Es gibt keine konfliktfreie Kirche
Konflikte lassen sich unter Christen gläubig lösen
Quelle
Kardinal Kurt Koch (370)
09.09.2023
Kurt Kardinal Koch
Man trägt Eulen nach Athen, wenn man feststellt, dass es auch und gerade in der Kirche heute Konflikte gibt. Das Evangelium führt uns vor Augen, dass es sich bereits in den Anfängen der Kirche, ja schon bei den Jüngern Jesu so verhalten hat. Denn Jesus beginnt seine Jüngerbelehrung mit der nüchternen Feststellung: „Wenn dein Bruder sündigt…“ Es kann offensichtlich keine konfliktfreie Kirche geben. Wo es Leben gibt, kommt es unweigerlich zu Spannungen und Konflikten. Dies sollte Glieder der Kirche auch heute nicht erstaunen.
Lösungen
Ins Staunen geraten sollten wir Christen aber darüber, was Jesus seinen Jüngern über die Art und Weise rät, wie sie mit Konflikten und sogar mit Sünden umgehen sollen. Jesus sieht für die Konfliktbereinigung konkrete Schritte vor: Zuerst das zwischenmenschliche Gespräch “unter vier Augen”. Wenn der Bruder kein Gehör schenken will, soll man zwei Männer hinzuziehen, um die Angelegenheit von zwei oder drei Zeugen entscheiden zu lassen. Wenn der Bruder auch darauf nicht hört, soll man es der ganzen Gemeinde sagen. Falls auch dieses Gespräch keine Lösung bringen sollte, dann sei der sündige Bruder “für dich wie ein Heide oder ein Zöllner”.
Diese vier Schritte bei der von Jesus empfohlenen Konfliktbewältigung wirken auf uns gewiss ganz logisch, menschlich und christlich. Wenn man freilich in die heutige Situation der Kirche hinein schaut, muss man leider feststellen, wie oft diese Schritte nicht eingehalten werden. Statt die Reihenfolge der Schritte wahrzunehmen, wird nicht selten sogleich der vierte Schritt getan, indem man sofort an die mediale Öffentlichkeit geht und den sündig gewordenen Bruder als “Heide” und “Zöllner” anklagt.
Auch heute darauf hören
Wie notwendig und befreiend wäre es, wenn wir auch heute in erster Linie auf die Ratschläge Jesu hören und sie in den kirchlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen beherzigen würden! Denn dass Jesus es mit seinen Anweisungen sehr ernst meint, zeigt sein weiterer Hinweis im Evangelium, dass unser Verhalten heute Konsequenzen für das Leben im Himmel haben wird.
Angesichts dieses Ernstes ist es angebracht, auf einen noch tieferen Rat Jesu zu hören. Es ist kein Zufall, dass er seine Aufforderung zur Feindesliebe mit der weiteren Zumutung verbindet: “betet für die, die euch verfolgen” (Mt 5, 44). Würden wir Christen wenigstens so viel füreinander beten, wie wir einander öffentlich kritisieren, würden wir erfahren, dass es auch heute keine bessere Intensivstation der Versöhnung geben kann als das Gebet. Dann kämen wir jener gläubigen Konfliktbereinigung unter uns Christen näher, wie sie Jesus von uns erwartet.
Ezechiel 33, 7-9
Römer 13, 8-10
Matthäus 18, 15–20
Zu den Lesungen des 23. Sonntags im Jahreskreis 2023 (Lesejahr A)
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