Demokratischer als der Rest
Papst Franziskus besucht auch Osttimor, das vor 25 Jahren für seine Unabhängigkeit stimmte. Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen des Landes
Quelle
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Vor Besuch von Papst Franziskus: Kardinal beklagt Korruption in Indonesien (catholicnewsagency.com)
30.08.2024
Michaela Koller
Am 30. August liegt der schicksalhafte Tag des Referendums über die Unabhängigkeit Osttimors ein Vierteljahrhundert zurück, an dem 78,5 Prozent der Bevölkerung dieses südostasiatischen Inselstaates für die Loslösung von Indonesien votierten. Auch wenn die mächtige Besatzungsmacht dies blutig zu verhindern versuchte, führte schließlich kein Weg zurück. Armee und Zivilverwaltung der Indonesier verfolgten nach dem Votum nur noch eine “Politik der verbrannten Erde”. Sie unterstützten dazu Milizen, die beinah 2 000 Menschen ermordeten und mehr als drei Viertel der gesamten Infrastruktur zerstörten; weit mehr als 200 000 Einwohner wurden vertrieben. Nach 450-jähriger portugiesischer Kolonialzeit und 24 Jahren Besatzungszeit durch den großen Nachbarn sowie nach einer Übergangszeit unter UN-Kontrolle wurde Osttimor am 20. Mai 2002 unabhängig.
Wenn in diesen Tagen die Vorbereitungen auf den Gedenktag gründlicher erfolgen als vor Jahren, so liegt dies an dem hohen Besuch, der am 8. und 9. September erwartet wird: Auf seiner Fernostreise macht Papst Franziskus in dem Land Station. Der Anteil der Katholiken stieg dort in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bemerkenswert an, von 30 Prozent 1975 auf mehr als 90 Prozent im Jahr 1999. Ältere Osttimoresen erinnern sich an den 12. Oktober 1989, als das letzte Mal ein katholisches Kirchen-Oberhaupt zu Besuch kam, damals Papst Johannes Paul II.: Aktivisten stürmten bei einem öffentlichen Auftritt des hohen Besuchs das Podium und entrollten ein Protestplakat gegen die indonesische Besatzung.
Spitzenplatz im “Demokratie-Index”
Ein ganzer Prozess der Nationswerdung liegt zwischen diesen beiden Papstbesuchen: Inzwischen gilt Timor Leste, so der amtliche Name der Republik, laut Demokratie-Index der Economist- Forschungs- und Analyseabteilung als das demokratischste Land in Südostasien. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2023 gewann die Partei “Nationaler Kongress für den Wiederaufbau Osttimors“ (CNRT) 42 Prozent der Stimmen, während die zuvor regierende “Revolutionsfront” für ein unabhängiges Osttimor (FRETILIN) nur auf 26 Prozent kam. Die Parteivorsitzende des CNRT, Widerstandsführer Xanana Gusmão, vormals Präsident und früher Freiheitskämpfer, wurde Premierminister.
Dabei waren die Anfänge zunächst holprig: Viele unter denen, die zuvor für die Freiheit im Kampf ihr Leben riskierten, brachten für oftmals zähe demokratische Prozesse nicht ausreichend Geduld auf: Im April 2006 brachen unter ehemaligen Freiheitskämpfern in der Armee Unruhen aus. Ein Jahr darauf setzten Anhänger der FRETILIN nach den Parlamentswahlen Regierungsgebäude in Brand und bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen, weil die Koalitionsgespräche ihrer Parteispitzen gescheitert und Herausforderer Xanana Gusmão vom CNRT mit der Regierungsbildung gemäß Verfassung beauftragt worden war. Anfang 2008 kam es dann zur gefährlichen Rebellion eines desertierten Majors.
Unvollendete Vergangenheitsbewältigung
In der Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit ist Dili auf Konsens mit Indonesien bedacht: Die “Kommission für Empfang, Wahrheit und Versöhnung” (CAVR) wurde dazu gegründet – ohne Möglichkeit zur Strafverfolgung. Die UN-Verwaltung hingegen errichtete eine eigene Einheit bei der Generalstaatsanwaltschaft zur Ahndung besonders schwerer Menschenrechtsverletzungen, nachdem der UN-Sicherheitsrat am 18. Februar 2000 zu dem Schluss kam, dass die dafür Verantwortlichen “so schnell wie möglich” vor Gericht gestellt werden müssten. Hochrangige Vertreter der katholischen Kirche forderten sogar ein internationales Tribunal und kritisierten die vielfache Straflosigkeit als Stolperstein auf dem Weg zu Gerechtigkeit und letztlich Versöhnung.
“Streitigkeiten zwischen den Führern aus dem Unabhängigkeitskampf dominieren das politische Geschehen”, kritisiert die Organisation “Freedom House” in einer Studie. Davon sprach auch Präsident José Ramos-Horta in seiner Rede am 14. Februar 2023 aus Anlass der Parlamentswahlen. “Wir müssen die erforderlichen Richtlinien erarbeiten, um die Nation mit einer gemeinsamen, integrativen und nachhaltigen Vision zu entwickeln und sie zusammenzuhalten”, forderte der Friedensnobelpreisträger von 1996. Der Eindruck sei aber verbreitet, dass Politiker in Osttimor zuvorderst bemüht sind, sich und die eigene Klientel mit Positionen zu versorgen, als langfristig dem Wohl des Volkes zu dienen.
Problem: Unterernährung
Bei der Sicherung der Lebensgrundlagen der Osttimoresen geht es denn auch eher schleppend vorwärts: Ein Indikator ist der Hunger-Index: Mehr als 22 Prozent der Bevölkerung sind weiterhin unterernährt, auch wenn der Anteil bereits sinkt. Fast 47 Prozent der Kinder unter fünf Jahren weisen eine Wachstumsverzögerung auf. In Timor Leste leben die meisten Familien – rund drei Viertel der Bevölkerung – auf dem Land und von dem, was sie selbst anbauen und ernten können. Mangel an sauberem Wasser, medizinischen Diensten und Schulen ist verbreitet.
In der nahen Zukunft geht es darum, Einnahmen strategisch zu nutzen, denn auch die Erdöl- und Erdgas-Vorkommen in der Timorsee sind zwar üppig, aber nicht unerschöpflich. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen über eine dauerhafte Meeresgrenzziehung kam es zu einem Übereinkommen mit Australien mit dem Ergebnis, dass Timor Leste mindestens 70 Prozent der Einnahmen aus dem Ölfeld “Greater Sunrise” im Wert von insgesamt rund 40 Milliarden US-Dollar zustehen. Das war schon im März 2018. Seither warten die Menschen in dem Land auf wesentliche politische Weichenstellungen.
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