Ein bisschen Untergrund tut gut

Heute darf alles gefordert werden: Geschlechtsumwandlungen für Kinder, Tötung von lästigen Angehörigen – Nur Gott bleibt gefälligst außen vor

Quelle
Ist Woke das neue Autoritär?

Alexander von Schönburg – 4. März 2023

Die Inquisition ist wieder da, diesmal in der postmodernen Variante: Wer bei den Interrogationen als Christ erkennbar ist, verspielt damit jede Chance auf ein öffentliches Amt. Schottland erlebt dies gerade eindrücklich. Die Farce: Die linke Sezessions-Partei SNP sucht nach einem neuen Chef und Spitzenkandidaten. Die beliebteste unter den Kandidaten ist Kate Forbes. Ihr Manko: Sie ist Christin, gehört der evangelikal angehauchten Calvinist Free Church of Scotland an. Seit dem Tag, an dem sie eingestand, dass aus ihrer persönlichen Sicht Sex außerhalb der Ehe keine gute Idee ist und sie auch kein Fan forcierter Geschlechtsumwandlungen ist, steht sie im medialen Stahlgewitter.

Kurioserweise ist ihr Konkurrent um den Spitzenposten in der SNP ein praktizierender Muslim. Aber der hat bereits – ohne dass er gefragt wurde, denn bei Muslimen ist man da zaghafter – seinen Kotau vor der postmodernen Zeitgeist-Revolution vollzogen und alles gutgeheißen, was die Postmoderne so zu bieten hat und damit prophylaktisch Angriffen vorgebeugt.

“We don‘t do God!”

Ganz neu ist das alles nicht. Tony Blair zum Beispiel war als britischer Premier eine Zeit lang äußerst populär – aber er musste seinen Glauben klandestin praktizieren, schickte seine Söhne zwar für alle sichtbar auf die Elite-Schule der Oratorianer, konvertierte selbst aber erst, nachdem er seine politische Karriere beendet hatte. Ein Interviewer versuchte ihn mal mit einer religiösen Frage aufs Glatteis zu führen. Sein legendärer Medien-Guru Alastair Campbell schritt sofort ein und fauchte im Pluralis Majestatis: “We don‘t do God!” – Gott bleibt gefälligst außen vor.

Es gab noch einen anderen prominenten Fall. Im Jahr 2015 hatten die britischen Liberaldemokraten aus lauter Verzweiflung über mangelndes Führungspersonal einen gewissen Tim Farron an die Spitze der Partei gespült. Er sorgte damals für Kopfschütteln und Verzweiflung bei der Großstadt-Intelligentsia, weil er die Frechheit besaß, an Gott zu glauben und das auch noch öffentlich preisgab. Von da an hatte er Spießrutenläufe zu absolvieren, die Medien belästigten ihn nur noch mit tendenziösen, einschlägigen Fragen. Tim machte es nicht lange. Er war ein frühes Opfer des “Denk-wie-wir-oder-du-wirst-fertiggemacht”-Diktats.

Lustigerweise könnte man heute problemlos die verrücktesten Dinge im öffentlichen Raum fordern, Geschlechtsumwandlungen im Kindesalter, die Legalisierung von Tötung lästiger und kranker Angehöriger und was sonst noch alles da draußen ‘rumschwirrt’. Aber das Bekenntnis zu jener Religion, die für Gründungsväter der europäischen Einigung noch Basis unserer Kultur und unseres Denkens war, ist inzwischen tabuisiert. Damit ist die Revolution nicht mehr im Gange, sie ist abgeschlossen.

Für Christen kann der ganze Schlamassel auch eine Chance sein. Man muss nicht notwendigerweise immer oben auf der Suppe schwimmen. Ein bisschen Untergrund-Dasein tut uns Christen zur Abwechslung vielleicht ganz gut. Die Paulus-Briefe lesen sich jedenfalls spannender, wenn man keine Mühe mehr hat, sich in die Welt, die ihn umgab, hineinzudenken.

Der Autor schreibt Bestseller und gehört zur BILD-Chefredaktion.

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