Heimkehr nach Syrien? Gut, dass wir drüber reden

Warum die Debatte über die Heimkehr syrischer Flüchtlinge nicht zynisch, sondern notwendig ist

Quelle
Syrien

10.12.2024

Jakob Ranke

“Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist, wenn der IS im Irak besiegt ist, sie mit dem Wissen, das sie bei uns erworben haben, wieder in ihre Heimat zurückkehren” – es ist dieser acht Jahre alte, nun vielfach wieder hervorgekramte Satz von Angela Merkel über die nach Deutschland geflüchteten Syrer, der im Hintergrund der Debatte steht, die in Deutschland bereits an Tag 1 nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien begann. Der blutrünstige syrische Diktator ist Geschichte – und damit auch ein Hauptgrund, Syrern in Deutschland Schutz zu gewähren. Ohne Zeit zu verlieren, warb etwa der CDU-Politiker Jens Spahn dafür, Syrien-Rückkehrern eine Prämie von 1.000 Euro zu zahlen. Eine zynische Debatte?

Es ist erstaunlich, dass nun diejenigen Kommentatoren der Forderung, Syrer sollten nun heimkehren, am stärksten widersprechen, die sonst darauf pochten, dass niemand freiwillig sein Land verlasse, sondern die durch die Fluchtbewegung des vergangenen Jahrzehnts zu uns Gekommenen zuerst aufgrund von Verfolgung, und nicht etwa zu Erlangung wirtschaftlicher Vorteile da seien. So etwa der bekannte WDR-Journalist Georg Restle, der auf “X” schreibt: “In Syrien wird ein Diktatur (sic!) gestürzt. Und in Deutschland macht sich bei einigen Freude breit: Nicht über den Sturz des Barbaren, sondern darüber, jetzt Syrer abzuschieben. Man weiß nicht, wofür man sich mehr schämen soll: Für die politische Ignoranz oder die Empathielosigkeit.”

Wer Asyl gut findet, muss Heimkehr befürworten

Natürlich hat Restle, genau wie Außenministerin Annalena Baerbock und andere linke Politiker, die sich ähnlich geäußert haben, einen Punkt, wenn er darauf hinweist (“politische Ignoranz”), dass derzeit absolut unklar ist, wie sich die Lage in Syrien entwickeln wird. Mindestens genauso wahrscheinlich wie ein friedlicher Übergang in eine gemeinsame Zukunft der unterschiedlichen religiösen und politischen Gruppen sind weitere blutige Kämpfe um die Macht oder die Herausbildung eines islamistischen Unrechtsstaats nach Taliban-Vorbild. Niemand kann das derzeit wirklich voraussagen, und insofern haben sofortige Rückkehrforderungen tatsächlich etwas unseriöses.

Und doch: Es ist per se ganz und gar nicht zynisch, über eine Rückkehr zu diskutieren. Jedem, der überhaupt ein Interesse am Erhalt des Asylsystems in Deutschland hat, muss daran gelegen sein, die Rückkehr vorübergehend schutzbedürftiger Menschen als Ziel anzuerkennen. Sonst ist diese Institution humanitärer Großzügigkeit nur ein Weg zur dauerhaften Einwanderung, und wird als solcher, weil politisch mehrheitlich nicht gewollt, irgendwann abgeschafft oder stark eingeschränkt werden. Hinzu kommt: Einige Syrer wollen vielleicht tatsächlich heim – weil ihnen ihre Heimat etwas bedeutet und sie an ihrem Aufbau teilhaben wollen. Schwer vorstellbar im postnationalen Deutschland? Man sollte syrischen Idealisten, die es so sehen, jedenfalls nicht ausreden, heimkehren zu wollen. Ihre Heimat wird sie gut brauchen können. Nicht zuletzt ist anzuerkennen, dass die Integration von immerhin rund fünf Prozent der syrischen Bevölkerung in Deutschland bislang keine uneingeschränkte Erfolgsgeschichte war. Es ist nicht empathielos, auch die deutschen Interessen mitzudenken, sondern verantwortungsvoll.

Solidarität ist christlich, Debatte ist demokratisch

Und die kirchliche Perspektive? Während katholischerseits offenbar noch angestrengt nachgedacht wird, hat sich der evangelische Flüchtlingsbischof Christian Stäblein schon mal zu Wort gemeldet. Auch er verwies gestern auf die unsichere derzeitige Lage – und forderte ein Ende der Rückkehr-Debatte. Dafür sei jetzt “überhaupt nicht der Zeitpunkt”. “Geflüchtete aus Syrien, die bei uns sind, müssen wissen, dass sie hier weiterhin Schutz finden und nicht abgeschoben werden”, so Stäblein.

Nun, dem ist zu widersprechen: Zwar mag die christliche Sozialethik tendenziell einen großzügigen solidarischen Umgang mit Flüchtlingen nahelegen. Doch die Debatte, die sich eben auch darum dreht, was Asyl eigentlich ist und sein soll, die sollte man der Gesellschaft – gerade vor einer wichtigen Bundestagswahl – keinesfalls versagen. Ganz im Gegenteil wäre es zu begrüßen, wenn alle Parteien in dieser fundamentalen Frage nochmal ausführlich Stellung beziehen, und dem Bürger damit eine informierte Entscheidung ermöglichen.

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