Papst Leo XIV.: Verschwinden, damit Christus bleibt
Mit Mozetta und Stola auf der Loggia, die Rückkehr nach Castel Gandolfo und in den Apostolischen Palast: Emblematische Entscheidungen in den ersten 100 Tagen von Papst Leo
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“Unerschrockener apostolischer Eifer”: 100. Jahrestag der Geburt von Mutter Angelica
6.08.2025
Den 99. Tag seines Pontifikats – und den 100. wahrscheinlich auch – verbringt Papst Leo XIV. in Casel Gandolfo. Es ist der 15. August, der Festtag Mariä Himmelfahrt, “ferragosto”, wie die Italiener sagen, der Ferientag im Sommer, an dem das ganze Land stillsteht. Castel Gandolfo nicht. Der Ort der päpstlichen Villen wird wieder auf den Beinen sein, denn Papst Leo feiert, wie schon während seines Aufenthalts in den Albaner Bergen vom 6. bis 22. Juni, eine Messe in der Päpstlichen Pfarrei mit der Kirche San Tommaso da Villanuova direkt an der Piazza della Libertà – einen Steinwurf vom Tor des Päpstlichen Palasts entfernt, der zuletzt Benedikt XVI. als Ruhesitz diente. Die Rückkehr des Papstes nach Castel Gandolfo ist emblematisch für eine ganze Reihe von Entscheidungen Leos XIV., es wieder so zu halten, wie es die letzten Päpste immer gehalten haben.
Das war und ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn man in Rom zu Zeiten von Papst Franziskus fragte, ob der Nachfolger wieder in das Appartement im Apostolischen Palast hoch über dem Petersplatz zieht, ob er sich nach der Wahl auf der Loggia des Petersdoms mit Stola und Mozetta zeigen wird, ob er im Sommer eine Auszeit in den Albaner Bergen nimmt, dann war die Antwort meistens die, dass es dafür eine gehörige Portion Mut brauchen würde. Die Medien würden argwöhnisch verfolgen, ob da ein neuer Papst hinter seinen Vorgänger zurückgehen würde. Das war offensichtlich falsch. Der Papstname “Leone” ist auch das Wort für “Löwe” und Löwen haben Mut. Aber Kardinal Robert Prevost musste gar nicht mutig sein. Er machte es einfach – und niemand sah darin einen Verstoß gegen das Vermächtnis seines Vorgängers.
Verschwinden, damit Christus erkannt wird
Und so wurde schon der Wahlabend des 8. Mai für Millionen von Katholiken zu einem deutlichen Signal. Der Papst trug Stola und Mozetta. Und sein Brustkreuz war aus Gold: Das wird kein Franziskus II. sein. Und die Wahl des Papstnamens Leo sprach auch für sich: Der Papst aus “den beiden Amerikas” will einen Neuanfang setzen. Am Tag nach der Wahl bei der Messe mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle sprach er am Ende der Predigt über sein Selbstverständnis als Papst. Für die Kirche, die die Zugehörigkeit zum Herrn leben und allen die Frohe Botschaft bringen wolle, sei es unerlässlich, mit dem Apostel Petrus immer wieder neu zu bekennen:
“Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes”. Jetzt, da er selbst als Nachfolger Petri seine Mission beginne, “der Gesamtkirche in der Liebe vorzustehen”, mache er sich die Worte des heiligen Ignatius von Antiochien zu eigen, der, als er in Ketten in die Stadt Rom gebracht wurde, an die Christen dort schrieb: “Dann werde ich wirklich ein Jünger Jesu Christi sein, wenn die Welt meinen Leib nicht mehr sieht”. Der heilige Ignatius, sagte Papst Leo vor den Kardinälen, “bezog sich darauf, dass er im Zirkus von wilden Tieren verschlungen werden würde – und so geschah es –, doch seine Worte verweisen in einem allgemeineren Sinn auf eine unverzichtbare Anforderung für alle, die in der Kirche ein Leitungsamt ausüben: zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht wird, sich ganz und gar dafür einzusetzen, dass niemandem die Möglichkeit fehlt, ihn zu erkennen und zu lieben.”
Deutlicher hat es Robert Prevost als Papst bisher noch nicht gesagt, dass er als Person verschwinden will, damit Christus dafür sichtbar wird. So etwas trägt man auch nicht als Dauerrefrain vor sich her. Aber schon jetzt, nach 100 Tagen, deutet manches darauf hin, dass Papst Leo nicht wie sein Vorgänger darauf brennt, den Vatikan zu verändern, die Kleriker vom Klerikalismus zu heilen, für Bischöfe zu sorgen, die nach ihren Schafen riechen, oder der Kurie Pomp und höfisches Gebaren auszutreiben. Dazu gehört ein Stil, der stets Wertschätzung und Dankbarkeit für den Beitrag anderer zum Ausdruck bringt. An die römischen Geistlichen richtete er am 12. Juni Worte der Ermutigung: “Ich möchte euch helfen, mit euch gehen, damit jeder wieder Gelassenheit in seinem Dienst findet.” Die Nuntien und Päpstlichen Repräsentanten lobte er am 10. Juni mit den Worten: “Das Netzwerk der Päpstlichen Vertretungen ist immer aktiv und einsatzbereit. Das ist für mich ein Grund zu großer Wertschätzung und Dankbarkeit. Ich sage dies sicherlich mit Blick auf Ihre Hingabe und Organisation, aber noch mehr auf die Motivation, die Sie leitet, auf den pastoralen Stil, der uns prägen sollte, auf den Geist des Glaubens, der uns beseelt.” Ein hohes Lob, das er dann nochmals unterstrich: “Was ich gesagt habe, habe ich nicht auf Anregung von jemandem gesagt, sondern weil ich es zutiefst glaube: Eure Rolle, euer Dienst ist unersetzlich.”
