Wie sich Katholiken in Notsituationen zu helfen wussten

Die Tradition der gelobten Tage – Wie sich Katholiken in Notsituationen zu helfen wussten

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Wussten Sie, wie die Oberammergauer Passionspiele entstanden sind? Und warum die Holzkirchener Katholiken eine 13 Meter lange “Kerze” bei ihrer Wallfahrt dabei haben? Beides geht auf ein jahrhundertealtes Gelübde zurück. Katholisch.de erklärt, was es damit auf sich hat.

Von Johannes B. Köhler Bonn – 08.09.2019

In Krisensituationen wissen sich Menschen häufig nicht mehr selbst zu helfen. “In der Not lernt man beten”, sagt bekanntlich auch der Volksmund. Und weil man annahm, dass Gott eher auf die Bitten der Menschen hört, wenn man ihm auch etwas anbietet oder um sich für die empfangene Gnade zu bedanken, wurden an vielen Orten besondere Feiern versprochen – oder sogar der Bau einer Kirche. Bis heute werden diese Gelübde vielerorts gehalten und feierlich begangen. Katholisch.de stellt eine kleine Auswahl vor.

“Der Verlobte Tag” in Flörsheim am Main

Als 1666 in Flörsheim die Pest zu wüten begann, gaben die Bürger der Stadt im hessischen Main-Taunus-Kreis das Gelöbnis, einmal im Jahr eine Prozession wie am Fronleichnamsfest zu begehen. Sie sollte zu Ehren der Pestheiligen Sebastian und Rochus stattfinden – wenn Gott sie von eben dieser Pest befreit. Auch wenn die Seuche noch einige Zeit wütete, haben sich die Flörsheimer bis zum heutigen Tag an das Gelübde gehalten: Am letzten Montag im August wird der Tag mit Gottesdiensten und Prozession begangen. Die Anwohner schmücken die Strassen, hunderte Gläubige sowie Vertreter der evangelischen Kirche und Politiker nehmen an den Feiern teil. Sie erfüllen so treu das Versprechen ihrer Vorfahren.

Die gelobte Marienkapelle in Geisenheim

Auch in anderen Krisenzeiten haben sich Menschen an Gott gewandt und ihm Versprechen gemacht: In Geisenheim im Rheingau wurde 1942, während des Zweiten Weltkrieges, gelobt: “Wenn unser Ort und seine Bevölkerung in diesem Krieg von grösseren Bombenschäden verschont bleibt, so werden wir eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes errichten.” So berichtet es heute zumindest der Verein “Freunde der Marienkapelle”. Ein Jahrzehnt nach Kriegsende wurde schliesslich mit dem Bau der Kapelle begonnen. Allerdings stoppte der Bischof den Bau der Kapelle kurze Zeit später, um stattdessen den Bau einer Kirche zu fordern. Die wurde bereits 1956 fertiggestellt. Heute soll diese Kirche jedoch abgerissen werden, weil sie das Bistum nicht mehr unterhalten könne, heisst es. Die “Freunde der Marienkirche” sorgen sich daher um den Erhalt der Kirche – und natürlich die Einhaltung des Gelübdes. Sie fordern darum jetzt den Bau einer neuen Marienkapelle.

Herxheimer “Brotweihe”

Dass es negative Auswirkungen haben kann, wenn ein Gelübde nicht erfüllt wird, berichtet die Legende aus Herxheim bei Landau/Pfalz. Dort wütete 1666 ebenfalls die Pest. Und so gelobten die Herxheimer, dass sie jedes Jahr auf ewige Zeiten nach der Ernte das Erstlingsbrot weihen lassen und einen Zweispänner-Wagen voll ins “Finsterloch” fahren, um das Brot dort an die Armen zu verteilen. Die Legende überliefert, dass es ein schweres Unwetter gegeben habe, als man sich einmal nicht an das Gelübde gehalten hat. Daraus haben die Herxheimer gelernt: Bis heute wird daher jährlich am Sonntag nach dem Laurentiustag (10. August) das Laurentius-Brot gesegnet und verteilt.

Oberammergauer Passionsspiele

Gottesdienste und Prozessionen kann jeder, haben sich wohl die Oberammergauer gedacht. Als die Pest das beschauliche Örtchen erreichte, beschlossen die Bürger ebenfalls ein Gelübde abzulegen: Sollten sie von der Seuche nicht mehr heimgesucht werden, würden sie alle zehn Jahre die Passion Jesu Christi aufführen. Ihr Versprechen haben die Oberammergauer bis heute gehalten. Entstanden sind die Oberammergauer Passionsspiele, die mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bekannt sind und viele Besucher anziehen. Dass Oberammergau die Spiele der Pest und einem alten Gelöbnis verdankt, scheint hingegen weniger bekannt.

