Christus, Apostel und Realität sprechen anders

(Zum Leserbrief von Urs-Peter Blaser im “Boten)

Lieber Herr Blaser

Da Sie mit verschiedenen Punkten der katholischen Kirche Ihre Mühe haben, muss jetzt ungerechterweise Bischof Huonder herhalten. Vertiefen Sie sich doch ins Neue Testament, auch in den Hirtenbrief, der nämlich auf die zu lange verschwiegenen (weil unangenehmen) Probleme der Vorbereitung der Eheschliessung, der Treue oder der Wiederverheiratung sehr behutsam eingeht, “damit das Leben für alle besser gelingen kann”.

Sie sprechen von Nicht-Legitimierung des Bischofs, während Sie selber unfehlbar legitimiert diesem eins auswischen. Sie werfen ihm völlig unverhältnismässig Diskriminierung vor, während Sie die Lebensform von allen Priestern diskriminieren und in Verbindung bringen mit Missbrauch. Obwohl heute eigentlich alle wissen müssten, dass gerade in den Familien der x-fache Missbrauch stattfindet.

Wenn Ihrer Meinung nach ein Zölibatärer zu Liebe und Ehe nichts zu sagen hat, dann müsste jeder Arzt genauso schweigen über Probleme und Krankheiten, die er nicht an seinem eigenen Leib durchgemacht hat. Zudem sollte bekannt sein, dass die Ehe kein Allheilmittel ist für die heute immer stärker in Erscheinung tretenden Probleme von Beziehungsunfähigkeit, Untreue oder unverarbeiteten Gefühlen.

In der lutherischen Kirche in Deutschland ist fast jede zweite Pfarrehe geschieden, nur eine von vier Bischöfinnen nicht. Ebenso sprechen Missbräuche durch verheiratete reformierte Pfarrer eine andere Sprache. Es ist ein Problem der Gesellschaft überhaupt, das selbstverständlich auch die Kirche in barmherzigem Verhalten anzugehen hat. Dann ist noch darauf hinzuweisen, dass es schon in der Urkirche konkrete Zulassungsbedingungen zur heiligen Kommunion gegeben hat.

Bei Ihrem Leserbrief mit der Anmerkung “noch Katholik” lässt sich fragen, ob Sie mit Ihren gehässigen Äusserungen nicht als Christ überhaupt im falschen Boot sitzen? Jesus selber hat als Zölibatärer “um des Himmelreiches willen” Jünger in diese Lebensform gerufen, um frei zu sein für alle Menschen, und er sagte klar, dass die Ehe unauflöslich ist. Bei dem durch weltliches Treiben entweihten Tempel Gottes (heute Kirche genannt) hat er mit seiner Geissel sehr undiplomatisch, aber wirksam reagiert.

Wir mögen zwar das eine oder andere anders sehen. Aber weder der Bischof noch wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir einfach den anderen nach dem Mund reden, um anzukommen. Wir müssen einander auch das Unangenehme sagen, um Klarheit und wahre Freundschaft zu ermöglichen. Jede Gemeinschaft hat eigene Hausordnungen. Gerade wegen der vielseitigen menschlichen Schwächen ist es also Aufgabe des Bischofs, ob gelegen oder ungelegen die Gebote zu lehren und selber zu halten (wie Jesus sagt) und in Liebe für Ordnung innerhalb seiner Diözese zu sorgen. Ihr Aufruf an die Seelsorger, den Hirtenbrief nicht vorzulesen, ist ein Aufruf zum Ungehorsam und zur Feigheit. Alle sollen dieser unangenehmen Auseinandersetzung weiterhin aus dem Weg gehen. Damit wird aber weder das Miteinander im Alltag besser gelingen, noch wird die Zukunft christlicher.

Rudolf Nussbaumer, Pfarrer, Steinen

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