Missionsgeschichte – “Zum Glauben ist niemand zu zwingen”
Die katholische Kirche ist missionarisch. Ein Problem ist das nicht. Der kultursensitive Ansatz Daniele Combonis zeigt, wie sich der Sendungsauftrag Christi erfüllen lässt
03.11.2024
Mission – in Kirchenkreisen nehmen wir das Wort nicht mehr oft in den Mund. Und wenn doch, dann auch nicht besonders gerne. Wir denken an Intoleranz und Gewalt, Zwang und Unterdrückung. Doch die Kirche lebt von und aus der Mission – heute vielleicht mehr denn je. So wichtig es ist, sich mit historischen und aktuellen Formen von Rassismus in und Kolonialismus durch kirchliche Einrichtungen auseinanderzusetzen, so selbstverständlich die Anerkennung kultureller Vielfalt in der Weltkirche ist, so klar ist auch, dass diese Aufarbeitung nicht dazu dienen darf, einen derart dunklen Schatten auf den bleibenden Sendungsauftrag der Kirche zu werfen, dass der Eindruck entsteht, es sei das Beste, sich des Themas rasch zu entledigen und künftig darauf zu verzichten, der Welt den Glauben „aufzudrängen“. Das wäre grundfalsch. Eine Mission, die lebensnah und kultursensitiv ist, ist nicht nur möglich, sondern nötig. Sie muss mit neuem Mut angegangen werden.
Die katholische Kirche ist apostolisch, also missionarisch, das heißt, sie ist darauf ausgerichtet, die Botschaft ihres Gründers, Jesus Christus, allen Menschen zu verkünden. Den Auftrag zur Mission erhält sie dabei von Christus selbst (vgl. Mt 28,18-20). Dass Mission nicht mit Zwang einhergehen darf, macht Christus in seinen “Anweisungen für die Mission” deutlich (vgl. Mt 10,5-15). Die Annahme des christlichen Glaubens kann nur freiwillig erfolgen, erzwungen werden kann allenfalls die formale Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, also: in der Kirche, durch eine “Zwangstaufe”. Da diese wertlos ist, soweit und solange die innere Haltung zum Glauben fehlt, hat die Kirche ihre Vornahme verboten. Die Argumente dafür waren biblischer, theologischer und naturrechtlicher Provenienz. Es galt der Grundsatz “Ad fidem nullus est cogendus”, der auch in das um 1130 zusammengestellte “Decretum gratiani” Eingang fand (p.II, c.23, q.5, c.33) – “Zum Glauben ist niemand zu zwingen”.
Zwang in Glaubensfragen – ein großer historischer Irrtum
Dennoch kamen Zwangstaufen vor. Fälschlicherweise werden sie heute der Kirche zur Last gelegt, obwohl sie keine religiöse, sondern eine politische Funktion hatten und nur dort aufgetreten sind, wo die Kirche als weltliche Macht wirkte. In den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte gab es keine Zwangstaufen und keine Schwertmission. Die Menschen entschieden sich freiwillig und oft unter Einsatz ihres Lebens für die Nachfolge Christi. Im Kern ihrer Begründung ist die Kirche dementsprechend nicht durch Gewalt vorbelastet. Nach der Konstantinischen Wende, als das Christentum Staatsreligion des sich auflösenden Römischen Reiches wurde, wandte es in dieser Funktion Zwangsmittel an, um Heiden zu “christianisieren”.
Das bedeutet: In dem Maße, in dem die Kirche eine staatstragende Rolle übernahm (und Kirchenvertreter als weltliche Herrscher fungierten), wurde sie mit der machtpolitischen Forderung nach Zwangstaufen konfrontiert. Dabei wurden die von weltlichen Herrschern angeordneten Formen intoleranter Mission seitens prominenter Kirchenvertreter kritisch gesehen. Zwei bedeutende Beispiele dafür sind die Zwangstaufen, die Karl der Große Ende des 8. / Anfang des 9. Jahrhunderts unter den Sachsen vollziehen ließ, und die Mission in Lateinamerika im Auftrag der spanischen Krone während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In beiden Fällen waren es weltliche Herrscher, die Mission als Mittel der Machtpolitik einsetzten. Die Kritik an diesem Ansinnen kam aus Kirchenkreisen, von Hofpredigern und Ordensleuten, die mit biblischen, theologischen und natur-, später auch (proto)völkerrechtlichen Argumenten opponierten.
