“Aber ich bin ja nun im Himmel” *UPDATE

Christoph Probst starb als Katholik und Mitglied der “Weisse Rose”

Weiße Rose: Widerstandsgruppe gegen Hitler mit christlichem Fundament (catholicnewsagency.com)
Weisse Rose

Christoph Probst starb als Katholik und Mitglied der “Weisse Rose” – Sein Entwurf für ein Flugblatt fiel in die Hände der Nationalsozialisten.Von Stefan Meetschen

Die Tagespost, 18. Februar 2015

Sein Name ist nicht so bekannt wie der von Sophie und Hans Scholl, doch er teilte ihr Schicksal: Der Medizin-Student Christoph Probst wurde am 22. Februar 1943 vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler in München zum Tode verurteilt. Sein handgeschriebener Entwurf für das siebte Flugblatt der Widerstandsgruppe “Die Weisse Rose“, in dem er Hitler als “Sendboten des Hasses und des Vernichtungswillens“ bezeichnete, war ihm zum Verhängnis geworden. Die Nazis hatten den Entwurf bei der Verhaftung von Sophie und Hans Scholl nach der aufgeflogenen Verbreitungsaktion am 18. Februar in der Münchener Universität gefunden.

Bereits einen Tag später nahmen sie den 23-jährigen Probst, der erst kurz zuvor zum dritten Mal Vater geworden war, in Innsbruck fest. Er kam nach München, wurde verurteilt und ermordet. Nicht jedoch ohne sich vorher mit Briefen von seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Frau Herta Dohrn zu verabschieden.

Besonders der Brief an sein „liebes Mütterchen“ ist berührend. Schreibt Probst dort doch: „Ich danke Dir, dass Du mir das Leben gegeben hast. Wenn ich es recht bedenke, so war es ein einziger Weg zu Gott. (…) Aber ich bin ja nun im Himmel und kann Euch dort einen herrlichen Empfang bereiten. Eben erfahre ich, dass ich nur noch eine Stunde Zeit habe. Ich werde jetzt die heilige Taufe und die heilige Kommunion empfangen.“

Eine innere Zuversicht und religiöse Festigkeit sprechen aus diesen Worten, die erstaunlich sind angesichts des Lebensweges von Christoph Probst, der – wenn auch ohne sein direktes Zutun – von Anfang an geprägt war von vielen Schulwechseln, Umzügen und Brüchen. Der Hauptgrund dafür: Christoph Probst, der am 6. November 1919 in Murnau zur Welt kam, wurde in geistig zwar durchaus anregende, aber unruhige Familienverhältnisse und in eine schwierige politische Zeit hineingeboren. Kurz vor seiner Geburt trennte sich die Mutter von seinem Vater, der einen ausgeprägten Hang zu Astrologie, Anthroposophie und östlichen Weisheitslehren besaß, die ihn offenbar in solch eine Depression und Verzweiflung führten, dass er sich 1936 in einer Nervenklinik das Leben nahm. Ein Schock für Christoph Probst, der seinen Vater sehr verehrte. Ein Jahr später, nachdem er sogar eine Klasse übersprungen hatte, machte Christoph Probst sein Abitur. Es folgte der zweijährige Arbeits- und Militärdienst und schließlich ab dem Sommersemester 1939 das Medizinstudium in München, Straßburg und Innsbruck.

Dem Schulbesuch in München verdankte Propst die „unzerreißbare Freundschaft“ zu seinem dortigen Mitschüler, dem russischstämmigen Alexander Schmorell, welche auch während der Studienjahre in München, Straßburg und Innsbruck stabil blieb. So stabil, dass Christoph Probst, der mit 21 Jahren heiratete und Vater von insgesamt drei Kindern wurde, Alexander Schmorell zum Taufpaten seines zweiten Kindes machte.

