Nach der Papstreise: Jesus Christus ist der Weg

Gesellschaftlicher Wandel zum Besseren

Papst Benedikt und die Methode, nach der sich in Mexiko und Kuba und überall auf der Welt ein gesellschaftlicher Wandel zum Besseren vollziehen soll.

Die Tagespost, 30. März 2012, von Guido Horst

“Niemand hat das Recht, die Kirche in einen politischen Schützengraben zu verwandeln.” Das hatte die Erzdiözese Havanna erklärt, nachdem sich dreizehn Dissidenten vor der Ankunft des Papstes in der zentral gelegenen Kirche “Nostra Signora della Carita” verbarrikadiert hatten und ein Gespräch mit Benedikt XVI. forderten. Seitdem Johannes Paul II. die Insel im Jahr 1998 besuchte, ist das die Haltung der katholischen Kirche: Keine Opposition gegen das Regime, den Gläubigen Freiräume schaffen und – da, wo es möglich ist – an einem “weichen Übergang” zu einem innenpolitischen Zustand mitwirken, der demokratischen Verhältnissen immer näher kommt.

Diese Art von “Realpolitik” kennzeichnet die politische Linie des Vatikans gegenüber Kuba und prägte auch die Auftritte des Papstes im Lande der Castro-Brüder. 1998, beim ersten Papstbesuch, schlug man dem Regime die Einführung des Osterfests als staatlichen Feiertag vor und erhielt diesen auch. Diesmal ging es um den Karfreitag. Gleichzeitig machte Benedikt XVI. eine kritische Bemerkung zur Embargo-Politik der Vereinigten Staaten und zeigte sich offen, als ihn der betagte Fidel Castro aufsuchen wollte. Aber der Papst kam nicht als Politiker. Gewährsmann für die vermittelnde Linie der Kirche ist auf der Insel selber der Erzbischof von Havanna, Jaime Ortega, dessen altersbedingten Rücktritt Papst Benedikt im vergangenen Oktober nicht angenommen hat. Aber auch der derzeitige Substitut im Staatssekretariat, Erzbischof Angelo Becciu, der von 2009 bis 2011 Apostolischer Nuntius in Kuba war, verfolgt diese Strategie. Der Erfolg sei der, wie Becciu einmal sagte, dass die katholische Kirche in dem Land “die Sakristeien verlassen hat”.

Benedikt XVI. hat sich bei seinem Kuba-Besuch nicht vor den Karren der Dissidenten und Menschenrechtsorganisationen spannen lassen, wie er auch zuvor schon in Mexiko nicht als Oberhaupt einer Kirche auftrat, deren einziges Ziel es ist, den Drogenkrieg zu beenden und das Land zu befrieden. An Erklärungen in diese Richtung hat es in Mexiko nicht gefehlt, aber die Botschaft des Papstes war doch eine andere: Die Kirche ist nicht dafür da, einen demokratischen oder rechtsstaatlichen Zuckerguss über eine von Mängeln behaftete staatliche Ordnung oder innenpolitische Situation zu giessen, sondern Freiräume zu schaffen, in denen die Kirche als das Reich Gottes auf Erden wachsen und der einzelne Getaufte seiner christlichen Berufung folgen kann. Den Rest wird man sehen.

Als der Papst vor einer Woche bei der grossen Messe unter freiem Himmel bei Silao über die Reinigung des Herzens predigte, hatte er zuvor mit dem Helikopter die hohe Christus-Statue auf dem Gipfel des Bergs Cubilete umkreist. Dazu sagte er dann während des Gottesdienstes: “In diesem Monument also wird Christus als König dargestellt. Aber die Kronen, die ihm beigegeben sind – eine Herrscher- und eine Dornenkrone – zeigen, dass sein Königtum nicht so beschaffen ist, wie es viele verstanden haben und verstehen. Sein Reich besteht nicht in der Macht seiner Heerscharen, um die anderen mit Kraft und Gewalt zu unterwerfen. Es gründet in einer grösseren Macht, die die Herzen erobert: die Liebe Gottes, die er der Welt durch sein Opfer gebracht hat, und die Wahrheit, von der er Zeugnis gegeben hat. Dies ist seine Herrschaft.” Und als er am vergangenen Mittwoch auf dem “Platz der Revolution” in Havanna klare Worte zur Religionsfreiheit fand, machte er deutlich, warum die Kirche dieses Recht einfordert: “In der Überzeugung, dass Christus das wahre Mass des Menschen ist, und im Wissen darum, dass sich in ihm die erforderliche Kraft findet, um jeder Prüfung zu trotzen, möchte ich euch ganz offen den Herrn Jesus als den Weg, die Wahrheit und das Leben verkünden. In ihm werden alle die volle Freiheit, das heisst das Licht finden, um zutiefst die Wirklichkeit zu begreifen und sie durch die erneuernde Macht der Liebe umzugestalten. Die Kirche lebt, um die anderen am einzigen, das sie besitzt, teilhaben zu lassen, und das ist nichts anderes als Christus selbst, die Hoffnung auf die Herrlichkeit.”

