Die Spätzeit des Christentums hat begonnen
Journalist Markus Günther über den Zustand der Kirche: “sieht stabil aus, steht aber kurz vor dem Kollaps”
Quelle
Idea
Würzburger Synode
Königsteiner Erklärung
Kölner Erklärung
Frankfurt am Main, 29. Dezember 2014, kath.net/ idea
In Deutschland hat die Spätzeit des Christentums begonnen. Diese These vertritt der Journalist Markus Günther in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. In vielem gleiche die Kirche in Deutschland heute der späten DDR – “sieht stabil aus, steht aber kurz vor dem Kollaps”. Und wie in der späten DDR machten sich viele Pfarrer und Bischöfe etwas vor. Sie sähen blühende Landschaften, wo längst Wüste sei, schreibt Günther.
Bei der Selbsttäuschung hülfen die glänzenden Fassaden der Kirchen und die stabilen Strukturen. So gebe es in Deutschland 45.000 Kirchengebäude. In diesem Jahr nähmen die beiden grossen Kirchen so viele Steuern ein wie nie zuvor.
Die deutsche Kirchenmusik sei die beste der Welt und die Kirchen seien der zweitgrösste Arbeitgeber in Deutschland. Allerdings könne eine Kirche weder als Arbeitgeber noch als Stütze des Sozialsystems ernst genommen werden, sondern nur als Glaubensgemeinschaft, so der Autor.
Die gemeinsamen Glaubensinhalte aber hätten sich weitgehend in Luft aufgelöst. So glaube nur ein Drittel der Deutschen an die Auferstehung Jesu von den Toten, obwohl laut Statistik zwei Drittel Kirchemitglieder sind. Aber es sei noch viel schlimmer: Selbst unter den Gläubigen würden zentrale Inhalte der christlichen Botschaft massenhaft abgelehnt. So glaubten 60 Prozent nicht an ein ewiges Leben. Günther: “An Ufos glauben zwischen Flensburg und Oberammergau mehr Menschen als an das Jüngste Gericht.”
Was Kirchenmitgliedschaft mit Glauben zu tun hat
Wie wenig Kirchenmitgliedschaft heute noch mit Glauben zu tun habe, zeige eine Allensbach-Umfrage im Auftrag der katholischen Kirche. Sie fiel allerdings so verheerend aus, dass die Ergebnisse nie veröffentlicht wurden. Auf die Frage, warum sie katholisch seien, antworteten 68 Prozent: “Weil man dann wichtige Ereignisse im Leben kirchlich feiern kann, zum Beispiel Hochzeit, Taufe.” Der zweitwichtigste Grund lautete: “Es gehört für mich einfach dazu, das hat in unserer Familie Tradition.”
Nach Günthers Einschätzung hat die Kirche in der jetzigen Form keine Zukunft. Die Kirchensteuer werde entweder unter politischem Druck abgeschafft oder versiege 2013 (?) sowieso. Denn die letzte christlich sozialisierte und kirchlich aktive Generation scheide bald aus dem Arbeitsleben aus und sterbe in den nächsten drei Jahrzehnten: “Dann bricht auch die Fassade der Kirche zusammen. Dahinter wird eine Minderheit zum Vorschein kommen, die nicht viel grösser sein wird als die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas.”
Religion muss absolute Wahrheiten in Anspruch nehmen können
Einen Hauptgrund für die schwindende Bedeutung der Kirchen sieht Günther darin, dass sie zentrale Glaubensinhalte längst aufgegeben haben. “Politische Programme müssen zeitgemäss sein, Unterhaltungsangebote auch; eine Religion muss absolute Wahrheiten für sich in Anspruch nehmen können – oder es ist keine Religion.” Stattdessen sei in den Kirchen beim Versuch, niemanden zu verprellen und den Zugang zum Glauben möglichst leicht zu machen, vieles weichgespült worden: “Aus Jesus als ‘Sohn Gottes’ wurde Jesus, ein vorbildlicher Mensch wie Buddha und Gandhi auch.
Aus der Auferstehung Christi wurde eine Legende, die man nicht wörtlich nehmen soll, sondern mehr so im Sinne von ‘Wer im Herzen seiner Lieben lebt, ist nicht tot’.” Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Verkündigung bestehe vielfach nur noch aus einer Wohlfühlprosa – “Frieden in der Welt, mehr Gerechtigkeit für alle”. Ein Appell der Unesco oder von Greenpeace klinge auch nicht viel anders, so Günther: “Gott braucht’s dafür nicht.”
Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. 1958:
“Dieses dem Namen nach christliche Europa ist seit rund vierhundert Jahren zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums geworden, das im Herzen der Kirche selbst unaufhaltsam wächst und sie von innen her auszuhöhlen droht. Das Erscheinungsbild der Kirche der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, dass sie auf eine ganz neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird: nicht wie einst, Kirche aus den Heiden, die zu Christen geworden sind, sondern Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen, aber in Wahrheit zu Heiden wurden. Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst, und gerade das ist das Kennzeichnende sowohl der Kirche unserer Tage wie auch des neuen Heidentums, dass es sich um ein Heidentum in der Kirche handelt und um eine Kirche, in deren Herzen das Heidentum lebt.”
Der vollständige Text kann bei kath.net unter http://kath.net/news/36968 nachgelesen werden.
Diese Voraussage gilt m.E. auch für die Deutschschweiz.
Man muss sich die Aussagen und Forderungen der letzten 5-10 Jahre von gewissen „katholischen“ Staatskirchen, des Schweizerischen „katholischen“ Frauenbundes, von einigen „katholischen“ Theologie-Professoren, sowie von denjenigen Priestern und Laientheolog(inn)en in Erinnerung rufen, welche die Pfarrei-Initiative unterschrieben haben.
In den letzten Jahren wurde, so wie ich das sehe, der katholische Glauben in der Schweiz zu wenig verkündet und gelehrt. Es wurde zu viel Energie darauf verwendet, am Kirchengebäude herumzubasteln, an Papst Benedikt XVI herumzunörgeln, und eine zunehmend protestantisierte katholische Glaubens-Lehre und -Praxis zu entwickeln. Wird es den Bischöfen, den Priestern und Diakonen, den Gläubigen gelingen, das Rad herumzudrehen, und eine gut abgegrenzte katholische Glaubens-Lehre in die Zukunft zu retten? Der katholische Katechismus wäre eine gute Grundlage dazu. Von Gender- und Frauen-Theologie-Fachleuten verfasste Meinungsumfragen mit Empfehlungen werden kaum weiter helfen. Solche Umfragen können lediglich den weiteren Zerfall der katholischen Kirche in der Schweiz protokollieren.