Sehnsucht nach Gott – Eine synodale Fantasie

‘Ich glaube an Gott, aber ich bedauere sehr, dass von Ihm in Seiner Kirche so selten die Rede ist’

Quelle

Von Thorsten Paprotny, 29. Januar 2020

“Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.” Ein erstaunlicher Satz, finden Sie nicht auch? Mit diesen Worten beginnt der britische Agnostiker Julian Barnes sein Buch “Nichts, was man fürchten müsste”. Ein Buch über Fragen, die sich weder leicht beantworten noch leicht oder auf Dauer umgehen lassen.

Anders als Julian Barnes möchte ich sagen: Ich glaube an Gott, aber ich bedauere sehr, dass von Ihm in Seiner Kirche so selten die Rede ist. Die Frage nach Gott bewegt so viel mehr Menschen, als wir zumeist ahnen oder denken. Die Frage nach Gott bewegt auch mehr Menschen als jedes Nachdenken über die “DNA der Kirche” oder die Priesterweihe für alle.

Zugleich versetzt die Frage Menschen in Bewegung – von den Weisen aus dem Morgenland namens Kasper, Balthasar und Melchior bis heute. Sichtbar wird dies auf eine gute, positive Weise im Augsburger Gebetshaus, auf dem Altöttinger Kongress “Adoratio”, bei “Nightfever” oder auf den Weltjugendtagen. Unsichtbar ist die Frage nach Gott gegenwärtig in den Herzen der Menschen. Das gilt auch, scheint mir, für jene, die sich von der Kirche entfremdet haben oder denen die Kirche immer fremd gewesen ist. Dazu gehören jene Menschen, die Julian Barnes zustimmen. Sie warten nicht darauf, als Experten für religiöse Orientierungssuche oder agnostische Ratlosigkeit in Gesprächsrunden eingeladen zu werden. Sie geben auch keine Interviews, sie tragen keine Banner durch die Strassen, und sie haben keine Reformagenda. Sie warten nicht auf die Modernisierung oder Kernsanierung der Kirche. Aber sie klopfen vielleicht unsicher, scheu, zaghaft und auch vergeblich an manche Kirchentür an.

Die Frage nach Gott ist mehr als eine irgendeine Frage – sie trägt die Farben der Sehnsucht, die über alle Horizonte dieser Welt hinausreicht. Noch immer finden wir den lebendigen Gott nicht bei Google, aber Er ist gegenwärtig im Allerheiligsten Sakrament des Altares.

Papst Franziskus sprach bei der Verleihung des Karlspreises am 6. Mai 2016 vom alten, müden Europa. Aber er erinnerte auch an die Hoffnung: “Am Wiederaufblühen eines zwar müden, aber immer noch an Energien und Kapazitäten reichen Europas kann und soll die Kirche mitwirken. Ihre Aufgabe fällt mit ihrer Mission zusammen, der Verkündigung des Evangeliums. Diese zeigt sich heute mehr denn je vor allem dahin, dass wir dem Menschen mit seinen Verletzungen entgegenkommen, indem wir ihm die starke und zugleich schlichte Gegenwart Christi bringen, seine tröstende und ermutigende Barmherzigkeit. Gott möchte unter den Menschen wohnen, aber das kann er nur mit Männern und Frauen erreichen, die – wie einst die grossen Glaubensboten des Kontinents – von ihm angerührt sind und das Evangelium leben, ohne nach etwas anderem zu suchen. Nur eine Kirche, die reich an Zeugen ist, vermag von neuem das reine Wasser des Evangeliums auf die Wurzeln Europas zu geben. … Ich träume von einem Europa, wo die jungen Menschen die reine Luft der Ehrlichkeit atmen, wo sie die Schönheit der Kultur und eines einfachen Lebens lieben, die nicht von den endlosen Bedürfnissen des Konsumismus beschmutzt ist; wo das Heiraten und der Kinderwunsch eine Verantwortung wie eine grosse Freude sind und kein Problem darstellen, weil es an einer hinreichend stabilen Arbeit fehlt.”

Die Hoffnung vieler junger Menschen, die sich zu Christus bekennen oder bekennen möchten, ist Gebet. Manchmal ist in die Suchbewegung schon mehr eingezeichnet, als die Suchenden selbst ahnen. Viele glauben nicht oder noch nicht an Gott, aber sie vermissen ihn. Es ist oft nicht mehr als ein vorsichtiges, tastendes, unsicheres Stammeln und doch so viel mehr, so viel wertvoller als jeder Sitzungsmarathon über Strukturreformen und als jede aufgeregte Talkshow über Themen, die das Lehramt der Kirche längst verbindlich geklärt hat. Wissen wir nicht nur zu gut, dass grosse Reformprogramme weder belebend wirken noch eine neue Frische, eine neue Freude am Glauben schenken? Wünschen wir uns nicht wirklich Begegnung, Austausch und Kommunikation über sowie Beziehung zu Gott? Kaum jemand aber wünscht sich den zehrenden Kräfteverschleiss von endlosen Sitzungen.

Die Katechese des Alltags beginnt beim Kaffeetrinken, beiläufig, wie nebenher. Redlich bemühen sich die Akteure des “Synodalen Weges” zu erklären, auf die Nachfrage von Journalisten hin, wie und auf welche Weise der Wunsch des Papstes nach “Neuevangelisierung” sich in den in dieser Woche beginnenden Gesprächsforen widerspiegelt. Ratlosigkeit oder Skepsis können sie nicht zerstreuen.

Papst Benedikt XVI. sagte am 20. August auf dem Weltjugendtag in Madrid. Mit diesen Worten berührte er die Herzen derer, die sich zur Gebetsvigil versammelt hatten: “Ja, liebe Freunde, Gott liebt uns. Das ist die grosse Wahrheit unseres Lebens, die allem anderen Sinn gibt. Wir sind nicht ein Ergebnis von Zufälligkeit oder Irrationalität, sondern am Anfang unserer Existenz gibt es einen Liebesplan Gottes. In seiner Liebe zu bleiben bedeutet dann, im Glauben verwurzelt zu leben, weil der Glaube nicht das bloße Annehmen einiger abstrakter Wahrheiten, sondern eine innige Beziehung zu Christus ist, die uns diesem Geheimnis der Liebe unser Herz öffnen lässt und als Menschen leben lässt, die sich von Gott geliebt wissen. Wenn ihr in der Liebe Christi, im Glauben verwurzelt bleibt, werdet ihr auch inmitten von Widrigkeiten und Leiden die Quelle für Freude und Heiterkeit finden. Der Glaube steht euren höchsten Idealen nicht entgegen, im Gegenteil, er steigert und vervollkommnet sie. Liebe junge Freunde, richtet euch nicht nach etwas Geringerem als nach der Wahrheit und der Liebe aus, richtet euch nur nach Christus aus. … Liebe Freunde, keine Widrigkeit möge euch lähmen. Habt keine Angst vor der Welt, noch vor der Zukunft oder vor eurer Schwachheit. Der Herr hat euch geschenkt, in diesem Augenblick der Geschichte zu leben, damit dank eures Glaubens sein Name weiter in der Welt erklingt. … Deshalb lade ich euch ein, jetzt bei der Anbetung Christi dazubleiben, der in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist – das Gespräch mit ihm aufzunehmen, eure Fragen an ihn zu richten und auf ihn zu hören. Liebe Freunde, ich bete mit ganzem Herzen für euch. Ich bitte euch, auch für mich zu beten. Bitten wir den Herrn in dieser Nacht, dass wir, von der Schönheit seiner Liebe angezogen, immer treu als seine Jünger leben können.”

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