7. Jahrestag Bischofweihe – Bischof Dr. Rudolf Voderholzer
Bischof Dr. Rudolf Voderholzer – Predigt bei der Pontifikalvesper im Hohen Dom zu Regensburg am 26. Januar 2020 anl. des siebten Jahrestages seiner Bischofsweihe
Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst,
lieber Abt Wolfgang von Metten,
liebe Frau Äbtissin Petra von Seligenthal,
ehrwürdige Schwestern,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der kirchlichen Vereine und Verbände, die Sie mit Ihren Fahnen und Bannern gekommen sind, liebe Schwestern und Brüder aus den Pfarreien der zu ehrenden Priester,liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Ich danke Ihnen von Herzen für die grosse Gebetsgemeinschaft, in der Sie den Jahrestag meiner Bischofsweihe hier begleiten und in der Sie mir helfen, meinen Dienst als Bischof in Treue zu meinem Weiheversprechen zu erfüllen.
Auf den Tag genau vor sieben Jahren bin ich hier im Dom – bei noch etwas niedrigeren Temperaturen – vom Erzbischof von München und Freising zum Bischof geweiht worden.
Bevor mich der Metropolit unserer Kirchenprovinz durch Gebet und Handauflegung hineinstellte in die Apostelnachfolge, bevor er mir die Mitra aufsetzte, in die ich dann noch hineinwachsen musste, bevor er mir den Bischofsring, den Ring der Treue ansteckte, fragte er mich nach meiner Bereitschaft, diesen Dienst zu übernehmen.
„Bist Du bereit“, so fragte er mich, „das Evangelium Christi treu und unermüdlich zu verkünden?“
„Bist Du bereit“, so wurde ich weiter gefragt, „das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben?“
Und ich habe jeweils geantwortet mit: „Ich bin bereit.“
Ich bin in den letzten Tagen und Wochen von vielen Leuten angesprochen oder auch angeschrieben worden, von vielen auch einfachen Gläubigen, die in der Kirche beheimatet sind, die mir signalisiert haben: Bleiben Sie Ihrem Weiheversprechen treu! Ich möchte Ihnen allen heute zurufen: Ich weiss, was ich versprochen habe! Sie können sich auf mich verlassen.
Der Jahrestag der Weihe ist für mich jedes Jahr eine besondere Gelegenheit, mir selber Rechenschaft zu geben, einen Schritt gleichsam zurückzutreten und zu fragen, was der Augenblick, was die Zeichen der Zeit von mir erfordern.
Sie wissen, dass ich von dieser Stelle aus vor fünf Jahren den Anstoss gab zu einer noch ernsthafteren Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, besonders bei den Domspatzen, aber auch in den anderen Institutionen.
Ich hatte durch etliche persönliche Gespräche noch einmal ganz neu die Opferperspektive einzunehmen gelernt. Mit unserem Aufarbeitungsmodell konnten wir in enger Kooperation mit den Betroffenen einen guten Weg miteinander gehen. Ich bin gerade auch den Opfern für ihre Bereitschaft dankbar, sich zu öffnen und diesen Weg mitzugehen, so dass uns heute von Herrn Matthias Katsch, dem Vertreter des „Eckigen Tisches“, und von Herrn Johannes-Wilhelm Rörig, dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, attestiert wird, ein Leuchtturm zu sein in der Aufarbeitungslandschaft Deutschlands.
Die grösste Herausforderung, vor der ich unser Bistum stehen sehe in den nächsten Jahren, hat Papst Franziskus in seinem Schreiben an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland ungeschminkt beim Namen genannt.
Es ist der Rückgang der gelebten Glaubenspraxis, die schwindende Kenntnis der Botschaft der Bibel, der Rückgang auch des Gebetes, vor allem der Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier.
Ich weiss um die Not vieler Eltern, denen es ein grosser Schmerz ist, dass es nicht gelingen will, den Glauben, der ihnen selbst Halt gibt, der für ihr eigenes Leben wichtig ist, auch in den Herzen der jungen Generation zu entflammen, der jungen Menschen, denen sie doch nicht nur eine gesicherte materielle Zukunft, sondern auch eine geistig-geistliche Basis mitgeben wollen.
Ich sehe das als Bischof, und Sie alle sollen wissen, dass mir das bewusst ist und dass ich Ihre Sorgen teile!
Ich weiss auch, dass manche einen Ausweg darin sehen und erhoffen, dass die katholische Kirche Elemente ihres Profils, vor allem die sakramentale Struktur des geistlichen Amtes und ihr Menschenbild, ihre Sicht des Miteinanders von Mann und Frau den Auffassungen anpasst, die in der Gesellschaft heute von einer Mehrheit, wie es scheint, vertreten werden.
Nur, liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Ich kann nicht glauben, dass dies zum Ziel führt, dass dies eine lebendigere Kirche, eine innigere Glaubenspraxis, eine tiefere Liebe zu Jesus zur Folge hätte. Wir können den Ausgang dieses Experimentes doch überprüfen. Ein Blick auf die Situation anderer kirchlicher Gemeinschaften zeigt uns, dass die Ursachen tiefer liegen, und dass wir viel tiefer ansetzen müssen.
Das Beispiel Jesu selbst lehrt uns, dass auch er, der glaubwürdigste Verkünder überhaupt, die Erfahrung machen musste, abgelehnt und gemieden zu werden! Nach der eucharistischen Rede, so wird es uns im 6. Kapitel des Johannesevangeliums geschildert, gehen viele, die im gefolgt waren, weg, weil sie sagen: Seine Lehre ist unerträglich! Jesus aber läuft ihnen nicht nach. Seine Jünger fragt vielmehr: Wollt auch Ihr gehen? Und Petrus, wie immer, antwortet für alle: „Herr, wohin sollen wir denn gehen? Du hast Worte ewigen Lebens!“ (Joh 6,68)
Ich bin überzeugt davon, dass uns nur der Weg intensiver Evangelisierung weiterbringt. Dies ist auch der Weg, den Papst Franziskus uns rät. Das Wesen der Kirche ist Evangelisierung. Kirche und jeder und jede einzelne in ihr hat nicht nur eine Mission, sondern ist wesenhaft Mission.
Wir haben in der Kirche in Deutschland seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Tendenz, dass es oft nur um innerkirchliche Fragen geht. Wir kreisen um uns selbst. Die Würzburger Synode in den 1970-er Jahren hat diese Tendenz noch verstärkt. Symptomatisch für diese Haltung ist die Tatsache, dass es bei der Rede von der Berufung der Laien in unseren gegenwärtigen Debatten ausschliesslich um die Frage der Partizipation, der Mitwirkung am Dienst der Bischöfe und Priester geht.
Joseph Ratzinger hat noch als Theologieprofessor in einem Vortrag am Vorabend der Würzburger Synode folgendes gesagt, und ich darf diesen Jahrhundertheologen zitieren:
„Unter Theologie des Laien versteht man heute immer mehr den Kampf um eine neue Form des kirchlichen Amtes, was doch wohl ein Widerspruch in sich selber ist. Denn der Laie ist entweder Laie oder er ist es nicht. Eine Theologie des Laikats, die als Kampf um den Proporz in der Kirchenregierung ausgetragen wird, ist eine Karikatur ihrer selbst und bleibt es, auch wenn dieses Missverständnis mit dem Begriff eines synodalen Kirchenregiments kaschiert wird. Und leider ist dies ja nicht nur ein Fehlgriff der Theorie, sondern eine Fehlleitung der Kräfte in der Kirche und ein Versagen gegenüber ihrem Auftrag: Wo Theologie zur Theorie der Kirchenpolitik und zum Kampf um die Anteile am Kirchenregiment wird, geht die Stosskraft nur nach innen. Die Kirche beschäftigt sich nur noch mit sich selbst und verbraucht sich dabei selbst. Die Kraft, die ihr eigentlich gegeben ist um zu dienen, um für andere da zu sein, verwendet sie auf den Streit über das Herrschen und um sich selbst in Bewegung zu halten. Aber Kirche, die sich recht versteht und sich recht lebt, schaut nicht auf sich selbst, sondern geht von sich fort und wirkt für die andern.“ (Joseph Ratzinger, Die anthropologischen Grundlagen der Bruderliebe [1970], in: JRGS 8, 111 f.)
Soweit der spätere Papst Benedikt, wohl gemerkt schon 1970.
Ich vermisse in den gegenwärtigen Debatten das, was das Zweite Vatikanische Konzil als den Kernpunkt der Berufung der Frauen und Männer benennt, die durch Taufe und Firmung mit dem Heiligen Geist beschenkt und in die Kirche eingegliedert sind: den „Weltcharakter“, die Berufung zum Weltdienst; das Evangelium hineinzutragen in die Politik und Wirtschaft, in Kunst, Wissenschaft und Kultur usw. Überall dort kann es doch gar nicht genug Frauen und Männer geben, die aus dem Glauben heraus wirken als Salz und Sauerteig.