Holzkirchener Kerzenwallfahrt

Weniger bekannt sein dürfte die Kerzenwallfahrt von Holzkirchen in Niederbayern. Deren genauer Beginn ist nicht ganz geklärt. Der Überlieferung zufolge gibt es sie jedoch seit über 500 Jahren. Der Borkenkäfer hatte damals die angrenzenden Wälder befallen. Eine Bedrohung, der die Holzkirchener, deren Existenzgrundlage die Wälder waren, nicht Herr werden konnten. Daher gelobten sie, zum Dank jedes Jahr den Stamm einer gerade gewachsenen Fichte mit rotem Wachs umwickelt zur Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt auf dem Bogenberg zu bringen. Zumindest dann, wenn auf die Fürsprache der Gottesmutter der Käfer absterbe. Die Holzkirchner wurden erhört. Sie halten sich bis heute an das Gelöbnis, indem sie die etwa 13 Meter lange “Kerze” in einer Fusswallfahrt Jahr für Jahr über 75 Kilometer hinauf auf den Bogenberg zum Gnadenbild tragen.

Sebastiani in der Marktgemeinde Oberschwarzach

Auch im unterfränkischen Oberschwarzach hält man an einer alten Tradition fest: 1611 legte man dort das Gelöbnis ab, den Festtag des heiligen Sebastian besonders zu feiern, wenn der Ort vom “Schwarzen Tod” verschont bleibt. Bis zu diesem Schwur hatte die Seuche viele Opfer gefordert. Danach nahmen die Todesfälle bis zum Feiertag des heiligen Sebastian (20. Januar) ab – bis es schliesslich keine weiteren Pesttoten mehr gab. Den “Sebastianitag” begeht seitdem das ganze Dorf. Besonders hervorzuheben ist die “Bürgerwehr”, die in Gehrock und Zylinder mit Hellebarden, Äxten, Holzgewehren und Säbeln bewaffnet an Gottesdienst und Zug zum Ehrenmal teilnimmt. Auch die anderen Vereine von Oberschwarzach sind mit Fahnenabordnungen vertreten.

Medebach: “Gelobtes Fest”

Wie wichtig den Bürgern eines Ortes eine solche gelobte Tradition bis heute sein kann, zeigt auch der Streit in Medebach im Hochsauerlandkreis. Dort wollte der am Ort ansässige Discounter am Tag des “Gelobten Festes” zunächst wie gewöhnlich öffnen. Doch der Widerstand der Bürgerschaft wurde zu gross – so dass der Laden schliesslich geschlossen blieb. Auch in Medebach hatten die Bürger 1636 das Gelübde eines Gottesdienstes und einer Prozession gemacht, wenn der Ort von weiterem Unheil während des Dreissigjährigen Krieges verschont würde. So wird bis heute am Samstag vor dem Johannistag (24.Juni) das “Gelobte Fest” gefeiert.

“Grosse Prozession” in Münster

Weitaus grösser als andere gelobte Prozessionen – so sagt schon der Name – ist die “Grosse Prozession” in Münster. Auch hier war die Stadt vom “Schwarzen Tod” bedroht und nach einem Stadtbrand 1382 legten die Gläubigen das Gelöbnis ab, jährlich eine Buss- und Bittprozession aller Pfarreien der Stadt zu begehen. Die Form hat sich seitdem allerdings mehrfach verändert. So wurde die Prozession in der Barockzeit zur triumphalen Sakramentsprozession. Besondere Bedeutung bekam die “Grosse Prozession” als Symbol des christlichen Glaubens unter anderem in der Zeit des Nationalsozialismus. Auch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es nochmal eine Änderung: Man feierte nun den Wortgottesdienst in den Stadtpfarrkirchen und zog dann in Prozession sternförmig zum Dom, wo gemeinsam die Eucharistie gefeiert wurde. Heute sind Statio und Messe wieder je eine eigene Feier. Ausserdem wurde die “Grosse Prozession” auf den Sonntag verlegt. Trotz dieser Veränderungen blieb man dem Gelübde stets treu.

Weppersdorfer Anna-Wallfahrt

Nicht nur der Mensch wurde von Seuchen bedroht, auch das Vieh – und damit die Lebensgrundlage der Menschen. Als im November 1742 Weppersdorf in Mittelfranken unter einer Viehseuche litt, sah man dies als Strafe Gottes. Die Bewohner des Dorfes flehten daher um Gnade. Als Dank für die Rettung und um weiteres Übel abzuwenden, legten auch sie ein Gelübde ab: Am Fest der heiligen Anna (26. Juli) werden seither – wie es 1743 vertraglich festgelegt wurde – Gottesdienst und Prozession feierlich begangen, um die heilige Anna zu ehren.

Peststeine und Säulen

Neben solchen bis heute stattfindenden Festen und Prozessionen, gibt es auch eine unzählige Anzahl an Peststeinen, Pestsäulen, Kreuzen oder Kapellen, die aufgrund eines Gelübdes errichtet wurden. Eine der bekanntesten in Deutschland ist die Mariensäule in München. Kurfürst Maximilian I. hatte während des Dreissigjährigen Krieges das Gelübde abgelegt, ein “gottgefälliges Werk” errichten zu lassen, falls München und Landshut vom Krieg verschont blieben. Und da beide Städte wie durch ein Wunder vor der Zerstörung bewahrt wurden, liess er die Säule zu Ehren Mariens, der Schutzfrau Bayerns in München erbauen.

Von Johannes B. Köhler

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