„Menschen brauchen Heimat für den Glauben”

Interview mit Karin Maria Fenbert über den Missionsgedanken von Kirche in Not

Medikamentenausgabe in AleppoQuelle

Kirche in Not wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Von Anfang an war eine Mission des Hilfswerks, dort zu helfen, damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann.

Im Interview spricht die Geschäftsführerin von Kirche in Not Deutschland, Karin Maria Fenbert, über den Missionsgedanken des Hilfswerks und blickt auf die Geschichte von Kirche in Not zurück. Die Fragen stellte Carl-Heinz Pierk.

Als katholisches Hilfswerk unterstützt Kirche in Not verfolgte und notleidende Christen weltweit. Wie interpretieren Sie in diesem Zusammenhang den Missionsgedanken?

Karin Maria Fenbert: Kirche in Notwird in diesem Jahr 70. Unsere „Mission“ war und ist: mithelfen, damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann. Priester- und Ordensberufungen zu fördern, ist dabei unentbehrlich.

Jeder zehnte Priesteramtskandidat weltweit wird von Kirche in Not unterstützt. In Ländern, in denen die Priester keinen oder nur wenig Lohn erhalten, sichern wir mit Mess-Stipendien ihr Überleben.

Wir fördern den Bau und die Renovierung von Kirchen, weil die Menschen eine Heimat brauchen für ihren Glauben. Damit die kirchliche Verkündigung die Herzen der Menschen erreicht, fördern wir den Druck und die Verbreitung religiöser Literatur, aber auch christliche Fernseh- und Radioprogramme. Übrigens auch im „christlichen Europa“, das in weiten Teilen längst Missionsgebiet ist.

„Kirchliche Verkündigung soll Herzen erreichen”

Bekanntlich gehören zum missionarischen Auftrag der Kirche nicht nur Liturgie und Verkündigung, sondern auch tätige Nächstenliebe.

Ich war im Januar 2017 im syrischen Aleppo. Ich habe dort Bischöfe, Priester und Ordensleute getroffen, die Enormes leisten: Suppenküchen betreiben, Kleiderkammern und Medikamentenausgaben organisieren, Kranke pflegen, Kinder und Traumatisierte betreuen. Das ist „Kirche an den Rändern“, wie sie Papst Franziskus anmahnt!

Wichtige Aufgabe bleibt die Evangelisierung. Zählt dazu allein der Druck und Versand von Bibeln, Kinderbibeln, Gebetsbüchern, Religionsbüchern und Katechismen?

Ich würde die Bedeutung des Schriftenapostolats nicht unterschätzen! Nehmen Sie zum Beispiel die Kinderbibel von Kirche in Not. Sie wurde mittlerweile in 180 Sprachen übersetzt; über 51 Millionen Exemplare wurden verteilt. Wie viele Kinder haben so ein lebendiges Bild von Jesus und seiner Botschaft vermittelt bekommen!

Nahrung für Körper und Seele

Ein anderes Beispiel: Flüchtlingsseelsorger und Ehrenamtliche kommen auf uns zu: „Wir haben ein paar christliche Flüchtlinge in unserer Gemeinde, die fragen nach Bibeln und Gebetbüchern. Habt ihr nicht was?“ Darum stellen wir jetzt auch Schriften auf Arabisch oder Farsi (Persisch) zur Verfügung. Die Flüchtlinge brauchen nicht nur Nahrung für den Körper, sondern auch für die Seele!

Aber Evangelisation im 21. Jahrhundert ist noch viel mehr: Darum haben wir uns im deutschen Zweig von Kirche in Not für eine intensive Medienarbeit entschieden. Wir produzieren Radio- und Fernsehsendungen mit echt christlichen Inhalten. Unsere Facebook-Seite hat über 32 000 Freunde und bietet neben Nachrichten aus der Weltkirche auch jeden Tag einen geistlichen Impuls.

Evangelisierung und Hilfe für die verfolgten und bedrängten Christen sind die beiden Lungenflügel, mit denen unser Werk atmet. Das ist nicht voneinander zu trennen.

Während islamische Mission in christlich geprägten Ländern meist völlig legal ist, steht christliche Mission in weiten Teilen der islamischen Welt unter Strafe. Ist die Arbeit von Kirche in Not dennoch möglich?

Die Verfolgung von Christen weltweit nimmt besorgniserregend zu. Die Verfolgung in vielen Ländern geht aber vielfach nicht von staatlicher Seite, sondern von fundamentalistischen religiösen Gruppen aus. Das heisst für uns: Trotz islamistischen Terrors des IS im Nahen Osten oder von „Boko Haram“ in Nigeria ist eine effiziente Hilfe möglich, wenn auch oft unter erschwerten Bedingungen.

Aber nicht nur vom religiösen Extremismus geht Gefahr aus für Leib und Leben der Christen: Denken Sie etwa an China. Dort gab es zwar erfreuliche Annäherungen auf offizieller Ebene. Aber bei den Christen im Land zieht die kommunistische Führung die Daumenschrauben weiter an. In allen diesen Ländern helfen wir so direkt wie möglich und so diskret wie nötig.

Wie unterstützt Kirche in Not seine Partner bei der pastoralen Erneuerung der ehemals kommunistischen Länder Osteuropas?

Die Hilfe für die Christen in Osteuropa gehört zum „Erbgut“ von Kirche in Not. Ursprünglich hieß unser Werk ja auch „Ostpriesterhilfe“.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs waren wir die Ersten, die auch die orthodoxen Christen in ihre Förderung mit einbezogen haben. Das geschah im besonderen Auftrag des heiligen Papstes Johannes Paul II.

Heute unterstützen wir in vielen osteuropäischen Ländern Priesterseminare, Klöster, christliche Medien und Hilfseinrichtungen.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Hilfe für die Menschen in der Ukraine, für die auch Papst Franziskus schon mehrfach zu Spenden aufgerufen hat. Das Land ist kaum mehr in den Nachrichten, aber die Menschen leiden weiterhin.

Nach der jahrzehntelangen Hilfe für die russisch-orthodoxe Kirche gehen wir jetzt den nächsten Schritt, nämlich der Hilfe zusammen mit der russisch-orthodoxen Kirche.

Es gibt zum Beispiel erste gemeinsame Projekte für die Christen im Nahen Osten und den Wiederaufbau vor Ort. Das ist eine erste Frucht aus der Begegnung von Papst Franziskus und Patriarch Kirill vor gut einem Jahr auf Kuba.

Das Leben von Pater Werenfried van Straaten zeigt, dass christlicher Glaube auch heute noch Berge versetzen und den Teufelskreis von Hass durchbrechen kann. Kann Kirche in Not mehr als Zeichen der Hoffnung setzen?

Papst em. Benedikt XVI. schrieb einmal: „Wer Hoffnung hat, lebt anders.“ Wie wahr das ist, dafür steht auch unser Gründer Pater Werenfried. Er hätte seine Werke für die deutschen Heimatvertriebenen, später für die verfolgten Christen hinter dem Eisernen Vorhang und auf der ganzen Welt nicht machen können, ohne Hoffnung auf die verändernde Kraft der Liebe.

Man muss sich das mal vorstellen: Er hat 1947 bei seinen belgischen und niederländischen Landsleuten um Speck und Brot gebettelt für die Deutschen, die Feinde von einst.

Und er hatte Erfolg! Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Die Menschen sind viel besser, als wir denken.“ Ohne diese Überzeugung, könnte Kirche in Not, könnte die Kirche insgesamt ihre Mission nicht fortsetzen!

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