Joseph – Vaterbild und Vorbild

Impuls zum 2. Fastensonntag 2014 und zum Fest des hl. Joseph

Münster, zenit.org, Msgr. Dr. Peter von Steinitz

Papst Franziskus ist erst ein Jahr im Amt, aber er hat die Kirche schon ganz schön aufgemischt. Er spricht von einer armen Kirche. Und wir sind ja Kirche. Aber heisst das, wir sollen nichts unser eigen nennen? Gemeint ist Bedürfnislosigkeit, Loslösung, Einfachheit – also das genaue Gegenteil unserer herrschenden Konsumideologie.

Zu Beginn der Fastenzeit spüren wir, dass jetzt ein guter Zeitpunkt gekommen ist, um diese Gedanken in die Tat umzusetzen. Und wir spüren, dass das für unser persönliches religiöses Leben einen Wert hat, aber gleichzeitig kommen wir nicht klar mit der Frage: wie macht man das denn? Der eine sagt sich: wieso soll ich mich im Essen einschränken, ich bin ja gar nicht in Gefahr dick zu werden.

Der andere sieht nicht ein, warum er keine Süßigkeiten oder keine Zigaretten konsumieren soll. “Ich rauche ja gar nicht!” oder so ähnlich. Hier ist einem ja schnell klar, dass die Sparsamkeit in der Zeit vor Ostern mit unserem Wünschen und Wollen zu tun hat, und nicht so sehr mit dem Äusserlichen.

Aber gut: wir haben eingesehen, dass wir um “Gottes willen” und nicht um der schlanken Linie willen, uns etwas verkneifen sollen. Aber – Hand aufs Herz! – vom Einsehen bis zum Tun ist oft ein langer Weg. Das Beispiel des strengen Fastens Jesu Christi imponiert uns zwar, aber da es uns gleichzeitig etwas hoch erscheint, schauen wir uns um nach anderen Menschen, an denen man sich orientieren kann. Gerade Jugendliche richten sich gerne nach dem Urteil der anderen, vorzugsweise der anderen Jugendlichen.

Da wird es jedoch schwierig: wenn wir einen Mitschüler fragen – was machst du besonderes in der Fastenzeit? – wird er sich bestenfalls an den Kopf fassen. Oder wenn wir die Stars und Idole befragen: Philipp Lahm oder Adele, oder eine Lady Gaga – wie haltet ihr es mit der Abtötung? Ich denke, wir fragen gar nicht erst, denn wir könnten ausgelacht werden. Dabei sind gar nicht mal alle Stars so weit weg vom Christentum, aber der Stil der Zeit ist nun mal nicht mehr christlich.

Ihr kennt vielleicht das witzige Wort von Wilhelm Busch: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt man völlig ungeniert. Ich schlage euch vor, in diesem Sinne die Frage nach einem Vorbild zur Orientierung in Sachen Busswerke neu zu stellen, etwa so: Wenn die Umwelt christliche Vorstellungen sowieso nicht annimmt oder, was noch schlimmer ist, sie belächelt, warum dann nicht gleich auf Beispiele zurückgreifen, mit denen frühere Generationen gut gefahren sind. Wenn eine in der Öffentlichkeit hochstilisierte Sängerin sich den Namen “Madonna” zulegt und gleichzeitig ihr Singen und Tanzen zwar gute Gymnastik, aber schlechte Moral ist, stellt sich doch die Frage, ob die wirkliche Madonna, nämlich Maria nicht doch erheblich mehr Vorbildqualität hat. Wobei wir uns nicht damit aufhalten müssen, dass dies vielleicht ein unerreichbares Vorbild ist, denn sie selbst kommt uns entgegen und lässt Befangenheit erst gar nicht aufkommen. Nur nebenbei gefragt: hätte uns Maria denn in Sachen Armut und Loslösung etwas zu sagen? Da brauchen wir eigentlich nur an die Situation im Stall von Bethlehem zu denken, um die Frage mit Ja zu beantworten. Bei ihr ist kein Leben in Wohlstand, kein Konsumdenken, auch nicht bei dem später recht friedlichen Leben in Nazareth.

