Der Retter ist da – Anti Davos Gipfel *UPDATE
…und er heißt nicht Jordan Peterson! Mit der Gottesfrage steht und fällt ein jedes Projekt, welches mit dem umfassenden Anspruch auftritt, die Welt zu verbessern
Quelle
Jordan B. Peterson: Konservative aus aller Welt tagen in London
Amazon.de : Gordon B. Peterson
*Jordan Peterson: ‘Lieber den Arm abschneiden’ als die Regierung Biden unterstützen
21.01.2024
Die Gottesfrage hat in der Politik nichts zu suchen – so das in Europa weit verbreitete Verständnis von Laizität. Jenseits einer gesunden Trennung von Kirche und Staat geht die Tendenz vor allem in stark säkularisierten Ländern in Richtung einer Verbannung der christlichen Kultur aus der Öffentlichkeit. Gleichzeitig lädt sich die Gottesfrage durch die Hintertüre wieder in die Politik ein: Denn offensichtlich schlagen sich Gottesbilder – und deren Abwesenheit – sowie die daraus abgeleiteten Menschenbilder in konkreten Handlungen und abstrakten Denkgebäuden nieder, auch unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. Das wurde der westlichen Welt spätestens mit dem Aufkommen des islamistischen Terrors bewusst. Auch der Nihilismus leitet aus der vermeintlichen Abwesenheit Gottes ein Menschenbild ab, das sich seinerseits zum Beispiel in Hedonismus und Transhumanismus niederschlägt.
Eine Gallionsfigur namens Jordan Peterson
Nun ist eine politisch-kulturelle Bewegung entstanden, die ein christliches Gottes- und Menschenbild vertritt und sich damit nicht versteckt: Das weltweite Netzwerk mit dem Namen “Alliance for Responsible Citizenship”, kurz ARC. Bereits als “Anti-Davos-Gipfel” bezeichnet, haben sich hier Politiker, Wissenschaftler und Akteure der Zivilgesellschaft vieler Länder zusammengeschlossen, um auf der Grundlage der geistig-geistlichen Grundlagen der westlichen Zivilisation ein “besseres Narrativ” für die Zukunft der Menschheit zu entwickeln und in die Tat umzusetzen (siehe DT vom 9. November 2023). ARC ist – aus gutem Grund – kein religiöses Unterfangen, hat jedoch einen kaum zu überhörenden religiösen Unterton. Das beginnt schon beim Namen: Dass das englische “arc” sowohl an die Arche des Bundes als auch an Noahs Arche und den Regenbogen erinnert, mit dem Gott seinen Bund mit Noah schloss, ist kein Zufall. Viele der Akteure sind überzeugte Christen und wohl für alle gilt, dass sie das zunehmende Verschwinden eines christlichen Menschen- und Familienbildes aus Kultur, Gesellschaft und Politik als problematisch empfinden.
Christliche Referenzen, eine Vision auf Grundlage des christlichen Menschenbildes, ein Ort, an dem Christen hochwillkommen und explizit zur Mitgestaltung eingeladen sind – was wünscht man sich mehr? Und doch ist die Frage legitim, ob Christen sich damit zufriedengeben können, dass ihre “Story”, nämlich die Heilsgeschichte, auf diese Weise als Leitmotiv und nützliches Hilfskonstrukt zur Gestaltung einer menschenfreundlicheren Welt verwendet wird. Reicht es, dass die “better story” einfach besser ist als jene, die links-grüne oder hedonistisch-nihilistische Vordenker uns weismachen möchten? Oder muss sie auch wahr sein?
Das Christentum als willkommenes ideologisches Bollwerk gegen Islamismus, Wokismus und die autoritären Regime Russlands und Chinas, die die westliche Zivilisation von allen Seiten in die Zange nehmen: Ist diese Auffassung aus christlicher Perspektive für eine gelungene politische Zusammenarbeit ausreichend? Die Antwort lautet erst einmal: Ja, natürlich sind Christen berufen, gemeinsam mit Nicht-Christen die Welt zu gestalten, umso mehr dort, wo man sich über moralische und gesellschaftliche Normen und Werte weitgehend einig ist. Wäre dem nicht so, dann bliebe nur der Rückzug in das autarke katholische Dorf. Trotzdem ist immer Wachsamkeit in Bezug darauf angebracht, auf welche Weise das jüdisch-christliche Erbe in groß angelegten Programmen zur Weltverbesserung in Stellung gebracht wird.
Die Gallionsfigur von ARC ist der kanadische Psychologe Jordan Peterson, der sich damit vom Weisheitslehrer zum Weltgestalter mausert. Die Bibel dient dem weltbekannten Bestsellerautor als Erkenntnisquelle für die menschliche Psyche und ihre Archetypen – für einen Psychologen durchaus legitim. Unzähligen Menschen hat er bereits aus existenziellen Nöten geholfen und tut dies weiterhin. Seine Vorträge und Bücher sind von den Geschichten alttestamentlicher Protagonisten durchzogen. Mit seinen Analysen von Hedonismus, Progressivismus und Wokismus und der Propagierung einer stoischen Tugendlehre hat er unter gläubigen Menschen zahlreiche Anhänger und prominente Gesprächspartner aus dem christlichen Milieu, wie etwa den prominenten US-Bischof Robert Barron.
