Der Schreck, dass alles wahr sein könnte

Peter Seewald hat eine Biografie über Jesus Christus geschrieben

Über siebenhundert Seiten in sieben Jahren. Ein Mammut-Projekt, das dem Bestseller-Autor immer deutlicher vor Augen führte, dass das Evangelium die grösste Geschichte aller Zeiten enthält

Vatican Magazin, 10/2009

Das wievielte Jesus-Buch haben Sie gerade geschrieben?

Wenn ich mich recht erinnere: das erste. Natürlich kreisen meine Bücher, die sich mit den Geheimnissen des Christentums befassen, immer um die zentrale Figur dieser Religion. Aber erst jetzt bin ich mit “Jesus Christus” gewissermassen in der Zielmitte angekommen.

Was denken Sie, hat Ihr Buch, was die anderen Jesus-Bücher nicht haben?

In aller Bescheidenheit: Es ist aktuell, es ist modern erzählt, es ist spannend und verständlich, es berichtet eine Vielzahl von Dingen, die wir so nicht gesehen haben…

Zum Beispiel?

Jesu so genannte “kleine Welt” etwa war kein Hinterhügelhausen, sondern der Schnittpunkt der Kulturen. Um den Zeitpunkt seiner Erscheinung wartet die gesamte Region wie im Fieber auf einen Erlöser. Die Bewegung Jesu war kein kleines Fähnlein, sondern eine Massenbewegung. Es waren auch nicht “die” Juden, die Jesus ablehnten. Das “Kreuzige ihn” im Richterhof des Pilatus kam von weniger als einhundert bestellten Claqueuren. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem Jesus nicht Herr der Lage war. Selbst das Verschwinden der Jünger in der Woche der Passion ist seiner allumfassenden Regie zuzuschreiben.

Was ist der Kern des Buches?

Es bricht das Tabu, dass man das Leben Jesu nicht chronologisch darstellen kann, weil die Evangelien hierfür keine genügende Grundlage böten. Dieses Dogma hat unser Christusbild verändert, gewissermassen vom Großen und Ganzen ins Kleine und Krampfhafte. Jesus wurde Rippe für Rippe markiert, zerlegt, zerfleddert. Rudolf Augstein verkündete, Jesus sei lediglich eine Art religiöser Anarchist gewesen – “wenn er denn überhaupt gelebt hat”. Irgendwann gab es diesen Jesus nur noch in Häppchen: Jesus und die Frauen. Jesus der neue Mann. Jesus und die Bergpredigt. Jeder hat ihn sich zurechtgeschnitten, genau so, wie man ihn gerade haben wollte. Bis am Ende niemand mehr wusste, was eigentlich Sache ist.

Es ist eine paradoxe Situation entstanden. Im Grunde könnten wir heute von Jesus mehr wissen als jede andere Generation vor uns. Aber seltsamerweise haben die meisten Menschen den Eindruck, über Jesus wisse man gesichert eigentlich so gut wie gar nichts. Vielleicht war er ja ein netter Typ, seine Wunder, seine Auferstehung und selbst die Kreuzigung seien jedenfalls nichts als fromme Märchen.

Deshalb also eine Biografie?

Wir sprechen hier von der grössten Geschichte aller Zeiten. Von einer Erscheinung, die mit nichts und niemandem vergleichbar ist. Wer ist dieser Jesus? Warum lässt er uns bis heute nicht in Ruhe? Wozu genau ist er in die Welt gekommen? Und warum sagt er sogar, er wird eines Tages wiederkommen? Diese Fragen kann man nicht beantworten, wenn man nicht auch das Leben dieses Mannes kennt. Und zwar als geschlossenes und in seiner Abfolge logisches Ganzes. Wenn Jesus sagt, er sei der “Weg” und das “Leben”, dann sollte man doch diesen “Weg” und dieses “Leben” auch wirklich nachvollziehen können. Dann sollte man nachspüren können, welche Geheimnisse dieses Leben birgt, und was es uns sagen will. Die Worte sind das eine. Seine Taten und Zeichen sind das andere. Erst beides zusammen öffnet uns die ganze, die Meta- und Mega-Botschaft des Christentums.
Die meisten Jesus-Bücher belassen es in der Relativität. Da heisst es dann: “Jesus soll gesagt haben”, oder: “von Johannes wird Jesus in den Mund gelegt“…

