Apostolisches Schreiben “Ecclesia Dei” *UPDATE

Apostolisches Schreiben “Ecclesia Dei” – Motu Proprio –  Papst Johannes Paulus II

johannes hl.Quelle
Marianisches Jahr 1988
Dekret der Kongregation für die Bischöfe – Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Bruderschaft “St. Pius X.”
Summorum Pontificum – Apostolisches Schreiben von Papst Benedikt XVI. als Motu Proprio erlassen – Über den Gebrauch der Römischen Liturgie in der Gestalt vor der Reform von 1970
*Petrusbruderschaft: Sind nicht direkt von neuen Einschränkungen betroffen

1. Die Kirche Gottes hat mit grosser Betrübnis von der unrechtmässigen Bischofsweihe Kenntnis genommen, die Erzbischof Marcel Lefebvre am vergangenen 30. Juni vorgenommen hat. Dadurch wurden alle Anstrengungen zunichte gemacht, die in den letzten Jahren unternommen worden waren, um der von Msgr. Lefebvre gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. die volle Gemeinschaft mit der Kirche sicherzustellen. In der Tat blieben alle, besonders in den letzten Monaten sehr intensiven, Bemühungen, in denen der Apostolische Stuhl Geduld und Nachsicht bis an die Grenzen des Möglichen gezeigt hat(1), ohne Erfolg.

2. Diese Trauer empfindet besonders der Nachfolger Petri, dem es an erster Stelle zukommt, die Einheit der Kirche zu schützen(2), auch wenn die Anzahl derer, die direkt in diese Erreignisse verwickelt sind, klein sein mag; denn jeder Mensch wird um seiner selbst willen von Gott geliebt und wurde durch das Blut Christi erlöst, das zum Heil aller am Kreuz vergossen wurde.

Die besonderen Umstände, sowohl objektiver wie subjektiver Art, unter denen die Tat des Erzbischofs Lefebvre vollzogen wurde, geben allen Gelegenheit, zu gründlichem Nachdenken darüber, und Anlass, ihre eigene Treue gegenüber Christus und seiner Kirche zu erneuern.

3. Die Tat als solche war Ungehorsam gegenüber dem Römischen Papst in einer sehr ernsten und für die Einheit der Kirche höchst bedeutsamen Sache, wie es die Weihe von Bischöfen ist, mit der die apostolische Suksession sakramental weitergegeben wird. Darum stellt dieser Ungehorsam, der eine wirkliche Ablehnung des Römischen Primats in sich schliesst, einen schismatischen Akt(3) dar. Da sie diesen Akt trotz des offiziellen Monitums vollzogen, das ihnen durch den Kardinalpräfekten der Kongregation für die Bischöfe am vergangenen 17. Juni übermittelt wurde, sind Msgr. Lefebvre und die Priester Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta der schweren Strafe der Exkommunikation verfallen, wie die kirchliche Disziplin vorsieht(4).

4. Die Wurzel dieses schismatischen Aktes ist in einem unvollständigen und widersprüchlichen Begriff der Tradition zu suchen: unvollständig, da er den lebendigen Charakter der Tradition nicht genug berücksichtigt, die, wie das Zweite Vatikanische Konzil sehr klar lehrt, »von den Aposteln überliefert, … unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt kennt: es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen, durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, wie auch durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben«(5).

Vor allem aber ist ein Traditionsbegriff unzutreffend und widersprüchlich, der sich dem universalen Lehramt der Kirche widersetzt, das dem Bischof von Rom und dem Kollegium der Bischöfe zukommt. Denn niemand kann der Tradition treu bleiben, der die Bande zerschneidet, die ihn an jenen binden, dem Christus selbst in der Person des Apostels Petrus den Dienst an der Einheit in seiner Kirche anvertraute(6).

5. Das Geschehene vor Augen, fühlen wir uns verpflichtet, alle Gläubigen auf einige Gesichtspunkte aufmerksam zu machen, die durch dieses traurige Geschehen besonders deutlich werden.

a) Der Ausgang, den die Bewegung Erzbischof Lefebvres nunmehr genommen hat, kann und muss für alle katholischen Gläubigen ein Anlass zu einer gründlichen Besinnung über die eigene Treue zur Tradition der Kirche sein, wie sie, durch das ordentliche und des ausserordentliche kirchliche Lehramt, authentisch dargelegt wird, besonders durch die Konsilien, angefangen vom Konzil von Nizäa bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Diese Besinnung muss alle erneut und wirksam von der Notwendigkeit überzeugen, dass die Treue noch vertieft und gefestigt werden muss und irrige Interpretationen sowie willkürliche und ungerechtfertigte Erweiterungen in Dingen der Glaubenslehre, der Liturgie und der Disziplin vollständig zurückzuweisen sind.

Besonders die Bischöfe haben aufgrund ihres Hirtenamtes die schwere Pflicht, mit klarem Blick, mit Liebe und Unerschrockenheit darüber zu wachen, dass diese Treue überall gewahrt wird(7).