Taufe oder Tod? Im achten Jahrhundert umstritten
Zehn Jahre nachdem Karl der Große gegen die Sachsen in den Krieg gezogen war, erließ er 782 in der “Capitulatio de partibus Saxoniae” Vorschriften zur Todesstrafe für alle, die sich nicht taufen lassen wollten. Der theologischen Rechtmäßigkeit der Alternative “Taufe oder Tod” hat sein Hoftheologe Alkuin entschieden widersprochen. Als die “Reyes Católicos”, die Katholischen Könige, ab 1510 Amerika eroberten und die autochthone Bevölkerung von den Conquistadores im Rahmen einer gewaltsamen Kolonisation gewissermaßen nebenbei “christianisiert” werden sollte, stieß dies bei vielen Missionaren auf massiven Widerspruch, für den vor allem der Dominikaner Bartolomé de Las Casas steht.
Las Casas interessiert sich für die Menschen und lernt ihre Sprache. Er will das Bekenntnis nicht erzwingen, sondern die Indios vom Christentum überzeugen. Er gründet die ersten Reducciones, Dörfer, in denen die sonst sehr vereinzelt lebenden Menschen angesiedelt wurden, um gesellschaftliches Leben in überfamiliären Strukturen und eine wirkungsvollere Katechese zu ermöglichen. Ein Modell, das Schule macht.
Besonders bekannt wurde in diesem Zusammenhang der Anfang des 17. Jahrhunderts in Paraguay errichtete Jesuitenstaat. Große Gebiete standen unter der Verwaltung von Missionaren, die das Alltagsleben wie in einer klösterlichen Gemeinschaft organisierten. Gemeinsame Bewirtschaftung der Felder, ergänzt um behutsame Glaubensunterweisung und einen religiös bestimmten Tagesablauf kennzeichneten dieses verheißungsvolle Experiment, das in so krassem Gegensatz zu der brutalen Explorationspolitik der Conquistadores stand und erst mit Übergabe der Gebiete an Portugal Mitte des 18. Jahrhunderts beendet wurde. Beendet werden musste – aufgrund weltlicher Interessen.
Gewaltfreie Mission – ein Erfolgsmodell
Die Verbindung weltlicher und kirchlicher Interessen wird dann im 19. Jahrhundert in weiten Teilen Afrikas vielen Menschen zum Verhängnis. Auch hier gab es einen Kirchenmann, der eine Alternative bereithielt: Daniele Comboni. Die von Comboni 1867 in Verona gegründete Ordensgemeinschaft der Missionari Comboniani Cordis Jesu (mccj) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen in Afrika Versöhnung und Frieden durch das Evangelium zu ermöglichen, bei größtem Respekt vor ihren kulturellen Eigenheiten – als Gegenkonzept zum Kolonialismus in der Gründungszeit des Ordens (und bis heute als Gegenkonzept zum aktuellen westlichen Kulturimperialismus). 1872 folgte die Gründung des Frauenordens. Gemeinsam realisieren die Comboni-Missionarinnen und – Missionare seit 150 Jahren den Auftrag Daniele Combonis, der ihnen drei Dinge mit auf den Weg gab:
1. Die Mission in Afrika darf nicht Sache von Nationen und von einzelnen Orden sein, sondern muss von der ganzen Kirche getragen werden.
2. In Afrika muss das Evangelium von den Afrikanern selbst verkündet werden. Europäische Missionare sollen dazu lediglich unterstützend wirken.
3. Mission muss die Förderung des Menschen und die Befreiung von jeder Art der Sklaverei beinhalten.
Seit 1921 gibt es die Comboni-Missionare auch in Deutschland. Die erste Niederlassung wurde in Schleifhäusle (Josefstal) bei Ellwangen im Allgäu gegründet, bis heute Hauptsitz der deutschen Ordensprovinz. Aus Deutschland geht es für die Comboni-Missionare hinaus in die Welt. Das unverkennbare Markenzeichen der Comboni-Missionare:
kultursensitive “Mission der Tat” in sozialen und kariativen Projekten, beim Bau und Betrieb von Schulen und Krankenhäuser, mit Bildungsangeboten für Frauen und Jugendliche. Zumeist leisten die Comboni-Missionare dabei echte Pionierarbeit, verrichten dort soziale Arbeit, wo der Staat kläglich versagt. Und das ist leider in vielen Teilen der Welt der Fall, nicht nur in Afrika. Sie geben damit ein Beispiel, wie der Sendungsauftrag Jesu Christi heute erfolgreich ausgeführt werden kann.
Mission – nie war sie so wertvoll wie heute. Im 21. Jahrhumdert richtet sie sich zunehmend auf die Region, von der sie historisch ausging:
Europa. Priester und Ordensleute aus den ehemaligen Missionsgebieten in Amerika, Asien und Afrika kommen zu uns und öffnen uns die Augen für das Evangelium. Mission ist keine Einbahnstraße. Mission ist bleibende Aufgabe der Kirche.
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