Neue Erkenntnisse – Selig, die Rosenkranz beten können

Seelenfrieden, Empathiegewinn und innere Stabilität: Wissenschaftler belegen die positive Wirkung eines unterschätzten Gebets auf die psychische Gesundheit

Quelle
“Ein sicheres Seil, mit dem man sich durchs Leben hangelt” | Die Tagespost
Rosenkranz – Gebete – Vatican News
Hl. Rosenkranz (1441)

30.05.2025

Regina Einig

Die Ängste der Deutschen wachsen: Steigende Lebenshaltungskosten, die Überforderung des Staates durch die Einwanderung und die Folgen der Pandemie sowie soziale und politische Spannungen fordern die Menschen jenseits der normalen Lebensbelastungen wie Krankheit und Tod heraus. Parallel zu den Ängsten der Deutschen boomt der Markt der Lebensberatung: Meditation und Esoterik sind en vogue, um die Seelenfitness zu steigern. Dabei darf es gern auch mal eine Prise Religion sein, etwa in Form des säkularen Engelkultes. Allerdings finden fernöstliche und esoterische Meditationsübungen im Fokus der Wissenschaft deutlich mehr Beachtung als traditionelle christliche Gebetsübungen. Wie begründet ist das Forschungsinteresse an Yoga, Reiki und Zen? Haben Liturgie, Rosenkranz und Herzensgebet tatsächlich weniger zu bieten?

Der Berliner Allgemeinmediziner Michael Teut stellt im Gespräch mit dieser Zeitung fest, dass die christliche Gebetspraxis von Wissenschaftlern in Bezug auf ihre Wirksamkeit auf die Gesundheit als viel weniger relevant verstanden werde als buddhistisch inspirierte Meditationspraxen und Yoga. Eine mögliche Ursache sieht er darin, dass die untersuchten asiatischen Meditationspraxen häufig an den Westen angepasst und als Methoden vom religiösen Hintergrund befreit werden.

Rosenkranzbeten ist ein Türöffner zur Gotteserfahrung

Abendländische Gebetsübungen sind demgegenüber der wissenschaftlich noch weitgehend unerschlossene Schatz im Acker. Der Zusammenhang von Religion, Spiritualität, Wohlbefinden und Rosenkranzgebet war Teut mehr als eine Untersuchung wert. Mit einem Team der Berliner Charité hat er mehrere Jahre über die Auswirkungen des Rosenkranzes auf die Gesundheit geforscht; die Pilotstudie wurde 2021 veröffentlicht, die zweite Untersuchung Ende 2024.

Sind die positiven Effekte des Rosenkranzgebets der aktuellen Studie zufolge identisch mit denen anderer Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training? Auch wenn der Puls beim Rosenkranzbeter ruhiger wird, zeigt die Erfahrung der befragten Beter, die in Deutschland leben und unterschiedlich häufig zum Rosenkranz greifen, dass diese traditionelle Form der Marienverehrung nicht einfach gegen andere Entspannungstechniken austauschbar ist. Wer sich, wie zahlreiche Befragte bekennen, an der Hand der Mutter Jesu weiß, erlebt eine vertrauensvolle Beziehung zu einer transzendentalen Person – im Fragebogen ist hier von einem “höheren Wesen/Gott” die Rede.

Anders ausgedrückt: Rosenkranzbeten ist ein Türöffner zur Gotteserfahrung und vermittelt die Erfahrung, dass Maria den Menschen den Weg zu Gott zeigt. Der Studie zufolge beschreiben 60 Prozent der Teilnehmer “transpersonales Vertrauen” als Erfahrung des Rosenkranzgebets. Gemeint ist, so Teut, “die individuelle Kontrolle loslassen können und auf Gott zu vertrauen, egal was kommt. Das finde ich sehr besonders. Da waren sehr beeindruckende Interviews dabei, wie Rosenkranz-Betende mit schweren Krankheiten umgegangen sind und diese zu akzeptieren und anzunehmen gelernt haben, indem sie auf Gott vertraut haben. Als Arzt habe ich das so selten in Gesprächen in der Sprechstunde gehört. Das unterscheidet sich meiner Ansicht nach schon von der Achtsamkeit, wie sie zum Beispiel in der buddhistischen Vipassana-Meditation praktiziert wird.”

