Kleiner Orden, große Geschichte
Zwei Alleinstellungsmerkmale springen ins Auge: Die “Kreuzherren mit dem Roten Stern” sind der einzige in Böhmen entstandene Orden der katholischen Kirche, und der einzige Männerorden, der je von einer Frau gegründet wurde
Quelle
Kreuzherrenorden Österreich
Kreuzherren mit dem Roten Stern – Wikiwand
Agnes von Böhmen – Ökumenisches Heiligenlexikon
24.08.2023
Zwei Alleinstellungsmerkmale springen ins Auge: Die “Kreuzherren mit dem Roten Stern” sind der einzige in Böhmen entstandene Orden der katholischen Kirche, und der einzige Männerorden, der je von einer Frau gegründet wurde. Die von Papst Johannes Paul II. im Wendejahr 1989 heiliggesprochene Prinzessin Agnes von Böhmen, eine Tochter von König Ottokar I. Přemysl, war von Franz von Assisi tief beeindruckt und wollte in ihrer Heimat ein “böhmisches Assisi” schaffen. 1233 gründete sie in Prag ein Hospital und eine Bruderschaft zur Pflege der Kranken, Armen und Obdachlosen. Der Bischof von Prag unterstellte das Spital dem Heiligen Stuhl, und Papst Gregor IX. befahl seinerseits dem Prager Bischof, die Neugründung unter Androhung kirchlicher Strafen gegen jegliche Belästigung zu schützen.
1235 bestätigte der Papst in einem Schreiben an Agnes den päpstlichen Schutz ihrer Stiftung. Schon zwei Jahre später erhob er die Bruderschaft zu einer Vereinigung, die nach der Augustinerregel leben sollte und direkt Rom unterstand. Seither genoss die Bruderschaft das Wohlwollen zahlreicher Monarchen, von Wenzel von Böhmen über Maria Theresia bis Kaiser Franz Joseph, wie auch der Päpste. Bereits nach wenigen Jahren erhielt der junge Orden das Patronatsrecht für zahlreiche Kirchen in Prag, Leitmeritz, Budweis und anderen Städten Böhmens, Mährens und Schlesiens. Agnes’ Idee, ein “böhmisches Assisi” zu gründen, inspirierte nämlich auch das mit ihr verwandte Herzogspaar Schlesiens, in Breslau eine solche Niederlassung für Arme, Kranke und Pilger zu gründen.
Die einzigen Katholiken
Bereits 1283 besaß der Orden zwölf Spitäler, die er durch Schenkungen finanzierte. Wie sich seine Laienbrüder um die leiblichen Nöte der Armen und Kranken sorgten, widmeten sich die Kleriker deren Seelenheil. Mit der Verbürgerlichung des Spitalwesens im 15. Jahrhundert verschob sich dieses Verhältnis; die Gemeinschaft entwickelte sich mehr und mehr zu einem reinen Priesterorden.
Im geografischen Herzen Europas beheimatet, brachen alle Stürme der Zeit auch über die Kreuzherren herein: Zunächst die Hussiten, die Hunderte von Kirchen und Klöstern in Böhmen niederbrannten und viele Kleriker töteten, so dass der Orden nur in Schlesien und im Egerland überlebte. Dann entriss die Welle des Protestantismus dem Orden viele Häuser. In der böhmischen Stadt Elbogen etwa drangen am 12. Mai 1549 Protestanten in die Kirche ein, drohten dem Pfarrer, ihn zu erschlagen – und feierten ihren Gottesdienst.
Kein Wunder, dass Großmeister Anton Brus die Jesuiten-Mission in Böhmen leidenschaftlich förderte. Er war auch mit dem berühmten jesuitischen Volksmissionar Petrus Canisius, der bei Pragbesuchen im Kreuzherrenkonvent wohnte, befreundet. Vermutlich auf dessen Empfehlung wurde Brus Beichtvater von Kaiser Ferdinand I., später Bischof von Wien und endlich, nach langer Sedisvakanz, Erzbischof von Prag, wo er – erfolglos – für die Glaubenseinheit in Böhmen wirkte. Dabei blieb er Großmeister der Kreuzherren, und erklärte – als er wegen Ämterkumulation gerügt wurde –, lieber auf das Amt des Prager Erzbischofs verzichten zu wollen denn auf die Leitung seines Ordens.