Der Papst kam nicht nach Mexiko, um den Menschen dort eine mexikanische Botschaft zu bringen, und er kam nicht nach Kuba, um der Kirche dort einen kubanischen Weg zu weisen. Seine Botschaft war universal. Auch wenn er gezielt einige Herausforderungen ansprach, die sich derzeit konkret in dem einen wie in dem anderen Besuchsland stellen, so war der Kern seiner Verkündigung doch immer derselbe: “Die Kirche”, so hatte er zwei Tage zuvor in Santiago de Cuba gesagt, “hat als lebendiger Leib Christi den Auftrag, die Heil bringende Gegenwart Gottes auf Erden fortzuführen, die Welt für etwas zu öffnen, das grösser ist als sie selbst, für die Liebe und das Licht Gottes. Es ist der Mühe wert, liebe Brüder und Schwestern, das ganze Leben Christus zu widmen, jeden Tag in der Freundschaft zu ihm zu wachsen und sich gerufen zu fühlen, die Schönheit und Güte seines Lebens allen Menschen, unseren Brüdern, zu verkünden.”

Es darf nicht verwundern, dass die säkularen Medien Lateinamerikas, die den Besuch aufmerksam verfolgten, nicht zum Kern der Verkündigung des Papstes vorstiessen, sondern sich mit den nachgeordneten Fragen aufhielten, so etwa wenn Papst Benedikt mehr Freiheit für die Kirche forderte, Kritik am Kapitalismus übte oder vor der Embargo-Politik warnte. Vor allem das Treffen mit Fidel Castro schien dann so etwas wie der Höhepunkt der Lateinamerika-Reise zu sein. Aber die Menschen bei den grossen Gottesdiensten in Silao und dann in Kuba hörten einen ganz anderen Papst, einen, der für den Gottessohn als “das wahre Mass des Menschen” und die Freundschaft mit Jesus Christus Zeugnis ablegte. Darum lassen sich die zentralen Aussagen des Papstes in Mexiko und Kuba ohne Schwierigkeiten auf andere Länder, auch europäische, übertragen. Ein Aufbruch der Kirche und eine Neu-Evangelisierung, über die er vor allem in Mexiko sprach, geschehen nicht dort, wo sich Strukturen verbessern und politische Forderungen durchsetzen lassen, sondern wo Jesus Christus zum Weg, zur Wahrheit und zum Leben wird. Der Papst stellte die Mexikaner wie die Kubaner, die ihn hörten, vor die Gottesfrage. Er kam nicht als Botschafter einer freiheitlich-rechtlichen Gesellschaftsordnung. Auch wenn Benedikt XVI. politische Fragen nicht ausklammerte, kam er in jeder Ansprache doch zum eigentlichen Inhalt seiner Verkündigung. “Heute sind wir voller Jubel”, sagte er vor Kindern im mexikanischen Guanajuato, “und das ist wichtig. Gott möchte, dass wir immer glücklich sind. Er kennt uns und er liebt uns. Wenn wir zulassen, dass die Liebe Christi unser Herz verwandelt, dann werden wir die Welt verwandeln können. Das ist das Geheimnis des wahren Glücks.” Erst wenn sich die Herzen der Menschen verwandeln, dann wandelt sich auf die Welt zum Besseren. Umgekehrt geht das nicht.

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