Konflikt im Berg-Karabach – Genozid um Kaukasus
Nach der Eroberung Berg-Karabachs durchlebt das armenische Volk ein neues, grausames Kapitel seiner Leidensgeschichte. Ein Kommentar
28.09.2023
Größe und Tragik, Selbstbehauptung und Leid spiegeln sich in der Geschichte der Armenier. Mit der Eroberung von Berg-Karabach, der Zerschlagung der “Republik Arzach” und der begonnenen “ethnischen Säuberung” der armenisch besiedelten Region durch Aserbaidschan wurde ein neues, grausames Kapitel in der Leidensgeschichte dieses Volkes aufgeschlagen.
Das historische Armenien grenzte zur Zeit seiner größten Ausdehnung an drei Meere: an das Kaspische Meer im Osten, das Mittelmeer im Westen und das Schwarze Meer im Norden. Hier breitete sich die armenische Kultur aus, die mit der Mission der Apostel Thaddäus und Bartholomäus und mit der Taufe von König Trdat III. im Jahr 301 eine christliche Prägung erhielt.
Die Welt sieht tatenlos zu
Heute sieht die Welt tatenlos zu, wie die armenische Identität von Karabach ausgelöscht wird. Jeder reagiert, wie es dem eigenen Wesen entspricht: Die EU ist in Schockstarre und bietet humanitäre Hilfe an; Putin macht die Annäherung Armeniens an den Westen für alles verantwortlich und zeigt seine Schadenfreude ganz offen; Erdoğan eilt nach Baku, um seinem Blutsbruder Aliyev zu gratulieren und weitere sinistere Pläne auszuhecken.
Die leidgeprüften Karabach-Armenier, die bereits eine neunmonatige Medikamenten- und Lebensmittelblockade hinter sich haben, fliehen nun zu Zehntausenden nach Armenien. Sie haben die unausgesprochene Alternative längst verstanden: Sie können entweder in ihrer Heimat bleiben und ihre Identität verlieren, weil Aserbaidschan jede Erinnerung an das armenische Erbe tilgen und die Bevölkerung zur Assimilierung zwingen wird; oder sie geben ihre Heimaterde auf und bewahren ihre nationale Identität in Armenien.
Das erinnert fatal an die verhängnisvolle Option, vor die Hitler und Mussolini 1939 die Südtiroler stellten: Sie sollten damals bis Jahresende entweder die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen und ins “Reich” übersiedeln, oder in ihrer Heimat bleiben und sich dem faschistischen Italienisierungsdruck beugen. Eine grausame, menschenunwürdige Option, die sich jetzt im Kaukasus vor unseren Augen wiederholt.
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