Benedikt XVI. – Sinn und die Schönheit des Zölibats

“Christus erlaubt es uns, sein »Ich« zu benutzen, wir sprechen im »Ich« Christi, Christus zieht uns in sich hinein und erlaubt uns die Vereinigung mit ihm, er vereint uns mit seinem »Ich«

Quelle
Lasst euch nicht verwirren
Jahr des geweihten Lebens (30)
Zölibat

Von Thorsten Paprotny, 31. Oktober 2019

Weltliche Lösungsversuche und -strategien finden wir zuhauf. Auf den ersten Blick erscheinen sie plausibel und überzeugend zu sein. Die Skepsis wächst, sofern länger darüber nachgedacht wird. Über den Diakonat der Frau wird ebenso neu nachgedacht werden wie über die Zulassung von “viri probati” zum Empfang des Sakraments der Priesterweihe. Die Synodenväter waren sich uneinig. Die Voten spiegeln dies anschaulich wider. Warum eigentlich schätzen so viele Katholiken überall auf der Welt, Kleriker wie Weltchristen, den Zölibat so ausserordentlich?

Es könnte helfen, an Worte Papst Benedikts – adressiert an einen jungen Priester, aber auch insgesamt an die Weltkirche gerichtet – über den Zölibat zu erinnern.

Am 10. Juni 2010 antwortete der Papst auf Fragen von Priestern im Rahmen eines “Internationalen Treffens” im Priesterjahr: “Christus erlaubt es uns, sein »Ich« zu benutzen, wir sprechen im »Ich« Christi, Christus zieht uns in sich hinein und erlaubt uns die Vereinigung mit ihm, er vereint uns mit seinem »Ich«. Und so, durch sein Handeln, durch diese Tatsache, dass er uns in sich »hineinzieht«, so dass unser »Ich« mit seinem »Ich« vereint wird, verwirklicht er das Andauern, die Einzigartigkeit seines Priestertums; so ist er wahrhaft immer der einzige Priester, und dennoch sehr gegenwärtig in der Welt, weil er uns in sich hineinzieht und so seine priesterliche Sendung gegenwärtig macht. Das bedeutet, dass wir in den Gott Jesu Christi »hineingezogen« werden: Es ist diese Einheit mit seinem »Ich«, die in den Worten der Wandlung Wirklichkeit wird. Auch im »Ich spreche dich los« – denn keiner von uns könnte von Sünden lossprechen – ist es das »Ich« Christi, Gottes, das allein die Lossprechung erteilen kann. Diese Vereinigung seines »Ichs« mit dem unseren beinhaltet, dass wir auch in seine Wirklichkeit als Auferstandener »hineingezogen« werden, dass wir vorangehen auf das volle Leben der Auferstehung zu, von dem Jesus im 22. Kapitel des Matthäusevangeliums zu den Sadduzäern spricht: es ist ein »neues« Leben, in dem es keine Ehe mehr gibt (vgl. Mt 22,23–23).”

Zu allen Zeiten hat die zölibatäre Lebensweise des Priesters Anstoss erregt. Oder sollte diese Regel, die auch auf die Lebensform Jesu Christi zurückgeht, aus sogenannten pastoralen Gründen heute relativiert, aufgehoben oder ergänzt werden?

Benedikt XVI. hat sich klar geäussert: “Es ist wichtig, dass wir uns immer von neuem von dieser Identifikation des »Ichs« Christi mit uns durchdringen lassen, von diesem »Hinausgezogen werden« in die Welt der Auferstehung. In dieser Hinsicht ist der Zölibat eine Vorwegnahme. Wir übersteigen diese Zeit und gehen weiter, und so »ziehen« wir uns selbst und unsere Zeit auf die Welt der Auferstehung hin, auf die Neuheit Christi, das neue und wahre Leben zu. Das heisst, der Zölibat ist eine Vorwegnahme, die möglich wird durch die Gnade des Herrn, der uns zu sich »zieht«, zur Welt der Auferstehung hin; er lädt uns immer von neuem ein, uns selbst zu übersteigen, diese Gegenwart, hin auf die wahre Gegenwart der Zukunft, die heute Gegenwart wird. Und hier sind wir an einem sehr wichtigen Punkt angelangt. Ein grosses Problem des Christentums der heutigen Welt ist, dass man nicht mehr an die Zukunft Gottes denkt: die blosse Gegenwart dieser Welt scheint ausreichend zu sein. Wir wollen nur diese Welt haben, nur in dieser Welt leben. So schliessen wir die Tür für die wahre Grösse unseres Lebens. Der Sinn des Zölibats als Vorwegnahme der Zukunft ist gerade das Öffnen dieser Türen, die Welt grösser werden zu lassen, die Wirklichkeit der Zukunft zu zeigen, die von uns schon jetzt als Gegenwart gelebt werden muss. So leben wir im Zeugnis des Glaubens: Wir glauben wirklich, dass es Gott gibt, dass Gott in meinem Leben eine Rolle spielt, dass ich mein Leben auf Christus bauen kann, auf das zukünftige Leben.”

Der Zölibat erregt Anstoss in einer “Welt, in der Gott keine Rolle spielt”, besonders weil der Zölibat deutlich mache, dass Gott die bestimmende Wirklichkeit sei: “Mit dem eschatologischen Leben des Zölibats tritt die zukünftige Welt Gottes in die Wirklichkeiten unserer Zeit. Und das soll beseitigt werden! … Der Zölibat ist ein endgültiges »Ja«, ein sich von den Händen Gottes Ergreifenlassen, ein sich in die Hände Gottes, in sein »Ich« Hineinlegen, das heisst es ist ein Akt der Treue und des Vertrauens, ein Akt, der auch Voraussetzung ist für die Treue in der Ehe. … Es ist das endgültige »Ja«, das das endgültige »Ja« der Ehe voraussetzt und bestätigt. Und diese Ehe ist die biblische Form, die natürliche Form des Mann- und Frau-Seins, die Grundlage der grossen christlichen Kultur und grosser Kulturen der Welt. Und wenn das verschwindet, wird die Wurzel unserer Kultur zerstört. Deshalb bestätigt der Zölibat das »Ja« der Ehe mit seinem »Ja« zur zukünftigen Welt, und so wollen wir weitergehen und diesen Anstoss eines Glaubens gegenwärtig machen, der sein ganzes Leben auf Gott setzt.”

Ein verpflichtendes “Ja-Wort” erregt heute Ärgernis. Es ist ein Zeichen des Widerspruchs. Das gilt für das “Ja-Wort” des Priesters nicht weniger als für das “Ja-Wort” in der Ehe. Anstoss erregt heute auch, sich als einfach gläubiger Christ treu zum Glauben der Kirche aller Zeiten und Orte zu bekennen – wer Anstoss erregt, gibt vielleicht auch Denkanstösse. