktes. Ein Priester müsste bei der Priesterweihe sein Menschsein abgeben; dass auch ein Priester Fehler hat, weil er Mensch ist, wird nicht gesehen, obwohl selbst die Jünger Jesu keine “Heiligen” waren und unter sich gestritten haben, wer der Grösste ist (Mk 9, 34). “Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen” (Mk 8, 33). Denken wir an die Verleugnung des Petrus oder an den Verrat des Judas. Nicht jeder 12. Priester ist heute ein Judas wie unter den 12 Aposteln, die Jesus auserwählt hat. Heute sind viele Akteure dabei Priester zu verurteilen und gleichen den Pharisäern, die das Volk gegen Jesus aufgewiegelt haben und die Verurteilung Jesu erwirkten. Manche Gemeinden beten zwar, dass sie trotz Priesternot einen heiligmässigen Priester bekommen; die gleiche Gemeinde vergisst aber, dass sie sich ändern muss. Ich habe schon viele Priesterexerzitien gegeben und musste immer wieder Priester erleben, die ähnlich wie Jesus als Verurteilte dastanden und keine Hilfe fanden. Ein Anwalt der Priester wäre notwendend. Bei der heutigen Priesternot sollten wir gerade “Jesus, der zum Tod verurteilt wurde” um Priester bitten, die sich trotz mancher Schwächen als Seelsorger um die Menschen kümmern. Wir müssen sicherlich das Priesterbild überdenken.

Es geht nicht nur darum, dass wir den Kreuzweg Jesu in unserem Herzen betrachten, sondern dass wir selber wie Jesus den Kreuzweg gehen. Christus wird auch heute verurteilt, er ruft uns heute auf in unserer nächsten Umgebung für den Verurteilten einzustehen. Christus steht damals und heute am Pranger und wird verurteilt in seinen Brüdern und Schwestern.
Herr Jesus Christus schenke uns ein Herz, das uns mit dem Herz des Notleidenden verbindet, dass wir nicht nur Mitleid haben, sondern mitleiden und aus diesem Mitleiden die Kraft erhalten, mitten in der verurteilenden Menge für den Verurteilten, den Ausgestossenen einzutreten. Wir tun es für Jesus, dessen Verurteilung auch heute in unverminderter Härte und Brutalität erfolgt: Jesus wird auch heute unschuldig verurteilt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich! Denn durch Sein heiliges Kreuz hast du die ganze Welt erlöst. Diese 1. Station des Kreuzweges ist allen Priestern gewidmet, die” verurteilt” wurden.

PaterBernhard

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel