Der Rosenkranz

Hundert Jahre nach Fatima aktueller denn je — der Rosenkranz

Impuls zum 28. Sonntag im Jahreskreis — 15. Oktober 2017

13. Oktober 2017, Peter von Steinitz
Rosenkranz beten Anleitung zum Rosenkranzgebet (missio.at)

Die heutige Mainstream-Zivilisation geht mit nicht genehmen Ansichten scheinbar sehr behutsam vor. Die Medien sprechen nicht von abwegigen oder gar dummen Ideen, Personen oder Institutionen, sondern gebrauchen gerne das objektiv klingende Wort „umstritten”. Nur wenn etwas doch gar zu schlimm erscheint, nennt man es allenfalls „inakzeptabel”. Ja, es ist schon eine sehr verfeinerte Kultur, in der wir leben.

Nun aber hat es sich mit der Zeit herausgestellt, dass für viele Zeitgenossen nach den Erfahrungen,die sie mit manchen Medien, aber auch manchen Politikern gemacht haben, das Wörtchen „umstritten” aufhorchen lässt. Nicht selten wird es für den Eingeweihten zum Gütemerkmal. Schon manch einer hat sich einer Idee oder einer Gemeinschaft angeschlossen, von der er in den Medien gelesen hatte, dass sie umstritten sei – und war am Ende davon sogar begeistert.

Nun hat neulich auch ein regionales Kirchenblatt anlässlich des traditionellen Rosenkranzmonats Oktober dem Rosenkranzgebet das Etikett „umstritten” angeheftet, und zwar mit der Begründung, dass es nicht zeitgemäss sei. Der wache Christ von heute könne sich nicht mehr mit Gebeten befassen, die aus lauter Wiederholungen derselben Worte bestehen. Was sich der Autor des Artikels allerdings ungeschickterweise entgehen liess, war der historische Zusammenhang, in dem das Rosenkranzfest, das am 7. Oktober gefeiert wird, steht, nämlich die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571, in der die europäischen Truppen gegen eine türkische Übermacht siegten, und diesen Sieg dem Gebet des Rosenkranzes zuschrieben, zu dem der Papst die Christenheit aufgefordert hatte. Hier wäre eigentlich ein weiteres Reizwort unserer Zeit fällig gewesen: „politically incorrect”.

Aber Ironie beiseite, was hat es nun mit diesem Gebet auf sich? Auf der einen Seite gibt es viele – auch Christen – die dieses Gebet nicht einmal mehr als umstritten ansehen, sondern es einfach ignorieren als etwas für allzu schlichte Gemüter. Auf der anderen Seite eine allerdings zahlenmässig beachtliche Gruppe von Gläubigen, die dieses Gebet regelmässig pflegen und ihm grosse Erhörungskraft zusprechen.

Die asketische und mystische Theologie spricht traditionell von zwei Grundformen des Gebetes. Es gibt das „mündliche” und das „betrachtende” Gebet. Das mündliche Gebet verwendet Texte mit fertigen Worten, die man „aufsagt”. Darunter das hervorragendste, weil von Gott selber gegebene, das Vaterunser. Ferner das Gegrüsset seist du, Maria und Ehre sei dem Vater. Aus diesen drei Grundgebeten setzt sich der Rosenkranz zusammen, wo in fünf „Geheimnissen” je zehn Avemaria mit jeweils einem Vaterunser abwechseln.

Dagegen bemüht sich der Gläubige im betrachtenden Gebet darum, mit Gott in freien, eigenen Worten zu sprechen, gerade so wie man mit einem Freund spricht, wobei man sich der Hilfe des Heiligen Geistes versichert, der, wie Paulus sagt, „mit unaussprechlichen Seufzern” für uns eintritt, „wenn wir nicht wissen, wie wir beten sollen”. Denn der Mensch ist wetterwendisch: mal „gelingt” ihm die Betrachtung gut, und andere Male fühlt er sich leer und trocken. Dennoch sollte er regelmässig jeden Tag dieses betrachtende Gebet üben.

Er muss ja nicht jedes Mal Gott etwas Originelles mitteilen („Er weiss ja schon alles”), vielmehr sollte er den Geist in sich beten lassen, d.h. sein Herz ihm öffnen und ihn bitten, „in ihm zu beten”. Wie von selbst wird er mit der Zeit zu einem höheren und reiferen Gebet aufsteigen. Durch die Regelmässigkeit wird er nach und nach unabhängig von Stimmungen und Zufälligkeiten.

Wenn wir in diesem Zusammenhang das Rosenkranzgebet anschauen, stellen wir fest, dass es keineswegs ein Gebet nur für alte Mütterchen ist (wenngleich diese meist die wirksamsten Beter sind). Vielmehr ist es eine äusserst geistreiche Kombination der beiden Gebetsformen.

Denn während der Beter immer wieder die gleichen Gebete, vor allem das Avemaria, sagt, entfaltet er eine rege betrachtende Gedankentätigkeit – jedenfalls sollte es so sein. Er betrachtet gleichzeitig, sozusagen mit Maria, die zentralen Geheimnisse unserer Erlösung: die Menschwerdung Gottes und die Kindheit Jesu (freudenreicher Rosenkranz), sein Wirken in der Öffentlichkeit (lichtreicher Rosenkranz), sein Leiden und Sterben (schmerzensreicher Rosenkranz) und schliesslich seine Auferstehung und Verherrlichung (glorreicher Rosenkranz), tatsächlich das Wesentliche aus unserem Glaubensschatz. Der Rosenkranz ist übrigens ganz und gar christozentrisch, Maria ist gewissermassen die Umhüllung, in der das von Christus gewirkte Heilsgeschehen gesehen wird. Genauso wie jedes Avemaria in seinem Kern Jesus enthält. Also keine Angst: es handelt sich nicht um übertriebene Marienfrömmigkeit!

Für den Rosenkranz als ideale Synthese der beiden Gebetsformen, mündliches und betrachtendes Gebet, könnte man, um einen bildlichen Vergleich zu gebrauchen, von einem Schifflein sprechen (die Betrachtung), das auf einem Wasser dahinsegelt (die vielen Avemaria), in Bewegung gesetzt vom Hauch des Heiligen Geistes.

Darüber hinaus man kann noch eine dritte Gebetsebene ausmachen. Während die ruhig dahinfliessenden mündlichen Gebete zum Betrachten anregen, kann der Betende verschiedene Gebetsanliegen mit bedenken. Und das immer in dem Wissen, dass ihm von höherer Warte und mit äusserstem Wohlwollen zugehört wird.

In den Familien wurde früher abends gemeinsam der Rosenkranz gebetet. Jeder, der das erlebt hat, weiss um die eigentümlich friedvolle Stimmung, die sich dann bei den Menschen ausbreitet. Heute wird abends gemeinsam „in die Röhre“ geschaut. Aber ist deswegen der Rosenkranz nicht mehr „in”?

Nein, im Gegenteil. Auch heute, und gerade in unserer unruhigen Zeit, ist der Rosenkranz angesagt. Auch heute sind durch grosses Rosenkranzbeten grosse Dinge erreicht worden, bis hin zu weltpolitischen Ereignissen, wie dem unerklärlichen Abzug der Sowjets aus Österreich im Jahre 1955 oder der  Verhinderung der kommunistischen Machtübernahme in Portugal im Jahre 1975.

Das heutige Sonntagsevangelium erzählt von einem merkwürdigen Hochzeitsmahl, zu dem bestimmte Gäste eingeladen wurden, die aber nicht kamen. Daraufhin hat der Hausherr, der König, befohlen, alle Menschen einzuladen. Viele kamen, aber als einer ohne hochzeitliches Gewand auftauchte, wurde er hinausgeworfen. Ungerecht? Nein, denn in antiken Gastmählern bekam jeder Gast beim Eintritt ein hochzeitliches Gewand gestellt. Wer das verschmutzt, ist also nicht ohne Schuld.

Die strengen Worte dieses Gleichnisses erinnern uns daran, dass das Gewand der Gnade, das Christus uns in der Taufe gegeben hat, sorgfältig bewahrt werden und nötigenfalls auch mal in die Reinigung gegeben werden muss.

In Fatima sagte die Gottesmutter vor hundert Jahren, ebenfalls streng, aber gleichzeitig so mütterlich: „Sie sollen Gott nicht beleidigen, der schon zu sehr beleidigt worden ist.“

Auch das ist die Botschaft von Fatima: das Rosenkranzgebet kann alle Probleme lösen, sowohl in gesellschaftlichen weltgeschichtlichen Zusammenhängen als auch in den Herzen der Menschen.

Um das zu bekräftigen, hat die Jungfrau Maria heute vor hundert Jahren ein gewaltiges Wunder gewirkt, das auch die damalige linksliberale Presse (z. B. O Seculo) erschüttert zur Kenntnis nahm und keineswegs den farbensprühenden ‚Tanz der Sonne‘ als umstritten bezeichnet hat.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.  Der Fe-Medienverlag hat einige ZENIT-Beiträge vom Autor als Buch mit dem Titel „Der Stein, den die Bauleute verwarfen“ herausgebracht.

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