Es ist aber auch erforderlich, dass alle Hirten und übrigen Gläubigen aufs neue sich bewusst werden, dass die Vielfalt der Charismen sowie der Traditionen der Spiritualität und des Apostolates nicht nur legitim sind, sondern für die Kirche einen Schatz darstellen; so wird die Einheit in der Vielfalt zur Schönheit, – zu jener Harmonie, die die irdische Kirche, vom Heiligen Geist angeregt, zum Himmel emporsteigen lässt.

b) Wir möchten ferner auch die Theologen und Fachgelehrten der anderen kirchlichen Wissenschaften darauf aufmerksam machen, dass auch sie von den augenblicklichen Umständen herausgefordert sind. Die Breite und Tiefe der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils machen nämlich neue und vertiefte Untersuchungen notwendig, in denen die Kontinuität des Konzils mit der Tradition klar hervorgehoben wird, vornehmlich in jenen Bereichen der Lehre, die, weil sie vielleicht neu sind, von einigen Teilgruppen der Kirche noch nicht recht verstanden wurden.

c) Vor allem möchten wir unter den vorliegenden Umständen einen zugleich feierlichen und tief empfundenen, väterlichen und brüderlichen Aufruf an all jene richten, die bisher in irgendeiner Weise mit der Bewegung des Erzbischofs Lefebvre in Verbindung standen: dass sie ihre ernste Pflicht erfüllen, mit dem Stellvertreter Christi in der Einheit der katholischen Kirche verbunden zu bleiben und in keiner Weise jene Bewegung weiter zu unterstützen. Alle müssen wissen, dass die formale Zustimmung zu einem Schisma eine schwere Beleidigung Gottes ist und die Exkommunikation mit sich bringt, wie im Kirchenrecht festgesetzt ist(8).

All jenen katholischen Gläubigen, die sich an einige frühere Formen der Liturgie und Disziplin der lateinischen Tradition gebunden fühlen, möchte ich auch meinen Willen kundtun – und wir bitten, dass sich der Wille der Bischöfe und all jener, die in der Kirche das Hirtenamt ausüben, dem meinen anschliessen möge -, ihnen die kirchliche Gemeinschaft leicht zu machen, durch Massnahmen, die notwendig sind, um die Berücksichtigung ihrer Wünsche sicherzustellen.

6. Im Hinblick auf die Bedeutung und Komplexität der in diesem Dokument angesprochenen Fragen bestimmen wir Folgendes:

a) Es wird eine Kommission eingesetzt, die die Aufgabe hat, mit den Bischöfen, den Dikasterien der Römischen Kurie und den betreffenden Gruppen zusammenzuarbeiten, um die volle kirchliche Gemeinschaft der Priester, Seminaristen, Ordensgemeinschaften oder einzelnen Ordensleuten zu ermöglichen, die bisher auf verschiedene Weise mit der von Erzbishof Lefebvre gegründeten Bruderschaft verbunden waren und die mit dem Nachfolger Petri in der katholischen Kirche verbunden bleiben wollen; dies geschehe unter Wahrung ihrer geistlichen und liturgischen Traditionen, gemäss dem Protokoll, das am vergangenen 5. Mai von Kardinal Ratzinger und Erzbischof Lefebvre unterzeichnet wurde.

b) Diese Kommission besteht aus einem Kardinalpräsidenten und anderen Mitgliedern der Römischen Kurie, in einer Anzahl, die je nach den Umständen für sachlich und angemessen gehalten wird.

c) Ferner muss überall das Empfinden derer geachtet werden, die sich der Tradition der lateinischen Liturgie verbunden fühlen, indem die schon vor längerer Zeit vom Apostolischen Stuhl herausgegebenen Richtlinien zum Gebrauch des Römischen Messbuchs in der Editio typica vom Jahr 1962, weit und grosszügig angewandt werden(9).

7. Während sich das in besonderer Weise der allerseligsten Jungfrau Maria geweihte Jahr schon seinem Ende zuneigt, möchte ich alle auffordern, sich mit dem unaufhörlichen Gebet anzuschliessen, das der Stellvertreter Christi durch die Fürsprache der Mutter der Kirche mit den Worten des Sohnes an den Vater richtet: Dass alle eins seien!

Gegeben in Rom, bei St. Peter, am 2. Juli 1988 im zehnten Jahr unseres Pontifikats.

Joannes Paulus PP. II

(1)Vgl. Bekenntmachung des Hl. Stuhls vom 16.1. 1988, O.R. dt. 24.6.1988,3.

(2)Vgl. 1 Vatik. Konzil, Konstitution Pastor æternus, Kap. 3, DS 3060.

(3)Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 751.

(4)Vgl. ebd., can. 1382.

(5)2. Vatik. Konzil, Konstitution Dei Verbum Nr. 8, vgl. 1. Vatik. Konzil, Konstitution Dei Filius, Kap. 3, DS 3020.

(6)Vgl. Mt 16,18; Lk 10,16; 1. Vatik. Konsil, Konstitution Pastor æternus, Kap. 3, DS 3060.

(7)Vgl. Codex Iuris Canonici, can 386; Paul VI., Apostol. Schreiben Quinque iam anni, 8. 12. 1970, AAS 63 (1971), 97-106.

(8)Vgl. Codex Iuris Canonici, can 1364.

(9)Vgl. Kongregation für den Gottesdienst, Schreiben Quattuor abhinc annos. 3 Oct. 1981: AAS 76 (1984) 1088-1089.

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