Hollerich: Kein Recht auf Abtreibung in die Verfassung
Luxemburg will Schwangerschaftsabbrüche verfassungsrechtlich festschreiben. Der Luxemburger Kardinal spricht sich vehement dagegen aus — und erntet Kritik
Quelle
Europäische Bürger wollen kein Abtreibungsrecht | Die Tagespost
06.10.2025
Meldung
Nachdem Frankreich 2024 als erstes Land weltweit ein “Recht” auf vorgeburtliche Kindstötungen in der Verfassung festgeschrieben hatte, will Luxemburg nun nachziehen. Zumindest liegt ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch, demzufolge Artikel 15 der Verfassung zu überarbeiten und darin ein explizites “Recht” auf vorgeburtliche Kindstötungen zu verankern sei. Dagegen wehrt sich der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich vehement.
Er warnte vor einer Verankerung eines “Rechts” auf einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch (IGV) in der Verfassung. In einer Ausgaben der Sendung “Background im Gespräch” des Luxemburger Senders RTL sprach der Kardinal von einem “traurigen Tag in der luxemburgischen Geschichte”, würde dieses Verfassungsprojekt angenommen. Die Mitglieder der entsprechenden Kommission zur Verfassungsänderung antworteten darauf mit harscher Kritik.
“Züge eines totalitären Systems”
Laut Hollerich gibt es keinen Grund, ein “Recht” auf Abtreibung in die Verfassung zu schreiben, da es bereits ein Gesetz gebe, welches dieses „Recht” garantiere. Der Kardinal bezog sich auf ein Gesetz von 2012, in dem ein “Recht” auf Abtreibung geregelt ist. Doch laut dem Gesetzesvorschlag der Grünenpartei “Déi-Lénk“ soll zusätzlich folgende Formulierung in die Verfassung aufgenommen werden: “Das Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch und das Recht auf Empfängnisverhütung sind garantiert. Das Gesetz regelt die Bedingungen, unter denen diese Rechte frei und wirksam ausgeübt werden.”
Dazu erklärte der Luxemburger Kardinal in der RTL-Sendung, “junge und alte Frauen” zu kennen, die mit der Verfassungsänderung nicht einverstanden seien. Eine katholische Minderheit würde sich mit diesem Staat nicht mehr wohlfühlen, was einen Zustrom anderer politischer Richtungen zur Folge hätte.
Weiter fragte er, ob der Staat alles entscheiden müsse, “was ich für richtig und für falsch halte?” Da geschehe “so etwas wie eine Zwangsmeinung, die uns aufgestülpt werden soll. Wenn man sich nicht mehr frei äußern kann und nicht mehr einfach sagen kann: ‘Ich habe eine andere Meinung’, dann hat unsere liberale Demokratie Züge eines totalitären Systems angenommen”, fuhr Hollerich fort. Dass Menschen mit abweichender Meinung in den Rechtsextremismus getrieben würden, seien “ganz gefährliche Tendenzen”, betonte er und verwies auf langfristigen Konsequenzen eines solchen Handelns.
“Ganz neben der Platte”
Diese Aussagen wollten verschiedene Abgeordnete nicht auf sich sitzen lassen. Eine Politikerin der Luxemburger Sozialistische Arbeiterpartei (LSAP), Taina Bofferding, quittierte dies mit der Bemerkung, Hollerichs Aussagen seien “ganz neben der Platte” und “realitätsfern”. Im Gespräch mit der großen Tagezeitung “Luxemburger Wort für Wahrheit und Recht” befand sie: “Jean-Claude Hollerich ist in seiner spirituellen Ideologie eigentlich wesentlich reaktionärer und totalitärer als wir, die einfach nur ein Menschenrecht in die Verfassung einschreiben wollen.”
Zudem würden derartige Aussagen die Situation von Frauen, die beispielsweise durch eine Vergewaltigung schwanger geworden seien, verschlimmern und sie ein weiteres Mal traumatisieren, so die LSAP-Politikerin. “Die Entscheidung, ob jemand Kinder bekommt oder eine Abtreibung durchführen lässt, ist für mich reine Privatsache.”
Grünen-Politiker: Das Gesetz schützt Frauen
Der Grünen-Abgeordnete Sam Tanson (Partei “Déi Gréng”) bemerkte laut dem Bericht der Luxemburger Tageszeitung bezugnehmend auf den Vergleich des Erzbischofs mit einem totalitären System: “In einem totalitären System werden einem Rechte entzogen. Das ist aber hier nicht der Fall. Hier soll ein Recht durch die Verfassung abgesichert werden.”
Der Kardinal dürfe die kirchliche Richtlinie vertreten, solle aber “bei so einem heiklen Thema… besser auf seine Worte achten”. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung zu verankern, geschehe zum Schutz der Frauen, erläuterte er. “Denn der Preis, den viele Frauen bezahlen müssen, wenn Abtreibung kein Recht ist, ist ihr Leben.”
Viel Kritik, wenig Rückenwind
Von der Linkspartei “Déi Lénk” meldete sich Marc Baum, der federführend an dem Projekt beteiligt ist. Der Kardinal habe mit seinen Falschaussagen bewiesen, dass die Meinungsfreiheit und somit auch die Demokratie in Luxemburg gegeben und demnach kein totalitäres System sei. Und er fügte hinzu: “Wenn ich in einem Club wäre, in dem ich meinen Priestern verbiete, Kinder zu haben, dann würde ich den Ball etwas flacher halten.”
Rückenwind bekommt der Kardinal dagegen von der Alternativen Demokratische Reformpartei (ADR), die eine Verfassungsänderung ebenfalls kategorisch ablehnt. Die Demokratische Partei (DP) forderte, den Text zu überarbeiten. Aus der größten Regierungspartei, der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) kam der Vorschlag, die Abtreibung als “öffentliche Freiheit” statt als “absolutes Recht” in die Verfassung aufzunehmen.
Immer mehr Abtreibungen
Die Zahl der Abtreibungen in Luxemburg steigt. Laut dem Luxemburger Tagesblatt verzeichnete die Organisation “Planning familial” im März 2024 einen Anstieg von 58 Prozent. Von 1.034 im Jahr 2023 eingegangenen Anträgen führten 713 tatsächlich zu Schwangerschaftsabbrüchen. Luxemburg zählt zu den Ländern mit der niedrigsten Geburtenrate in Europa.
DT/dsc
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