Versöhner gesucht

Der Völkermord von Srebrenica vor 30 Jahren erinnert daran: Ohne Gerechtigkeit wird Versöhnung immer nur Stückwerk bleiben. Das gilt auch für die Kriege der Gegenwart

Quelle
Armenien
Überlebender des Genozids Srebrenica: «Ich musste zurückkehren» – News – SRF
Massaker von Srebrenica: “Gemeinsame Erinnerung gescheitert” – news.ORF.at
30 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica – Vatican News
US-Behörde berichtet über Tötungen und Diskriminierung religiöser Minderheiten in Syrien

11.07.2025

Stephan Baier

Es war das schwerste Kriegsverbrechen, das nach 1945 und vor 2022 auf europäischem Boden verübt wurde: Vor genau 30 Jahren, zwischen 11. und 19. Juli 1995, ermordete die Soldateska der bosnischen Serbenrepublik (“Republika Srpska“) unter Ratko Mladić mehr als 8.000 muslimische Bosnier in der UN-Schutzzone im ostbosnischen Srebrenica.

Es war ein Genozid, der sich da vor den Augen von 450 leicht bewaffneten niederländischen Blauhelm-Soldaten – und vor den Augen der Weltöffentlichkeit – zutrug. Es war nicht der erste Völkermord, wie etwa ein Blick auf die Geschichte der Armenier zeigt, und leider auch nicht der letzte, wie uns die Kriege unserer Tage lehren. Umso wichtiger ist es, die richtigen Lehren aus dem Massaker von Srebrenica zu ziehen.

Schuld benennen, Schuldige verurteilen

Die erste lautet: Wie der Mord mit dem diabolischen Wunsch beginnt, der andere Mensch möge nicht sein, so beginnt der Völkermord mit der Leugnung der Existenz und des Existenzrechts der andere Ethnie. Zweitens: Zum Mittäter wird, wer Täter und Opfer nicht klar benennt, sondern nebulös von “Konfliktparteien” spricht, als handle es sich um einen Wahlkampf oder einen Streit von Kindern im Sandkasten. Im Angesicht von Aggressionen mit genozidaler Absicht ist Neutralität faktisch die Parteinahme für den Aggressor und ein Verrat am Opfer.

Drittens: Die Hüter des Völkerrechts (wie die Vereinten Nationen) laden Schuld auf sich, wenn sie sich mit moralischen Appellen und Mahnungen begnügen. In einer Welt der Wölfe muss der Hirte mehr als nur einen Stock besitzen, wenn er die Schafe verteidigen will. Im Strafrecht wie im Völkerrecht gilt: Ein Recht, das nicht durchsetzbar ist, lädt Verbrecher geradezu zum Rechtsbruch ein.

Viertens: Nichts braucht diese Welt mehr als Versöhner. Aber Versöhnung schreit nach Gerechtigkeit. Solange die Türkei den Genozid an den Armeniern 1915/16 nicht anerkennt, solange Serbien und die aus dem Völkermord geborene bosnische Serbenrepublik den Genozid von Srebrenica 1995 nicht anerkennen, solange die Nachfolger Putins den russischen Völkermord an den Ukrainern nicht anerkennen, wird Versöhnung immer nur Stückwerk bleiben. Zur Gerechtigkeit gehört auch das Benennen von Schuld und die Verurteilung von Schuldigen.

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