CNA erklärt: Was ist Transhumanismus?

Viele einflussreiche Stimmen setzen große Hoffnungen auf Entwicklungen wie Gehirn-Computer-Schnittstellen, künstliche allgemeine Intelligenz (AGI) und Genmanipulation. Sie sehen darin den Beginn einer neuen, transhumanistischen Ära. Doch was ist Transhumanismus – und wie begegnet die katholische Kirche diesem Phänomen?

Quelle
Transhumanismus – www.die-bibel.de
Transhumanismus: Der Mensch als Maschine? | Sternstunde Religion | SRF Kultur
Transhumanismus – Traum oder Alptraum? : Dürr, Oliver: Amazon.de: Bücher
Dante Alighieri

Von Pater Michael Baggot

Rom – Dienstag, 30. September 2025

Viele einflussreiche Stimmen setzen große Hoffnungen auf Entwicklungen wie Gehirn-Computer-Schnittstellen, künstliche allgemeine Intelligenz (AGI) und Genmanipulation. Sie sehen darin den Beginn einer neuen, transhumanistischen Ära. Doch was ist Transhumanismus – und wie begegnet die katholische Kirche diesem Phänomen?

Laut der “Transhumanist FAQ 3.0” versteht sich der Transhumanismus als “intellektuelle und kulturelle Bewegung, die die Möglichkeit und Wünschbarkeit einer grundlegenden Verbesserung der menschlichen Verfassung durch angewandte Vernunft bejaht – insbesondere durch die Entwicklung und breite Verfügbarkeit von Technologien, die Altern überwinden und die intellektuellen, körperlichen und psychologischen Fähigkeiten des Menschen erheblich steigern sollen”.

Zwar bleibt die Zahl der Mitglieder offizieller transhumanistischer Organisationen überschaubar. Doch die Denkweise dieser Bewegung ist unter führenden Technologieunternehmern weit verbreitet – und beeinflusst zunehmend auch Entscheidungen in bioethischen Fragen rund um den Lebensanfang und das Lebensende.

Prominente Vertreter

Der Unternehmer Bryan Johnson, der mit seinen Investitionen und seinem Lebensstil immer wieder für Schlagzeilen sorgt, gilt als Paradebeispiel eines Transhumanisten. Er verfolgt ein radikales Gesundheitsregime mit dem erklärten Ziel, den Alterungsprozess umzukehren – in der Hoffnung, durch künftige wissenschaftliche Durchbrüche dem Tod zu entgehen. Über 100 Nahrungsergänzungsmittel täglich, Lichttherapien und andere experimentelle Methoden gehören zu seinem Alltag.

Auch andere Tech-Größen setzen auf “Lösungen” für das Altern und den Tod. So investierte Amazon-Gründer Jeff Bezos Milliarden in das Biotech-Unternehmen Altos Labs, das an der Verlangsamung oder gar Umkehr des Alterungsprozesses forscht. Google-Mitgründer Larry Page startete Calico Labs – ein weiteres Projekt mit dem Ziel radikaler Lebensverlängerung.

Die Haltung der Kirche

Die katholische Kirche strebt keine “biologische Lösung” für den Tod an – wohl aber setzt sie sich für gesundheitliche Verbesserungen und längere Lebensspannen ein. In ihrem weltweiten Netzwerk katholischer Krankenhäuser und Einrichtungen werden technische Innovationen dort begrüßt, wo sie dem Menschen wirklich dienen. Dazu gehört etwa die gezielte Anwendung von Gen-Therapien zur Behandlung von Krankheiten wie Beta-Thalassämie, Sichelzellanämie oder seltenen Stoffwechselerkrankungen.

Gleichzeitig lehnt die Kirche Technologien ab, die die Würde des Menschen untergraben – insbesondere Verfahren, bei denen Embryonen künstlich erzeugt und dann auf “wünschenswerte Eigenschaften” untersucht werden. Projekte, bei denen künstliche Intelligenz oder genetische Selektion eingesetzt werden, um bestimmte Intelligenzgrade zu erreichen, widersprechen dem christlichen Menschenbild.

Kritische Perspektiven

Der frühere Google-Ingenieur Ray Kurzweil, ein prominenter Verfechter des Transhumanismus, prognostiziert ein sogenanntes “Singularitäts-Ereignis”: ein Punkt, an dem sich KI-Systeme selbst weiterentwickeln, Technologie exponentiell wächst und Mensch und Maschine miteinander verschmelzen. Das Ziel der radikalsten Transhumanisten: eine postbiologische Existenz, in der das Bewusstsein digital weiterlebt – eine “digitale Unsterblichkeit”.

Solche Konzepte liefern jedoch bestenfalls digitale Abbilder einer Person – nicht aber deren leibhaftige, personale Existenz. Die katholische Kirche betont die untrennbare Einheit von Körper und Seele. Der Traum von einer rein digitalen Fortexistenz kann den Blick auf die Endlichkeit des irdischen Lebens und die christliche Hoffnung auf die leibliche Auferstehung verstellen.

Ein katholischer Zugang

Der Dialog mit Transhumanisten kann sinnvoll sein – besonders dort, wo der aufrichtige Wunsch besteht, durch Technik das menschliche Leben zu verbessern. Auch säkulare Autoren erkennen an, dass die katholische Kirche einst eine treibende Kraft des Fortschritts war – gewissermaßen das “Silicon Valley” ihrer Zeit.

Lange vor Julian Huxley, der den Begriff “Transhumanismus” prägte, sprach der Dichter Dante Alighieri in der Göttlichen Komödie von der “transhumanisierenden” Erfahrung der himmlischen Verklärung. In “Paradiso” (Gesang I, Verse 70–71) schreibt er: “Trasumanar significar per verba non si poria” – “Das Über-das-Menschliche-Hinausgehen lässt sich mit Worten nicht beschreiben”.

Ein katholischer Zugang zum Transhumanismus wurzelt nicht in Technologie, sondern in der Gnade. Das wahre “Über-das-Menschliche-Hinausgehen” – die Theosis – geschieht durch das Mitwirken des Menschen mit dem Heiligen Geist. Sie steht allen Menschen offen, unabhängig von Intelligenz, Fitness oder sozialen Voraussetzungen – und zielt auf Heiligkeit, nicht auf Optimierung.

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