Gehen wir noch einen Schritt weiter (nachdem ja “der Ruf schon ruiniert” ist) und werfen wir einen kritischen Blick auf eine andere Person aus der nächsten Umgebung Jesu: Joseph. Ist dieser Mann einer, der uns etwas zu sagen hat – zur Lebensorientierung überhaupt und speziell zum Thema Armut? Oder ist er nicht sogar vielleicht “der tolle Typ”, der, wenn ich ihm einmal begegnen würde, mir sofort nicht nur imponieren würde, sondern mit dem ich sogar Freund sein könnte. Was ich vielleicht nicht so erleben würde, wenn mir plötzlich Justin Bieber oder Beyoncé über den Weg laufen würden. Aber (Einwand) ist der hl. Joseph nicht ein alter Mann? Ich glaube das nicht. Auf manchen Bildern wird er so dargestellt, als ob nur ein alter Mann die Jungfräulichkeit Mariens hätte respektieren können. Nein, Joseph hat auch als junger und kräftiger Typ den Nerv gehabt, die Keuschheit und Enthaltsamkeit gut zu leben.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass wir die Stars und Idole zwar bewundern und bejubeln, aber ob sie uns wirklich etwas geben? Kennen wir sie wirklich? Könnten wir uns vorstellen, dass Emma Watson oder Robert Pattinson, wenn wir sie kennenlernen würden, etwas für uns tun würden? Ich behaupte, dass bei einem Mann wie Joseph das aber der Fall sein würde (der Einwand, dass wir an ihn und Maria usw. ja doch nicht “herankommen” können, zieht nicht. An die Stars kommen wir nicht dran, zu den Heiligen, auch wenn sie im Himmel sind, haben wir aber immer einen Draht.)

Konstruieren wir mal den Fall, im Stadion, auf einer Klassenfahrt oder auf der Schildergasse lernen wir ihn, Joseph, kennen. Zunächst würde er uns nicht auffallen, ausser dass er so lebendige Augen und so ein herzliches Lachen hat. Unsere Vorstellung vom “komischen Heiligen” würde schnell über den Haufen geworfen, und wir würden uns für diesen Joseph regelrecht begeistern, nicht auf so eine hysterische Weise, wie manche Mädchen beim Anblick des Stars ausflippen, sondern wir würden feststellen: der ist unheimlich nett, der interessiert sich für mich, der überlegt, wie er mir eine Freude machen kann, ja sogar wie er mir aus einer Zwangslage heraushelfen kann. Und dann kommen wir dahinter, was das Geheimnis dieses Mannes ist, was das Geheimnis aller Heiligen ist: sie haben gelernt, sich mal zurückzunehmen, nicht ihrem Ego zu frönen, ja sogar auf etwas zu verzichten und darüber obendrein noch glücklich zu sein.

Nicht als ob das ganze Leben des hl. Joseph ein einziger Verzicht gewesen ist. Im Gegenteil: der Verzicht ist das, was nur hin und wieder vorkommt, und bitter ist er überhaupt nicht, der Verzicht, denn da ist ja noch ein anderer im Spiel, um den sich das alles ja dreht: Gott. Was uns scheinbar fehlt, wenn wir etwas opfern, auf etwas verzichten, ist in Wirklichkeit – Gott bewirkt das irgendwie geheimnisvoll – ein Gewinn. Gott lässt sich nämlich an Grossherzigkeit nicht übertreffen: geben wir ihm oder ihm zuliebe ein wenig, so gibt er immer ganz viel zurück.

Der hl. Joseph – besser als jeder Star und jedes Idol: an ihm kann man wirklich Mass nehmen. So wie der möchte ich sein: treu, fürsorglich, verständnisvoll, ein “Mann für alle Jahreszeiten”, wenn man bedenkt, wie er mit Mut und Kraft seine Familie verteidigt und beschützt. Im übrigen: “voll normal”, kein Spinner, einer, der es schafft, das Leben wirklich lebenswert zu machen.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz, war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den sel. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“ und „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich).

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