Die Evangelien wurden so genau untersucht und kritisch hinterfragt wie keine andere Schrift der Welt, bei seinen so genannten “Kritikern” hat man das leider vergessen. Viele von ihnen haben uns über Jahrzehnte eine Flut von Verklärungen, Halbwahrheiten und blanken Lügen aufgetischt. All dies unter dem Vorzeichen von Aufklärung. Der aggressiv angelegte Meinungsdruck war so stark, dass eine Gegenoffensive nicht mehr stattfand. Ich bin den Spuren Jesu im Heiligen Land gefolgt und habe die Erkenntnisse von Historikern, Archäologen, Theologen, Papyrologen, Psychologen und Textforschern zusammengetragen. “Sucht, dann werdet ihr finden”, sagt Jesus in einem seiner tiefgründigen Hinweise, “klopft an, dann wird euch geöffnet.” Zudem muss die Beschäftigung mit Leben und Lehre Christi immer auch eine Anfrage an die Kirche sein, ob sie tatsächlich noch auf dem Weg ist, der ihr gewiesen wurde. Jesus gab einen Missionsauftrag, aber er hat nichts von Herrschaft und Macht gesagt. Sie muss auch eine Anfrage an die Gläubigen sein, ob wir nicht weit hinter Christus zurückgefallen sind.

Hatten Sie sich irgendein Buch oder einen anderen Autor zum Vorbild genommen?

Bücher über Jesus können niemals von einem einzigen Autor geschrieben werden. Ohne das, was andere nachgefragt, erkannt und weitergegeben haben, könnten wir kaum so viel über Jesus wissen, wie das heute möglich ist. Da sind insbesondere die Kirchenväter, Kirchenlehrer und die Heiligen, die Jesus nicht nur interpretiert, sondern auch gelebt haben. Bücher, die für mich Vorbildcharakter haben, waren die Leben-Jesu-Werke von Franz Michl Willem oder Giovanni Papini. Wir haben heute allerdings eine andere Sprache. Wir haben eine andere Betrachtungsweise. Weil das Allgemeinwissen über Christus vielfach ausgetrocknet ist, darf man heute zudem beim Leser nicht schon einen hohen Informationsstand vorauszusetzen. Vor allem aber können wir durch die Ergebnisse der jüngsten Forschung heute auch viel mehr über Jesus mitteilen. Es gibt keinen einzigen Fund, der den Angaben der Evangelisten widersprechen würde, ganz im Gegenteil. Die vermeintlichen Fakten der Skeptiker, die den Jesus des Evangeliums als jemand entlarven wollten, den es so gar nicht gegeben habe, waren zumeist nie etwas anderes als Hypothesen, und meist einfach nur heisse Luft. Und bereits einige Steine und einige Nägel aus der Zeit Jesu genügen, um diese monströse Luftblase in tausend Fetzen zerplatzen zu lassen.

Was antworten Sie, wenn Sie gefragt werden, ob Sie sich nicht überforderten, weil Sie sich als Journalist an dieses Thema aller Themen herangewagt zu haben?

Die Bibel gehört dem Volk. Man darf sie nicht alleine den Schriftgelehrten überlassen. Natürlich stösst man als Journalist an seine Grenzen. Die Gestalt Jesus ist viel zu gross, als dass man sich einbilden dürfte, ihn ganz erkennen zu können. Andererseits muss die Geschichte Jesu ja nicht neu geschrieben werden. Es geht auch nicht darum, besonders kreativ zu sein, sondern einfach nur wahrhaftig, verständlich – und wenn möglich nicht langweilig. Wären die Evangelisten Professoren gewesen, wäre das Evangelium vermutlich nie über Palästina hinausgekommen. Sie haben wie Reporter genau hingesehen, präzise recherchiert und spannend aufgeschrieben, ohne dem Versuch zu erliegen, etwas zu glätten oder zu glorifizieren. Jesus war von solchen Leuten geradezu begeistert: “Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde”, rief er aus, “weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.”