Schmorell war es auch, der Probst im Juni 1942 mit dem Widerstandskreis der „Weißen Rose“ in Kontakt brachte. Sehr zurückhaltend, denn man wollte den jungen Familienvater keinen unnötigen Gefahren aussetzen. Stattdessen regte der Kreis um Alexander Schmorell und Hans Scholl, die ihrerseits von Persönlichkeiten wie Theodor Haecker und Carl Muth inspiriert wurden, den nach Idealen suchenden Probst zur religiösen Lektüre an. Ein Brief aus dem Juli 1942 dokumentiert, wie empfänglich und verständnistief Christoph Probst dafür war: „Auch im schlimmsten Wirrwarr kommt es darauf an, dass der Einzelne zu seinem Lebensziele kommt, zu seinem Heil kommt, welches nicht in einem äußeren ,Erreichen‘ gegeben sein kann, sondern nur in der inneren Vollendung seiner Person. Denn das Leben fängt ja nicht mit der Geburt an und endigt im Tod. So ist ja auch das Leben als die große Aufgabe der Mensch-Werdung, eine Vorbereitung für ein Dasein in anderer neuer Form.“

Der Advent und das Weihnachtsfest 1942 wurden für Christoph Probst, wie der „Weiße Rose“-Experte Jakob Knab in dem lesenswerten Buch „Die Stärkeren im Geiste“ unterstreicht, eine „Zeit von tiefer religiöser Besinnung“. Probst, der durch die äußerlich so instabile Jugendzeit eine große Sehnsucht nach Liebe und Frieden in sich trug, erkannte Weihnachten als „Freudenfest“ und Christus als Sinngeber des Leidens und des Lebens. Seine Witwe, die kürzlich ihren 100. Geburtstag feierte, erinnerte sich später, dass ihr Ehemann in der Christmette an Heiligabend 1942 eine „Art exstatischer Vision“ erlebt habe.

Anfang und Mitte Februar 1943 äußerte Christoph Probst in Briefen seine Sorge vor der „apokalyptischen Zeit“, in welcher man sich nun befände. Er sah, dass „diese Welt immer tiefer ins Unheil gleitet“. Diese Einsicht war nicht nur einer düsteren Stimmung rund um die Katastrophe von Stalingrad geschuldet, sondern basierte, wie sein Entwurf des siebten Flugblatts verrät, einem fundierten Wissen um die realen Vorgänge im Dritten Reich. Probst wusste, dass Hitler „die Juden zu Tode marterte, die Hälfte der Polen ausrottete, Russland vernichten wollte“. Umso deutlicher fiel sein Widerstands-Appell aus: „Hitler und sein Regime müssen fallen, damit Deutschland weiterlebt.“ Christoph Probst war jetzt, wie seine Schwiegertochter, die Musik-Professorin Barbara Probst-Polášek in einem Gespräch mit „Kirche in Not“ betont hat, ganz entschlossen, aktiv zu werden, die Deutschen zum Aufwachen zu bewegen. Weshalb das etwas wehleidige Bild, das von ihm in dem bekannten Sophie-Scholl- Film („Die letzten Tage“) gezeichnet wird, nicht der Wahrheit entspricht.

Doch noch etwas ist korrekturbedürftig: Wenn man bedenkt, dass Alexander Schmorell, der im Juli 1943 von den Nazis ermordet wurde, inzwischen in der orthodoxen Kirche, der er angehörte, als Heiliger verehrt wird, kann man sich nämlich wundern, wieso die Erinnerung an Christoph Probst hierzulande derart verflacht ist, dass selbst innerhalb der Kirche nur wenige um ihn und sein mutiges christliches Zeugnis wissen. Und das obwohl Christoph Probst in das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts „Zeugen für Christus“ aufgenommen worden ist. Als katholisches Vorbild für die Jugend eignet sich Christoph Probst mit seiner familiären „Patchwork“-Herkunft, seinen existenziellen Lernprozessen und seinem persönlichen Mut ganz außerordentlich – gerade im 21. Jahrhundert. Seine Verehrung ist deshalb naheliegend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel