Benedikt XV. wollte den Wahnsinn des Krieges stoppen
Benedikt XV. versuchte den Selbstmord der Nationen Europas aufzuhalten. Doch seine Friedensinitiative zur Beendigung des Ersten Weltkriegs scheiterte. Klein von Gestalt war er dennoch ein großer Papst in schwersten Zeiten
Quelle
Moralische Kraft versus Gewalt
Vor 100 Jahren wählt das Konklave Benedikt XV. zum Papst
Vatikan: Papst Benedikt XV.
Michael Feldkamp, 22. Januar 2022
Vor 100 Jahren, am 22. Januar 1922 starb Benedikt XV., der, klein von Statur, zeitlebens auch als kleines Männlein (“piccoletto”) verspottet wurde. Dennoch war Benedikt XV., mit dem Geburtsnamen Giacomo della Chiesa, nicht als Übergangspapst gedacht, sondern war gleich nach Beginn des Ersten Weltkrieges (1914–1918) mit grosser Hoffnung im zehnten Wahlgang in das Petrusamt gewählt worden. Das Pontifikat von Papst Benedikt XV. (1914–1922) stand ganz im Schatten des Ersten Weltkriegs. Benedikt, der schon fast der Vergessenheit anheimgefallen war, stand erst wieder im Fokus des Interesses, als der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger den Papstnamen Benedikt XVI. annahm.
Benedikts XV. Vorgänger, der als heiligmässig, persönlich sehr fromm, und gar als väterlich wahrgenommen wurde, Pius X., (1903–1914) hatte den Ausbruch des Weltkrieges nicht verhindern können. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Päpste ohnehin kaum politischen Einfluss; nur mit wenigen Staaten unterhielten sie überhaupt diplomatische Beziehungen. Von Giacomo della Chiesa versprach man sich, dass er alles tun würde, um den Weltkrieg schnellstens zu beenden. Giacomo della Chiesa, geboren 1854, war als Erzbischof (seit 1907) und Kardinal (seit Mai 1914) von Bologna ins Konklave gezogen.
Hoffnungsträger für ein Ende der Gewalt
Nach seiner Wahl zum Papst am 3. September 1914 nahm er zur Erinnerung an den letzten Papst aus Bologna, Benedikt XIV. (1740–1758), ebenfalls den Namen Benedikt an. Sowohl seiner Natur, als auch den Umständen des Weltkriegs, entsprach der Wille von Benedikt XV., auf eine pompöse Inthronisations- und Krönungsfeier zu verzichten.
Sie fand deswegen am 8. September in der Sixtinischen Kapelle statt. In seinem ersten Aufruf bekräftigte er seinen Wunsch, ein Ende von Gewalt, Blutvergiessen und Verwüstung herbeizuführen. Die Priester ermahnte er, sich über den Patriotismus hinwegzusetzen und sich auf die Verkündigung der Botschaft Jesu Christi zu konzentrieren; Hass oder Verachtung in der Sprache seien zu vermeiden und stattdessen sollten sie die Sprache der christlichen Nächstenliebe sprechen.
In seinen ersten Stellungnahmen forderte der Diplomat und humanistisch gebildete Aristokrat Benedikt XV., die innerkirchlichen Streitigkeiten, geschürt durch den so genannten Modernisteneid zwischen Integralisten und Liberalen, beizulegen. Das internationale Kriegsgeschehen begünstigte seinen Aufruf zu einem innerkirchlichen Burgfrieden. In seiner Antrittsenzyklika vom 1. November 1914 stellte der Papst, der kirchenpolitisch in der Tradition von Kardinal Mariano Rampolla (1843–1913) und Papst Leo XIII. (1878–1903) stand, seinen Schmerz über das grausame Kriegsgeschehen heraus.
Er beklagte, dass ausgerechnet hochstehende Kulturen im Krieg gegeneinander stünden. Benedikt sah im Weltkrieg den Selbstmord der europäischen Nationen. Er liess keine Gelegenheit aus, zum Frieden aufzurufen und eine gerechte Friedensordnung einzufordern. Das Papsttum gerierte sich als “moralische Grossmacht”, so der Kirchenhistoriker Georg Schwaiger.