Nein, überfordert mit dem Evangelium waren in den letzten Jahrzehnten doch wohl eher viele der professionellen Exegeten. Die Theologen sind ungemein wichtig. Wir können ohne ihre Arbeit nicht auskommen. Aber wir haben in den letzten Jahrzehnten eben auch beobachten müssen, dass hier ein Teil der Zunft mehr Zweifel gesät als dazu beigetragen hat, das Wort Gottes besser verstehen zu können. Man muss es deutlich sagen: Viele der Schriftgelehrten in den Hörsälen und Medien haben mit ihrer Kritik um der Kritik willen einen Text-Torso hinterlassen, ein zerfleddertes, voll gekritzeltes, seitenweise durchgestrichenes und zerrissenes Evangelium. Sie haben Jesus zurechtgestutzt auf die Flügelbreite ihrer mittelmässigen Phantasie. Alles, was nicht so recht passte, wurde amputiert. Bald gab es regelrecht Denkverbote. Und was von Jesus übrig blieb, sperrte man hinter eine Mauer aus Theorien und Verdächtigungen. Mit diesem Umfeld weiss dann auch niemand mehr, zu was Kirche eigentlich da ist, welchen Auftrag und welchen Nutzen sie hat.

Was macht man dagegen?

Ich fühlte mich an einen Slogan erinnert, der vor zwanzig Jahren zu Befreiung und Wiedervereinigung führte. Er hiess: “Die Mauer muss weg.“ Im Zusammenhang mit der biblischen Geschichte müssen wir die Mauer aus Falschurteilen, aus Unwissen und aus Lügen, die uns den Zugang zum Evangelium versperrt hat, endlich niederreissen. Dies würde zu einem Quantensprung in unserem Denken und unserem Verhalten führen. Wir müssen ganz einfach wieder lernen, das Evangelium nicht als etwas Verdächtiges zu sehen, sondern als Geheimnis, das uns den Code für das Ewige Leben enthüllt.

Warum haben Sie sich nicht einfach einen schönen Sommer gemacht und gewartet, um bald nachzulesen, was der Papst im zweiten Teil seiner Biografie über Jesus sagen wird, die ursprünglich ja ebenfalls diesen Herbst hätte erscheinen sollen? Hatten Sie manchmal den Eindruck, einen Wettlauf mit dem Papst zu machen?

Man kann die beiden Bücher nicht vergleichen. Das sind ganz andere Ebenen. Ich würde mir auch nie anmassen, meine Arbeit auf diese Stufe zu stellen. Aber ich betrachte es als eine schöne Fügung, dass sich nun auch in der zeitlichen Abfolge des Erscheinens diese Werke ergänzen können. Zu dem grossen Tanker des Papstes kann nun mein kleines Beiboot etwas Anschauungsmaterial beisteuern. Und ich freue mich sehr darauf, wenn das zweite Papst-Buch diesem Projekt die Krone aufsetzt.

Gab es bei Ihren Recherchen nach dem Leben Jesu einen Lieblingsort, den Sie dabei entdeckt haben?

Das Heilige Land ist bis heute von einer ungeheuren Faszination. Man nennt die Landschaft in Galiläa nicht von ungefähr das “fünfte Evangelium”, in dem die Geschichte Jesu so anschaulich wird, als könnte man darin regelrecht herumspazieren. Besonders eindrücklich fand ich die Eremos-Höhle bei Tabgha, die als der Ort verehrt wird, an den Jesus sich immer wieder zurückgezogen und gebetet hatte. Man blickt wie aus dem Auge Gottes auf eine paradiesische Welt, in der es nichts gibt, das einen stören könnte. Gleichzeitig überkommt einen aber auch ein Schauder, was wir aus unserer schönen Welt gemacht haben.

Was hat Sie bei der Arbeit an Ihrem Buch am meisten beunruhigt?

Erstens: Das es niemals fertig werden würde. Zweitens: Dass ich der falsche Mann für diese Aufgabe bin. Drittens, und dies vor allem: Dass alles wahr sein könnte, was in der Heiligen Schrift offenbart wird. Die Frage ist doch: Wenn Jesus sagt: Ich heile – ist das direkt gemeint? Wenn er sagt: Werft eure Sorgen auf mich – kann man das tatsächlich machen? Wenn er sagt: Ich bin das Licht – wird es dann tatsächlich heller, wenn man mit den Augen Jesu sieht? Es gibt ja in der Beschäftigung mit dem Evangelium eine ungeheure Versessenheit auf Detailfragen und das Herauspopeln möglicher Unstimmigkeiten.
Ich vermute, dahinter steckt vielfach nur die Angst, sich mit der Hauptfrage befassen oder sie gar beantworten zu müssen. Ob nämlich dieser Jesus Christus wirklich der Sohn Gottes ist, so wie es geschrieben steht. Diese Offenbarung ist in der Tat so gewaltig, so umwerfend, dass wir verständlicherweise immer wieder davor zurückschrecken. Wenn wir sie ernst nähmen, müssten wir unser Leben ändern.