Die Welt zum Himmel ziehen
Gerade deswegen sollte Petersons rein mythisch-immanentes Verständnis der Bibel zum Nachdenken anregen – nämlich unter dem Gesichtspunkt, wie nahe der Jungianer an der christlichen Wahrheit zu sein scheint, und doch gleichzeitig Lichtjahre davon entfernt. Warum das relevant ist? Weil Jordan Peterson das Projekt ARC auf einer Logik der innerweltlichen Selbsterlösung aufbaut. Dass er bei der Beschreibung eines politischen Projekts Gott außen vor lässt, ist ihm im Sinne einer gesunden Trennung von Geistlichem und Weltlichem nicht vorzuwerfen. ARC soll schließlich auch anschlussfähig für Nicht-Gläubige und Nicht-Christen bleiben. Aber die quasi-religiöse Sprache, der explizite Wunsch, eine Gemeinschaft zu bilden und der Anspruch, alle Aspekte des Menschseins einzuschließen, rechtfertigen durchaus, seine Lektüre der Bibel mit der christlichen Lesart abzugleichen.
“Die Welt weg von der Hölle und hin zum Himmel ziehen”, so beschreibt Peterson ARC als titanisches Projekt. Schritt für Schritt quäle sich die Menschheit hinauf zur “leuchtenden Stadt auf dem Hügel, Jerusalem”, ins gelobte Land. Und in moralistischer Manier: “Wenn wir uns richtig verhalten, dann haben wir die Fähigkeit, das Beste aus allem zu machen, was sich uns bietet und selbst die Wüste zum Blühen zu bringen.” Peterson scheut sich nicht, von Himmel und Hölle zu sprechen, doch beides liegt für ihn in dieser Welt, nicht im Jenseits. Trotz aller biblischen Referenzen gibt es bei Jordan Peterson nur die Bewegung des Menschen himmelwärts, aber keine Bewegung von Gott hinunter zu den Menschen. Deswegen liegt bei ihm die Rettung der Welt auf den Schultern der Menschen, die im Glauben an eine bessere Zukunft “göttliche Verantwortung” für sich selbst und andere übernehmen.
Es droht ein Pelagianismus “reloaded”
Die christliche Vision sieht anders aus: Mit ganz unmittelbaren Konsequenzen dafür, wie Christen ihre Verantwortung in der Welt wahrnehmen. Ein anderer hat die Last der ganzen Welt bereits auf seinen Schultern getragen, denn für uns Menschen ist sie zu schwer. Trotz allem Wagemut der Welt ließe sich das Tor des Himmels durch den sündigen Menschen nicht erstürmen, wäre nicht der Heiland daraus hervorgetreten. “Der Weg des Heils in die Welt ist der Weg des Heilandes. Einen anderen gibt es nicht”, schrieb der Jesuitenpater Alfred Delp 1944 in seinen Adventsmeditationen aus seiner Gestapozelle in Berlin. Alles andere ist Pelagianismus reloaded. Allein aus menschlicher Kraft einen Turm zum Himmel bauen? Das ist Babel, nicht Zion. Und: Wenn es keinen Gott gibt, sondern nur “göttliche Verantwortung”, dann wird am Ende doch der Mensch zu Gott. Die Verantwortung aber, die wir als Gottes Ebenbilder für unsere Mitgeschöpfe übernehmen, ist eben kein autonomer, wenn auch noch so tugendhafter Akt, sondern Antwort auf einen Ruf: Wir lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19).
Was genau ist für Peterson die “leuchtende Stadt auf dem Hügel”? Welche “ungeahnten Wunder” will ARC für die Menschheit bewirken? “Eine Zukunft des unbegrenzten Reichtums und der Chancen für alle”, sagt er in seiner Abschlussrede der ersten ARC-Konferenz. Das ist als Ziel für ein politisches Projekt zustimmungswürdig, nach all dem religiösen Impetus aber als Vision für das Heil der ganzen Welt unbefriedigend. Am Ende ist es die einzig wahrhaft befreiende Erfahrung der Erlösung, die eine unverbrüchliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt, ohne dabei einer diesseitigen Utopie des Himmels auf Erden zu verfallen. Deshalb ist es hochgradig wünschenswert, dass sich Christen an ambitionierten politisch-kulturellen Projekten zur Weltverbesserung, wie ARC es ist, beteiligen. Die Welt braucht solche Vorhaben. ARC braucht brillante Kenner der menschlichen Seele wie Jordan Peterson. Und ARC braucht Christen, die auf jene wahre Hoffnung verweisen, die nicht in der vermeintlichen eigenen Stärke gründet, sondern in dem, der bereits gesiegt hat.
Christus gehört der Menschheit, nicht dem Westen
Nur so kann ARC auch eine echte politische Alternative bieten. Das “bessere” Narrativ muss am Ende nicht nur irgendwie besser als ideologische Gegenentwürfe sein, sondern auch wahr. Christliche Kultur und Werte haben gerade deshalb ihre Strahlkraft verloren, weil sie ihres geistlichen Inhalts beraubt wurden. Daran sollten sich die erinnern, die beidem wieder eine Renaissance verschaffen wollen. Christliche Werte sind dauerhaft nicht ohne das Christentum selbst zu haben. Wenn das Christentum nur eine Geschichte unter vielen auf dieser Welt ist – nämlich eben die, die der Westen erzählt -, dann verwundert es nicht, wenn zum Beispiel China den universellen Anspruch der aus dem Christentum geborenen Menschenrechte zurückweist. Deshalb ändert es einfach alles, wenn es Gott gibt.
Schöne Utopie gegen klimakatastrophale Dystopien? Das Christentum bietet mehr. Es weist auf die wirkliche Stadt auf dem Hügel hin, die ewige Heimat, in der es keine Tränen und kein Leid mehr gibt. Nur eine Geschichte, die eine berechtigte Hoffnung auf die Transzendenz bietet, kann wirklich allen Menschen zugutekommen, auch denen, die menschlich betrachtet scheitern. Nicht irgendeine Geschichte rettet, sei sie auch noch so stringent, sondern eine Person, Jesus Christus.
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