Obwohl von absoluter Neutralität und Überparteilichkeit gekennzeichnet, wurde der Papst von den Franzosen als “Pape boche” diffamiert und von den Deutschen wiederum als “Franzosenpapst” verachtet. Das lag wohl auch daran, dass der Papst einen Grossteil seiner diplomatischen Korrespondenz mit den Regierungen in aller Welt sowie den internationalen Organisationen und Verbänden durchweg in Französisch hielt. Umgekehrt hatte aber der Papst vor allem bei der deutschen und der österreich-ungarischen Regierung intensiv für Friedensverhandlungen geworben. Die deutsche Regierung verzichtete unter Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (1909–1917), Kriegsziele festzulegen, um bei Friedensangeboten einen grösseren Spielraum zu haben.
Der Papst wollte diplomatisch Frieden stiften
Eine der bemerkenswertesten und bekanntesten Friedensinitiativen des Papstes war die vom Sommer 1917. Ende Mai 1917 hatte der Papst mit Eugenio Pacelli (1876–1958), dem späteren Papst Pius XII. (1939–1958), einen seiner fähigsten Diplomaten zum Nuntius nach München geschickt. Schon im Juni 1917 begegnete Pacelli dem Reichskanzler in Berlin, sowie Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) in seinem Hauptquartier in Kreuznach, dem er ein Handschreiben des Papstes überbrachte. Diese als Vorgespräche gedachten Begegnungen sollten geheim bleiben, damit sie nicht als Schwäche der Deutschen ausgelegt werden konnten. Noch am 30. Juni traf Pacelli mit Kaiser Karl I. von Österreich (1916–1918) zusammen, von dem sich der Papst konkret Friedensverhandlungen mit Italien erhoffte, in deren Ergebnis das Gebiet von Trient an Italien abgetreten werden könnte. Die Berichte Pacellis flossen in eine päpstliche Denkschrift ein, die von der deutschen Heeresleitung sowie dem neuen nur drei Monate (Juli–November 1917) amtierende Reichskanzler Georg Michaelis (1857–1936) abgelehnt wurde.
Nachdem der Heilige Stuhl vergeblich bemüht war, auch die anderen Kriegsgegner zu Friedensverhandlungen zu bewegen, überraschte er mit seiner päpstlichen Friedensnote vom 1. August 1917, dem dritten Jahrestag des Kriegsbeginns. Auch die Mittelmächte waren von den Friedensbemühungen des Papstes wenig überzeugt, wollten aber nicht gleich in Fundamentalopposition gehen. Kaiser Karl lehnte die päpstlichen Vorschläge zur Lösung der Trient-Frage ab. Hatten die Diplomaten sich noch in vertraulich-wohlwollender Weise zusammengerauft, wechselten die Staaten in der öffentlichen Debatte zu schroffen Tönen über. Die päpstliche Friedensinitiative war gescheitert. Der Vatikan konzentrierte sich fortan nur noch auf Hilfsleistungen, schickte Verbandsmaterial und Lebensmittel und richtete einen Suchdienst für Vertriebene und Vermisste ein.
Theologie der Mission
Zu den innerkirchlichen grossen Leistungen von Benedikt XV. zählte der Abschluss der 1904 begonnenen Arbeiten zur Vereinheitlichung des Kirchenrechts unter der Leitung von Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri (1852–1934). Am 19. Mai 1918 trat der Codex Iuris Canonici in Kraft, der erst 1983 unter Papst Johannes Paul II. abgelöst wurde. Unabhängig vom Kriegsgeschehen hatte Benedikt XV. nicht nur das päpstliche Missionswesen neu organisiert, sondern auch eine neuartige Theologie der Mission entwickelt. Mission war für ihn nicht nur Ausbreitung des Glaubens und Bekehrung der Seelen, sondern eine zentrale und originäre Lebensfunktion der Kirche selbst. Der Papst forderte deswegen die Herausbildung von örtlichen Klerikern und löste sich damit einmal mehr von einem kolonialistischen Missionsgedanken.
Obwohl Benedikt XV. stets als kränklich wahrgenommen worden war, kam sein Tod am 22. Januar 1922 nach einer schweren Bronchitis, Grippe und schliesslich Lungenentzündung sehr überraschend.
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