Friede – mit Christus ist das möglich
Anders als bei Franziskus fiel in die ersten 100 Tage Papst Leos bereits ein Massenereignis. Dass das Jubiläum der Jugend Anfang August ein dichtes, sehr spirituelles und doch frohes Ereignis war, hat jeder gesehen, der den einen oder anderen Bericht über das Treffen gesehen oder gehört hat. Aber es lohnt sich auch, genauer auf die Botschaft zu schauen, die von dieser Jubiläumsfeier ausging. Papst Leo hat die jugendlichen Teilnehmer bei zwei Themen “abgeholt”. Zum einen war das der Friede – beziehungsweise der bedauerliche Zustand der Welt von heute: Die gelöste Stimmung im Millenniums-Jahr 2000, zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs, als noch zwei Millionen Jugendliche mit Johannes Paul II. in Tor Vergata die Messe feierten, ist verflogen, dafür haben “heiße Kriege” den Globus unsicherer gemacht.
Das Thema “Friede” war deshalb ein Kernthema von Papst Leo. Als er nach der Abschlussmesse am Sonntag den nächsten Weltjugendtag für Anfang August 2027 in Seoul ankündigte und dessen Motto “Habt Mut – Ich habe die Welt besiegt” nannte, fügte er an:
“In Gemeinschaft mit Christus sind wir den jungen Menschen, die unter den schlimmsten Übeln leiden, die andere Menschen ihnen zufügen, näher denn je. Wir sind mit den jungen Menschen in Gaza, wir sind mit den jungen Menschen in der Ukraine, mit denen in allen vom Krieg verwüsteten Ländern.” Den Jugendlichen machte Leo Mut:
“Ihr” sagte er, “seid das Zeichen dafür, dass eine andere Welt möglich ist, eine Welt der Brüderlichkeit und Freundschaft, in der Konflikte nicht mit Waffen, sondern mit dem Dialog gelöst werden. Ja, mit Christus ist das möglich. Mit seiner Liebe, mit seiner Vergebung, mit der Kraft seines Geistes.”
Der Welt Jesus Christus bringen
Das andere Thema, mit dem Papst Leo die Jugendlichen ansprach, war ihre Lebenswirklichkeit, das heißt ihr Leben in den sozialen Medien mit ihren Algorithmen und “kommerziellen Logiken und Interessen”, die, wie es Leo ausdrückte, “unsere Beziehungen in tausend Einzelteile zerreißen”. Oft zitiert Papst Leo den heiligen Augustinus, der seinem Orden den Namen und die Ordensregel gab. Auch jetzt tat er das. Der große Kirchenlehrer habe eine stürmische Jugend durchlebt, aber sich nicht damit begnügt. Augustinus, so der Papst, “erstickte den Schrei seines Herzens nicht. Er suchte die Wahrheit, die nicht enttäuscht, die Schönheit, die nicht vergeht. Wie hat er sie gefunden? Wie hat er eine aufrichtige Freundschaft gefunden, eine Liebe, die in der Lage ist, Hoffnung zu schenken? Indem er denjenigen fand, der ihn bereits suchte: Jesus Christus.”
Das war die zentrale Botschaft, die Papst Leo den Jugendlichen mit auf den Weg geben wollte: “Liebe junge Menschen, unsere Hoffnung ist Jesus”, sagte er bei der Abschlussmesse. Er sei es, wie der heilige Johannes Paul II. sagte, der in ihnen etwas entfachen könne, “die Sehnsucht, aus eurem Leben etwas Großes zu machen, euch selbst und die Gesellschaft besser zu machen, damit sie menschlicher und geschwisterlicher werde.” Der Welt Jesus Christus bringen – das war der “cantus firmus” von Papst Leo in den Tagen des Jubiläums der Jugend. Und es war die Kernbotschaft der ersten 100 Tage.
Noch hat Leo XIV. keine größeren Personalentscheidungen getroffen. Er führt Gespräche, hört viel zu. Er greift zurück auf einen providentiellen “Mix” von Erfahrungen: Aufgewachsen in den USA, hat er als Missionar unter einfachen Leuten gelebt. Als Ordensmann hat er die Kirchenväter studiert, zugleich ist er Kirchenrechtler. Er hat ein Bistum geleitet, dann den Augustiner-Orden, schließlich das Bischofs-Dikasterium. Er kennt die Kurie und hat als Generaloberer die Welt bereist. Ideale Voraussetzungen für den Mann auf dem Petrusstuhl. Dennoch wirkte er als Bischofspräfekt so diskret und zurückhaltend, dass ihn die wenigsten auf dem Wahlzettel hatten. Diese Bescheidenheit wird auch ein Charakterzug von Papst Leo bleiben.
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