Und so möchte ich, bestärkt auch von Papst Franziskus, Sie alle herzlich bitten, die Bemühungen um Evangelisierung in den Pfarreien, in den Gemeinschaften, im Schulunterricht und wo immer sich das kirchliche Leben vollzieht, zu intensivieren.
Erster Schritt ist immer die Selbstevangelisierung, die mit der Frage beginnen muss:
Wo ist meine Liebe zu Christus und zur Weitergabe seines Wortes, seiner Barmherzigkeit erkaltet?
Wo muss ich bei mir anfangen mit einem innigeren Gebet, mit treuerer Anbetung, mit Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift, mit religiöser Fortbildung, Lektüre, geistiger Auseinandersetzung? Nur was in mir brennt, kann auf andere überspringen.
Wir haben im Bistum Msgr. Thomas Schmid beauftragt, alle Initiativen, alle Ideen, alle Schritte hin zur Evangelisierung zu sichten und zu koordinieren und dann auch, subsidiär, zu unterstützen.
Es erfüllt mich mit grosser Freude zu sehen, wie vielerorts ja auch bereits Initiativen aufblühen, von Bibelkreisen angefangen, über Alpha-Kurse, Glaubenskurse, Exerzitien im Alltag, Gebetskreise, Hausgottesdienste und vieles mehr, Initiativen, die zuallermeist auch einmünden in ein sozial-caritatives Engagement und davon begleitet werden. Ich halte es deshalb gar nicht für nötig, im Bistum irgendetwas zu vereinheitlichen oder etwas vorzugeben.
Ich wünsche mir nur, dass jede Gemeinschaft, jede Pfarrei, jede Ebene sozusagen sich fragt:
Wie, auf welche Weise, könnten wir das grosse Anliegen der Verlebendigung des Glaubens, der Weitergabe des Feuers des Evangeliums, aufgreifen? Natürlich sollen auch schon die Sakramentenvorbereitung in den Pfarreien, die Katechese, der Religionsunterricht und auch die Jugendarbeit dem Ziel der Evangelisierung dienen. Dies alles gewissenhaft und mit Leidenschaft vorbereitet und durchgeführt ist ein wichtiger Beitrag, und den will ich nicht verkennen. Mir ist nur wichtig, dass sich alle fragen und mit geistlicher Phantasie überlegen, wo noch ein weiterer Schritt gegangen werden kann.
Liebe Schwestern und Brüder! Wir sind als Kirche nicht eine politische Organisation, nicht der Dachverband von Interessensvertretungen von Priestern und Laien. Wir sind ein Organismus, eine Familie, wo es Vater und Mutter gibt, nicht-funktionale Aufgaben, Ämter und Berufungen, die sich ergänzen.
Und so ist es mir eine ganz große Freude, heute an meinem Weihetag wiederum verdiente Priester und Laien, ich sage aus den oben genannten Gründen lieber „Weltchristen“, wie Sie wissen, für ihr Wirken im Bistum zu ehren. Ich grüße Sie schon hier im Dom, bevor wir dann nachher im Kolpinghaus die Ehrungen im Einzelnen vornehmen. Ich
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grüße auch die Schwestern und Brüder aus den Pfarrgemeinden der zu ehrenden Priester, stellvertretend die Frauen und Männer aus Dingolfing und Thalmassing, aber auch die Krippenfreunde, die zum Teil von weither gekommen sind, um Pfarrer Martlreiter zu begleiten.
Die Priester und die Weltchristen, die ich heute ehren darf, stehen dabei stellvertretend für viele andere, für deren Dienst, für deren Engagement ich nur von Herzen dankbar sein kann.
Ein besonderes Wort des Grußes und des Dankes aber richte ich an die Thalmassinger! Liebe Schwestern und Brüder, wir haben im vergangenen Sommer eine für uns alle schwierige Situation durchmachen müssen. Sie aber haben besonnen und wahrhaft geistlich reagiert, indem Sie von öffentlichem Protest abgelassen und stattdessen zum Gebet aufgerufen haben! Sie sind es denn auch, die Sie Ihren Pfarrer zum Monsignore ernannt haben. Der Bischof hat den Antrag gestellt, Rom hat unterschrieben, aber Ihr Zeugnis, Ihr Zusammenhalten war entscheidend. Danke für dieses bewegende Zeugnis des Vertrauens.
Halten wir zusammen, und bitten wir um Gottes Geist, dass es gelingt, das große Geschenk des Glaubens, das uns anvertraut ist, weiterzugeben. Heiliger Petrus, Patron unserer Domkirche, Heiliger Wolfgang, Patron des Bistums, und heilige Gottesmutter Maria, Vorbild und Urbild der Kirche, bittet für uns!
Amen.
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