Lateinamerika: Ein marianischer Kontinent

Mission mit Maria – Von Guadalupe bis Aparecida: Wie sich die Evangelisierung in Lateinamerika weiterentwickelt

Quelle
Das Santuario der Jungfrau von Guadalupe | Die Tagespost (die-tagespost.de)
30Giorni | Erster Halt, Puebla (von Gianni Cardinale)
Dominikanische Republik, Mexiko und Bahamas | Johannes Paul II. (vatican.va)

18.02.2024

José García

Unter dem Titel “Eine Kirche im Aufbruch: Evangelisierung in Lateinamerika in Zeiten des epochalen Wandels” hat Rodrigo López Guerra, Sekretär der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika und Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben, kürzlich im Madrider Priesterseminar San Dámaso die Bedeutung der Marienverehrung für die Evangelisierung Lateinamerikas hervorgehoben.

Im Zusammenhang mit den Erscheinungen von Guadalupe erinnerte er an deren Christozentrik, die positive Wirkung auf die Inkulturation, die Rolle der Frau und die Option für die Armen und die Lauen bis zur “Synodalität und Gemeinschaft”. Lateinamerika, so López Guerra, habe viele Gründe, sich weiterhin als Kontinent der Hoffnung zu verstehen”.

Schlüssel zum Verständnis der Evangelisierung in Lateinamerika

López Guerra, 1966 in Mexiko-Stadt geboren, bot einen Überblick über die Geschichte der Evangelisierung Lateinamerikas aus der Sicht eines Mexikaners – eine “500 Jahre alte, schöne Geschichte”. Er spannte einen Bogen von 1521 bis 2021, um die heutigen Herausforderungen besser zu verstehen.

Der Sekretär der Päpstlichen Kommission lieferte einige Schlüssel zum Verständnis der Evangelisierung, die für Europäer ungewohnt sein mögen: Als im Jahr 1521 Tenochtitlan, die große Hauptstadt der Azteken oder “Mexicas” zerstört worden und so viele Menschen gestorben seien, “erlebte die indigene Bevölkerung einen echten Schock”.

Eine Art kosmologische Gesamtkatastrophe

Sie habe den Fall von Tenochtitlan “offensichtlich nicht nur als militärische Niederlage, sondern als eine Art kosmologische Gesamtkatastrophe” empfunden. Denn es habe Legenden, Geschichten … gegeben, die eine solche Zerstörung als “Ende eines kosmischen Zyklus” vorausgesagt hätten, nach dem etwas Neues entstehen sollte.

In der indigenen Sprache Nahuatl habe es eine umfangreiche Literatur gegeben, die eine tiefe Traurigkeit, Depression und ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und Einsamkeit ausdrückte.
Für die Spanier wiederum sei es ein “Schock” gewesen, dass es im Jahrzehnt 1521-1531 nur wenige und offensichtlich lediglich oberflächliche Konversionen gegeben habe. “Alles deutete auf ein großes Scheitern hin”.

Die Dame des Himmel vereint zwei Völker

Am 12. Dezember 1531 geschah jedoch “das Unerwartete”. Ein einfacher Indio, Juan Diego, trifft auf “eine Dame des Himmels”. Damit “wird in Mexiko und in ganz Amerika eine neue Logik eingeführt, eine Logik, die die gesamte vorspanische Logik, aber auch die Logik der spanischen Krone korrigiert.”

In dem Moment, in dem “Indios und Spanier beginnen, vor dem Bild derselben Mutter zu knien, und auf diese Weise eine gemeinsame Mutter anerkennen”, beginne der Prozess der “Mestizisierung”, der Vermischung der zwei Völker, und damit “die Geburt eines neuen Volkes, das weder rein indigen noch rein spanisch ist, sondern eine eigenartige Synthese”. Dies bilde das “religiöse und kulturelle Fundament Lateinamerikas”.

Das Evangelium kam durch Maria nach Amerika

Der tiefe Kern der Botschaft von Guadalupe bestehe darin, dass das Evangelium in der jeweiligen Kultur verkündet werde: “Das Evangelium kam durch Maria nach Amerika. Es ist der Beginn einer nicht leicht zu definierenden Realität, die einige Bischöfe als das lateinamerikanische katholische Substrat bezeichnet haben.” Zwar sei Lateinamerika sehr pluralistisch und vielfältig. “Wir alle erkennen einander jedoch als Geschwister an”.

Jemand, der am Ufer des Rio Bravo, an der Grenze zu den USA, lebe, erkenne einen Bruder oder eine Schwester, wenn er jemandem aus Patagonien begegne. Dies sei aber nicht der Fall, “wenn ein Lateinamerikaner auf einen Angelsachsen trifft”, auch wenn sie nur wenige Meter voneinander entfernt lebten. Er “spürt eine tiefe kulturelle Kluft in ihrer Lebensweise, ihrem Denken, ihrem Lebensstil.” Dies helfe zu verstehen, “warum die Kirche in Lateinamerika heute als ein Volk lebt und denkt.”

Lateinamerika im Fokus der Kirche

Auch im zwanzigsten Jahrhundert blieb Lateinamerika im Fokus der Kirche. Pius XII. eröffnete die II. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM 1968 in Medellín und erwähnte die sozial Benachteiligten: “Die Armen und Ausgegrenzten sind ein wahres Sakrament Jesu Christi”. Danach entstanden Befreiungstheologien – “im Plural”, betonte López Guerra. Für die III. Generalversammlung 1979 reiste Johannes Paul II. nach Puebla – es war seine erste Auslandsreise als Papst. Dort sei die Überzeugung entstanden: “Um die Option der Armen zu leben, muss man kein Marxist sein, man muss nur Christ sein.”

In Puebla sei eine “neue Grammatik” entwickelt worden. “Puebla wurde zu Mentalität, Stil und Form. Die Kirche spricht, denkt und lebt in der Tonart von Puebla. Die zwei Eigenschaften, die in Puebla betont worden seien – Kommunion und Teilhabe, auch der Laien – spielen nun auf der Synode der Synodalität eine zentrale Rolle.”

Erfahrung der Brüderlichkeit

Dazu komme auf der V. CELAM-Konferenz im brasilianischen Marienheiligtum Aparecida 2007 die Erfahrung der Brüderlichkeit: Am Anfang habe es Differenzen gegeben. “Aber schon bald wurde klar, dass die kulturelle Herausforderung so groß ist, dass es besser ist, gemeinsam zu gehen. Der kulturelle anthropologische Wandel, der Risiken, aber auch Möglichkeiten mit sich bringt, erfordert eine große kontinentale Mission.”

So lebe die Kirche heute die Herausforderung der Evangelisierung. Um zu verstehen, wohin sich die Kirche heute bewege, sei es insbesondere wichtig, die erste “Lateinamerikanische Kirchliche Versammlung” zu beobachten, an der im November 2021 in Mexiko-Stadt nicht nur Bischöfe, sondern auch Laien teilnahmen.

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