Ist es denn wahr?

Fest steht: Jesus ist nicht nur durch die Schriften der Evangelien dokumentiert, sondern auch durch mannigfaltige ausserbiblische Quellen, die weder Zweifel an seiner historischen Existenz noch an seiner Verehrung als der seit langem erwartete Messias zulassen. Die Darstellung des Evangeliums stimmt mit den historischen Realitäten überein. Die Evangelien wurden zudem nicht zeitfern vom Geschehen, sondern zeitnah aufgeschrieben. Erste Aufzeichnungen der Worte Jesu gab es mit hoher Sicherheit bereits zu seinen Lebzeiten. Damit wurden über keine andere Persönlichkeit der Antike so früh Aufzeichnungen angefertigt, um der Nachwelt ein authentisches Zeugnis zu geben, wie über Jesus von Nazareth.

Fest steht auch: Der Jesus des Glaubens ist auch der historische Jesus, und der historische Jesus auch der Jesus des Glaubens. Es gibt keine “Formung” der Botschaft Jesu in dritter oder vierter Generation. Die Evangelien wurden nach ihrer Niederschrift nicht verändert, sondern in beispielloser Texttreue überliefert. Wer heute das Neue Testament liest, liest es folglich – von Unsicherheiten bei der Übersetzung einzelner Wörter oder Wendungen und stilistischen Fragen abgesehen – genau so, wie es vor zweitausend Jahren aufgeschrieben wurde.

Was, denken Sie, werden die Schriftgelehrten und Theologen zu Ihrem Buch sagen? Fürchten Sie nicht ihre vernichtende Kritik?

Mit Kritik muss man rechnen, insbesondere dann, wenn man aus den ausgelatschten Wegen des Mainstreams heraustritt und dabei dem einen oder anderen auf die Füsse steigt. Aber was ist ein Buch wert, das bei allen gut ankommen würde?
Das nicht auch den Mut hätte, gegen den Strich zu bürsten?

Sie sagen, die wunderbare Speisung Jesu von tausenden Menschen am See sei nicht faktisch, sondern symbolisch zu verstehen. Die eigentliche Wirklichkeit ist für Sie demnach die Welt symbolischer Zahlen.

Nein, selbstverständlich ist die wunderbare Speisung als Fakt zu verstehen. Jesus war ein Naturereignis, ein Sturm, und seine Bewegung eine Massenbewegung. Sie brachte das ganze Land in Aufruhr. Mit riesigen Trecks, die teils dreihundert Kilometer weit zogen, um den Mann zu sehen, den viele für den Messias hielten. Das Geschehen ist Fakt. Andernfalls hätte es niemals diese Wirkung gehabt. Man wollte Jesus nach der Brotvermehrung sofort zum König ausrufen. Im Übrigen gab es solche Vermehrungswunder beispielsweise auch bei Don Bosco.

Das Geschehen ist aber zugleich weit mehr als Fakt. Wer hier stehen bleibt, kommt nicht in die ganze Höhe der Botschaft. Wenn die Evangelisten hier zwei Fische und fünf Brote und zwölf Körbe erwähnen, dann sind das keine Zufallszahlen, sondern so genannte sprechende Zahlen. Das ganze Ereignis verweist, kurz gesagt, auf die heilige Eucharistie, deren Bedeutung früher einmal auch im Namen für das Brot Christi zum Ausdruck kam: pharmakon athanasias – Heilmittel der Unsterblichkeit.

Sie sagen, die Bergpredigt sei wider die Vernunft, fordern aber dennoch, dass sie zu den Grundüberzeugungen der Völker und der ganzen Welt gehören soll. Wie verträgt sich das?

Die Bergpredigt ist wider die so genannte menschliche Vernunft. Sie ist wider unsere Engstirnigkeit, unsere Habsucht und unsere so genannten Sachzwänge. Gilt es in den Augen der meisten nicht als unvernünftig, seine Feinde zu lieben? Oder jemanden selig zu preisen, der nicht auf seinen Vorteil aus ist? Jesus verkündet hier eine andere, höhere Vernunft. Mit der Botschaft der Bergpredigt und der Seligpreisungen ist etwas in die Welt gekommen, das alles Bisherige übersteigt. Aber nur so war es möglich, die üblichen Spiralen, etwa von Gewalt und Gegengewalt, zu unterbrechen.