So übel hatten Hussiten und Protestanten in Böhmen gewütet, dass in manchen Landstrichen die Pfarreien der Kreuzherren die einzigen waren, die katholisch blieben. Weil das Prager Erzbistum zeitweise von den Besitzungen der Kreuzherren lebte, entwickelte sich eine Art Personalunion: Viele Großmeister wurden Erzbischöfe – oder umgekehrt. Fünf ernannte Erzbischöfe wurden dem Orden mit politischem Druck als Großmeister anempfohlen. Dadurch aber verblasste zeitweise das Bewusstsein für das eigentliche Gründungscharisma des Ordens, dem mehr und mehr eine ritterliche Tradition zugeschrieben wurde. Ganz in diesem Sinn bestätigte der Papst 1675 die neuen Statuten, in denen die Kreuzherren als “militaris ordo” bezeichnet wurden. Gleichzeitig weitete sich der Wirkradius des Ordens geografisch aus. 1715 gab es sogar einen Plan zur Mission in Russland.
Opfer der Wirren der Zeit
1713 wütete die Pest in Wien und raffte etwa 9 000 Menschen hinweg. Kaiser Karl VI. gelobte, eine Kirche zur Ehre seines Namenspatrons Karl Borromäus zu stiften. Als der Kaiser mit dem Bau der Kirche begann, boten sich die Kreuzherren sogleich für die Seelsorge an. Dank dem genialen Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach, der vor genau 300 Jahren starb, wurde die Wiener Karlskirche zu einem der bedeutendsten Barockbauten nördlich der Alpen und – bis heute – zu einem Touristen-Magnet in der Wiener Innenstadt.
1733 – also vor 290 Jahren – übertrug der habsburgische Kaiser dem Kreuzherrenorden die Karlskirche für immerwährende Zeiten zur Seelsorge. Das damalige Dekret formulierte für diesen Ewigkeitscharakter klare Bedingungen: Bei der Kirche sei ein Spital zu errichten; auch müsse der Orden die Wohnungen für seine Geistlichen aus eigenen Mitteln bauen. Umgekehrt verpflichtete sich der Kaiser, den Priestern Gehälter zu zahlen und für den Erhalt der Kirche zu sorgen. Am 24. August 1738 – auf den Tag genau vor 285 Jahren – feierte der Großmeister der Kreuzherren in Anwesenheit der kaiserlichen Familie und des Hofes eine feierliche Messe in der Karlskirche und übernahm die Verantwortung für sie.
Im Wirbel der Politik
Doch die Wirren der Zeit wüteten weiter: Der angeblich aufgeklärte Preußenkönig Friedrich II. entriss Maria Theresia in blutigen Kriegen Schlesien, wo er rücksichtslos gegen katholische Klöster vorging. Der Besitz der Kreuzherren in Schlesien wurde geplündert und später all seines Besitzes beraubt, während sich der Orden im habsburgischen Ungarn gut entfaltete und sogar die Sorge für “die Rechte des heiligen Stephan”, die wichtigste Reliquie des ersten christlichen Königs von Ungarn, übernahm. Die Wiener Karlskirche, von der frommen Maria Theresia reich beschenkt, wurde unter ihrem aufklärerisch angehauchten Sohn Joseph II. zugleich Pfarrei. Ihr erster Pfarrer, der Kreuzherr Johannes Lachenbauer, war zugleich Rektor des Wiener Seminars und später Bischof von Brünn.
Schlimmer als im Napoleonischen Zeitalter wurde der Kreuzherrenorden im 20. Jahrhundert zum Opfer der Politik: In der Karwoche 1941 beschlagnahmten die deutschen Besatzer das Mutterhaus des Ordens in Prag “für Zwecke der Protektoratsregierung”. Zwei Kreuzherren wurden ins KZ Dachau deportiert. 1945 wurden die deutschen Kreuzherren vom Beneš-Regime vertrieben. 1948 wurden alle männlichen Orden in der kommunistischen Tschechoslowakei für aufgelöst erklärt. Die Zentrale der Kreuzherren wurde für das Militär beschlagnahmt. Das Schicksal des Ordens in seiner Heimat hatte auch Auswirkungen auf Wien: 1959 wurde die Seelsorge an der Karlskirche interimistisch den Prämonstratensern von Stift Geras anvertraut.
Eine kleine Gemeinschaft
Erst mit der “Samtenen Revolution” von 1989 und dem Zusammenbruch des Ostblocks blühte der Orden wieder auf – und übernahm schließlich erneut die Seelsorge an der Wiener Karlskirche, die seit 2017 Rektoratskirche ist. Mit 17 Priestern ist der Orden der Kreuzherren mit dem Roten Stern heute eine sehr kleine Gemeinschaft, jedoch mit großer und wechselvoller Geschichte. Aber über Großes und Kleines sagt bereits die Ordensdevise das Entscheidende: “Concordia res parva crescunt. Discordia res maxima dilabuntur.” Durch Eintracht wachsen die kleinen Dinge. Durch Zwietracht zerfallen die Größten.
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