Im engeren Bereich des heiligen Petrus

Das neue Lehramt Benedikts XVI. und seine letzte ‘Enzyklika’ für die Kirche

‘Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn’. Was ein ’emeritierter Papst’ ist. Von Armin Schwibach

Rom, kath.net/as, 28. Februar 2013

Grosse Emotionen kennzeichneten die letzte Generalaudienz am gestrigen Mittwoch auf dem Petersplatz: ein ‘plötzliches’, wie aus dem Himmel gefallenes Grossereignis. Die Römer waren immer in der Lage, so was auszuhalten und in der Form der Nichtorganisation zu organisieren. Die Menschen aus aller Welt wollten sich von ihrem Papst verabschieden. Besonders natürlich die Italiener und dabei die Römer, die ‘ihren’ Heiligen Vater besonders ins Herz geschlossen haben, so sehr, dass Benedikt XVI. am Ende für Italien der meist geliebte Deutsche war. Ironie des Schicksals: Italien verabschiedet sich mit Tränen in den Augen, die aus freudig bewegten Gesichtern strahlen, vom ‘Herrn Professor Papst’, während es einem anderen Deutschen und Politiker gelingt, das Land und seine Bürger – welcher politischen Herkunft auch immer – mit unbedachten Aussagen jenseits jeglichen diplomatischen Protokolls zu brüskieren.

Die sehr und auch ungewohnt persönliche letzte Ansprache Benedikts XVI. vor hunderttausenden Pilgern auf dem Petersplatz könnte wie so vieles aus dem Lehramt des grossen Papstes und Lehrers der Kirche unter dem Titel ‘Herz und Vernunft’ zusammengefasst werden. Als antworte er auf die unbedachten Worte eines Kardinals und auch auf die Vorwürfe vieler anderer ob seines singulären und in der Geschichte einzigartigen Entschlusses, den Stuhl des Petrus zu verlassen, erklärte Benedikt XVI. mit fester Stimme: ‘Ich verlasse das Kreuz nicht, sondern bleibe auf neue Weise dem gekreuzigten Jesus Christus nahe’. Nein, im Gegenteil: Benedikt XVI. tritt ein neues Lehramt an.

‘In diesen letzten Monaten habe ich gespürt’, so der Papst, ‘dass meine Kräfte nachgelassen haben, und ich habe Gott im Gebet angefleht, mich mit seinem Licht zu erleuchten, um mir zu helfen, die Entscheidung zu fällen, welche nicht für mein eigenes Wohl, sondern für das Wohl der Kirche die richtigste ist. Ich habe diesen Schritt im vollen Bewusstsein seines schwerwiegenden Ernstes und seiner Neuheit, aber mit einer tiefen Seelenruhe getan. Die Kirche zu lieben bedeutet auch, den Mut zu haben, schwierige, durchlittene Entscheidungen zu treffen und dabei immer das Wohl der Kirche und nicht sich selbst im Auge zu haben’.

Ein Papst kennt keine Privacy mehr: ‘Er gehoert immer und ganz allen, der ganzen Kirche. Sein Leben wird sozusagen ganz entprivatisiert’. So wird für Benedikt XVI. besonders in diesen Stunden klar, dass jemand das Leben gerade dann empfängt, wenn er es verschenkt. So gehört der Papst ‘nicht mehr sich selbst, er gehört zu allen und alle gehören zu ihm’.

‘Einmal Papst – immer Papst’: natürlich nicht im rechtlichen Sinn. Für Benedikt XVI. bedeutet dies, dass es kein Zurück ins Private mehr gibt. So wird auch sein Leben in der Abgeschiedenheit eines ehemaligen Klausurklosters im Vatikan kein ‘Rückzug’ sein, sondern ein verborgenes Leben, in dem ‘vita activa’ und ‘vita contemplativa’ zusammenfallen – in einem einzigen Akt der Liebe.

So ist nun klar, was das absolute Novum eines ’emeritierten Papstes’ bedeutet: ‘Ich kehre nicht zum Privatleben zurück, in ein Leben mit Reisen, Begegnungen, Empfängen, Vorträgen usw. … Ich trage nicht mehr die amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibe ich sozusagen im engeren Bereich des heiligen Petrus. Der heilige Benedikt, dessen Name ich als Papst trage, wird mir da ein grosses Vorbild sein: Er hat uns den Weg für ein Leben gezeigt, das aktiv oder passiv ganz dem Werk Gottes gehört’.

‘Dein Wille geschehe’: die Kirche gehört nicht den Menschen, sie gehört Christus. Sie ist seine Kirche. ‘Wir sind Kirche’, wie Benedikt am 14. Februar vor dem römischen Klerus erklärte: ‘Wir sind die Kirche, die Kirche ist keine Struktur; wir Christen selbst sind alle gemeinsam der lebendige Leib der Kirche, und natürlich gilt das in dem Sinn, dass wir, das wahre ‘Wir’ der Gläubigen, gemeinsam mit dem ‘Ich’ Christi die Kirche bilden; jeder von uns, nicht ein ‘Wir’, eine Gruppe, die sich zur Kirche erklärt. Nein: dieses ‘Wir sind Kirche’ erfordert gerade, dass ich mich einfüge in das grosse ‘Wir’ der Gläubigen aller Zeiten und aller Orte’.

Ja, freuen wir uns über das Geschenk des Glaubens, ruft Benedikt XVI. den Menschen zu: ‘Es ist das kostbarste Gut, das niemand uns nehmen kann! Danken wir dem Herrn jeden Tag dafür, mit dem Gebet und mit einem kohaerenten christlichen Leben. Gott liebt uns, aber er erwartet, dass auch wir ihn lieben!’.

Heute, am 28. Februar um 20:00 Uhr beginnt der neue Dienst Benedikts XVI. für die Kirche. Gerade mit seinen letzten Worten hat er sie in einen neuen Raum der Freiheit versetzt. Die Kirche trauert, denn der Papst wird nicht mehr da sein. Die Kirche trauert in einer Leere, die sich vor ihr auftut. Aber es ist kein Abgrund. Es lässt in die Tiefe der Liebe Gottes blicken.

Letzte Generalaudienz

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