Sie bezeichnen die Menschwerdung Gottes als widernatürlich. Wieso?

Es ist doch ganz offensichtlich, dass die Menschwerdung Gottes über die bekannten Gesetze der Natur hinausgeht. Für gewöhnlich kommen jungfräuliche Geburten, wie wir wissen, beim Menschen nicht vor. Die Inkarnation Gottes in einem Menschen ist aber auch kein Allerweltsgeschehen. Es ist ein Augenblick der Weltgeschichte, wie es ihn noch nie gegeben hat und nie wieder gab. Manche vergleichen ihn mit der Genesis. Gott macht sich klein. Er wird zu einem Menschen, um die Botschaft des Himmels zu überbringen und eine neue Geschichte mit den Menschen zu schreiben. Der Akt ist beispiellos und nahezu unfassbar. Es ist der grösste Einschnitt und Umbruch der Menschheitsgeschichte. Von diesem Tag an berechnen wir die Zeit neu. Maria ist die Gottesgebärerin. Sie bringt Gott zur Welt. Und sie zeigt im übergeordneten Sinne, was alle Christen sein sollten: Gottesgebärer.

Fromme Juden behaupten, Jesaja sei nicht in Jesus erfüllt. Was antworten sie ihnen?

Die Antwort hat Jesus selbst schon gegeben. “Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben.” Lukas fügt an: “Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose  und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.”
Die messianischen Prophezeiungen haben eine unglaubliche Präzision. Und je näher sie zur Geburtsstunde des “Erlösers” kommen, je präziser geben sie sein Wesen, sein Wirken, seine Zeichen, seine Aufgabe an, bis zum Tod am Kreuz und zu seiner Auferstehung. Jesaja ist geradezu der Maler des Herrn. Er hat ihn im Voraus gezeichnet, als müsse er einen Steckbrief entwerfen. Die Funde von Qumran haben das bestätigt. Alle diese Dinge sind in der Erscheinung Jesu schliesslich auch wirklich eingelöst worden, bis ins kleinste Detail hinein. “Und das Wort ist Fleisch geworden”, konnte Johannes deshalb sagen. Es gibt nicht nur in der Geschichte Israels, sondern in der gesamten Geschichte der Menschheit kein Wesen, das Jesus gleich käme. Im Übrigen waren es eben genau die frommen Juden, die Jesus als den von den Prophezeiungen vorhergesagten Messias erkannten und ihm deshalb gefolgt waren. Schon bald nach der Passion Christi überstieg die Zahl der Anhänger des “Neuen Weges”, wie sich die neue jüdische Bewegung nannte, die Mitgliederzahl der Pharisäer-Schule deutlich.

Gibt es eine Schlagzeile, mit der Sie ausdrücken können, was Sie mit Ihrem Jesus- Buch den Lesern sagen wollen?

Die Evangelien sind echt und wahr. Wir müssen aber lernen, sie wieder aufmerksamer und respektvoller zu lesen. Sie beinhalten eine Botschaft, die sich nicht erledigt hat, sondern für die Zukunft der Welt, für die Zukunft jedes Einzelnen von entscheidender Bedeutung ist. Die gute Nachricht ist: Es gibt eine Lösung. Und wir können dabei begreifen, dass wir nicht nur mehr in einer Zeit nach Christus, sondern auch schon wieder – mehr und mehr – in einer Zeit vor Christus leben.

Daran erinnert auch der Papst in seiner Jesus-Exegese. Alles, was Jesus sagte, erklärt er, sei immer auch auf die Zukunft gerichtet. Man müsse insbesondere die Gerichtsworte auf unsere Situation anwenden. Denn an der Frage “ob Gott da ist – der Gott Jesu Christi – und anerkannt wird, oder ob er verschwindet, entscheidet sich heute, in dieser dramatischen Situation, das Geschick der Welt.

 

Peter Seewald arbeitete als Journalist für den “Stern”, den “Spiegel” und die “Süddeutsche Zeitung”. Er gilt als einer der erfolgreichsten religiösen Autoren Deutschlands. Seine bekanntesten Werke sind die beiden Interview-Bücher mit Kardinal Joseph Ratzinger: “Salz der Erde” und “Gott und die Welt”.

Quelle
Salz.der.Erde
Salz.der.Erde CDs
Gott.und.die.Welt Das Geheimnis des christlichen Glaubens

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