Der Pontifex und die Politik – Leo XIV. bricht Tabus

Friede, Gerechtigkeit und Wahrheit als drei Schlüsselwörter und ein Appell für die Familien und Ungeborenen: Der Papst empfing das Diplomatische Corps

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17.05.2025

Guido Horst

Um die zweihundert Nationen werden morgen der Messe zur Amtseinführung von Papst Leo XVI. beiwohnen – das sind mehr Staaten als die, mit denen der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen unterhält. Für die USA wird Vizepräsident J. D. Vance erwartet, Deutschland ist mit Bundespräsident und Bundeskanzler vertreten, selbstverständlich Peru sowie die meisten lateinamerikanischen Staaten, und auch der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog hat sich angesagt. Beim Requiem für Franziskus hatte das Land nur den Botschafter Tel Avivs geschickt.

Mit großen Erwartungen schaut die Welt der Politik und Diplomatie auf den Beginn des neuen Pontifikats. Papst Leo hatte die Botschafter der beim Vatikan akkreditierten Staaten am Freitagvormittag empfangen, und seinerseits zusammengefasst, welche Bedeutung er Rom im Konzert der Mächte beimisst. Der Vatikan, so der Papst, sei “von einem pastoralen Drang beseelt, der ihn dazu antreibt, nicht nach Privilegien zu streben, sondern seine Sendung zur Evangelisierung im Dienste der Menschheit zu intensivieren”. Dabei bekämpfe er jede Gleichgültigkeit und rede immer wieder in die Gewissen – “so wie es mein verehrter Vorgänger unermüdlich getan hat, der immer ein offenes Ohr für den Schrei der Armen, der Bedürftigen und der Ausgegrenzten hatte, ebenso wie für die Herausforderungen unserer Zeit, von der Bewahrung der Schöpfung bis zur künstlichen Intelligenz”.

Verteidigung ja, Wettrüsten nein

Seine Ansprache, die zugleich ein Appell an die internationale Politik war, gliederte er nach drei “Schlüsselwörtern”, die “die Säulen des missionarischen Handelns der Kirche und der Arbeit der Diplomatie des Heiligen Stuhls bilden”:

Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Der Friede sei mehr als die bloße Abwesenheit von Krieg und Konflikten – auch mehr als ein bloßer Waffenstillstand. Zunächst sei er ein Geschenk, ein Gabe, die Jesus seinen Jüngern mit den Worten “Der Friede sei mit euch” gewünscht habe. “Der Friede entsteht im Herzen und aus dem Herzen heraus, indem man Stolz und Forderungen zurückstellt und die Worte abwägt, denn man kann auch mit Worten verletzen und töten, nicht nur mit Waffen.”

Dies setzte eine uneingeschränkte Achtung der Religionsfreiheit voraus, denn “die religiöse Erfahrung ist eine grundlegende Dimension der menschlichen Person, ohne die es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, eine Reinigung des Herzens zu erreichen, die notwendig ist, um Beziehungen des Friedens aufzubauen”. Leo XIV. machte sich den Appell seines Vorgängers zu eigen, keine Instrumente der Zerstörung und des Todes mehr zu produzieren, und zitierte Franziskus aus seiner letzten Ansprache zum Ostersegen “Urbi et orbi“:

“Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen.”

In die Familie investieren

Auch das zweite Schlüsselwort “Gerechtigkeit” war mit einer Provokation verbunden, indem sich Leo für die Keimzelle einer jeden Gesellschaft und einen konsequenten Lebensschutz stark machte: Die Regierenden hätten die Aufgabe, “sich um den Aufbau harmonischer und friedlicher Zivilgesellschaften zu bemühen. Dies kann in erster Linie durch Investitionen für die Familie geschehen, die auf der stabilen Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau beruht”.

Darüber hinaus sei jeder gefordert, sich um den Schutz der Würde jedes Menschen zu bemühen, “insbesondere der schwächsten und schutzlosesten, vom ungeborenen Kind bis zum alten Menschen, vom Kranken bis zum Arbeitslosen, ob Bürger oder Einwanderer“. Der Papst bezeichnete sich selbst als “Nachkomme von Einwanderern, der” – mit Blick auf seinen Gang nach Peru – “seinerseits Auswanderer” ist, was jedoch niemandem im Geringsten die Würde nehme: “Jeder von uns kann sich im Laufe seines Lebens gesund oder krank, erwerbstätig oder arbeitslos, in der Heimat oder in einem fremden Land wiederfinden: Unsere Würde bleibt jedoch immer dieselbe, nämlich die eines von Gott gewollten und geliebten Geschöpfes.”

Die Wahrheit in Jesus Christus

Auch mit dem dritten Schlüsselwort brach Papst Leo ein Tabu in einer Zeit, in der nichts mehr für wahr und alles für gleich gültig gehalten wird: “Die Kirche kann sich ihrerseits niemals ihrem Auftrag entziehen, die Wahrheit über den Menschen und die Welt auszusprechen, auch wenn sie, wenn nötig, zu einer deutlichen Sprache greift, die vielleicht ein anfängliches Unverständnis hervorruft.”
Im Kern aber sei die Wahrheit aus christlicher Sicht “nicht die Bestätigung abstrakter und realitätsferner Prinzipien, sondern die Begegnung mit der Person Christi selbst, der in der Gemeinschaft der Gläubigen lebt”. Somit entfremde die Wahrheit nicht, sondern treibe dazu an, mit noch größerem Nachdruck die Herausforderungen der Zeit anzugehen, “wie etwa die Migration, die ethische Nutzung der künstlichen Intelligenz und die Bewahrung unserer geliebten Erde”. Zum Abschluss machte Papst Leo darauf aufmerksam, dass sich die Kirche in einem Heiligen Jahr befinde, was eine Zeit der Umkehr und eine Gelegenheit sei, Streitigkeiten hinter sich zu lassen und eine Welt aufzubauen, in der jeder sein Menschsein in Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden verwirklichen kann – “angefangen bei denen, die am meisten geprüft sind, wie die Ukraine und das Heilige Land”.

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