Mütter als Schlüsselfiguren

Allerdings ist Beten in der säkularisierten deutschen Gesellschaft weniger selbstverständlich als in anderen europäischen Ländern, erst recht im öffentlichen Raum. Gelernt wird der Rosenkranz meistens in der Familie oder in der Community. Mit Nachdruck hebt die Studie die Bedeutung der Mütter und Großmütter als Multiplikatorinnen hervor, aber auch Pfarreien und Wallfahrten spielen als Lernorte eine wichtige Rolle. Auf dem individuellen Weg zu Gott übernimmt Maria für den Beter die Rolle einer Multitaskerin: Wegweiserin, Mutter, Mittlerin und Fürsprecherin bei Gott.

Innerer Frieden und seelische Stabilität gehören zu den Früchten des Rosenkranzes, die nicht nur die besonders Frommen ernten. Nur knapp 30 Prozent der Befragten schätzen sich selbst als tiefreligiös ein, 39 Prozent halten sich für ziemlich religiös und knapp 12 Prozent für halbwegs religiös. Doch bestätigt das Umfrageergebnis, dass die Mehrheit der Rosenkranzbeter vertrauensvoll weiterbetet, auch wenn sich keine Lösung ihrer Probleme abzeichnet. Offenbar geht der Beter grundsätzlich gestärkt aus dem Rosenkranzgebet hervor und gewinnt seelisches Wohlbefinden.

Zur selben Erkenntnis ist eine internationale Forschergruppe unter Leitung des spanischen Franziskaners Lluís Oviedo von der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität Antonianum in Rom gekommen. Das Team hat die Relevanz des Rosenkranzes für die seelische Gesundheit in traditionell katholischen Ländern – Italien, Polen und Spanien – untersucht und kommt in der im Februar dieses Jahres publizierten Studie zu dem Schluss, dass Rosenkranzbeten für viele Teilnehmer “mehr als Akt traditioneller Frömmigkeit ist. Es ist vielmehr ein wahres Schutzschild, das ihnen hilft, mit spirituellen Gefahren zurechtzukommen” und Lebenskrisen zu bewältigen. Diese Überzeugung beruhe nicht nur auf dem tiefen Glauben in die Macht des Gebets und auf persönlichen Erfahrungen.

“Rosenkranzbeten hat mir das Leben gerettet”

Pars pro toto zitiert die Studie eine Teilnehmerin: “Rosenkranzbeten hat mir das Leben gerettet. Nach dem Tod meines Mannes wusste ich nicht, wie ich mit dem Schmerz und der Leere umgehen sollte. Jeden Tag griff ich zum Rosenkranz und bekam die Kraft, diese schwere Zeit durchzustehen. Ich weiß nicht, wie ich ohne den Rosenkranz klargekommen wäre.” Pater Oviedos Studie belegt auch einen entscheidenden Pluspunkt des Rosenkranzgebets gegenüber alternativen Entspannungstechniken: Er ist keine rein individuelle Übung, sondern schließt geliebte Personen ein. Während etwa bei Reiki die eigene Person im Mittelpunkt steht, spannt der Rosenkranzbeter den spirituellen Schutzschirm auch über geliebte Personen aus und überlässt seine Sorge um sie der Mutter Jesu. Den Befragten zufolge erhöht das Gebet des Rosenkranzes das eigene Wohlbefinden sowie die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu meistern, innerlich zur Ruhe zu kommen, Empathie für andere aufzubringen und auch religiös mit sich ins Reine zu kommen.

Mit Nachdruck weist die Studie das Vorurteil zurück, der Rosenkranz sei lediglich ein Trostpflaster für bildungsferne Schichten. Weder Alter noch Geschlecht oder Bildung spielen für die Wirksamkeit dieses Gebets eine Rolle: “Der Rosenkranz ist ein Gebet, das Menschen über solche Grenzen hinweg verbindet”. Zugleich wird auf Untersuchungen verwiesen, denen zufolge alternative östliche Meditationstechniken eher überschätzt werden – auch in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Pater Oviedo hat aus dieser Erkenntnis Konsequenzen gezogen und erforscht das Feld traditioneller Formen katholischer Frömmigkeit weiter: Seine Studie über die Wirkung der eucharistischen Anbetung soll in diesem Jahr erscheinen.

Beide Studien sind im “Journal of Religion & Health“ (Springer) publiziert worden:

Is the Rosary still relevant? Exploring its Impact on Mental Health and Well-Being: A Multinational Study (online veröffentlicht am 7. Februar 2025)

Religion, Spirituality, Well-Being and Praying the Rosary: Results of a Cross-Sectional Study from Germany (2025, Vol. 64, Seiten 1195-1221)

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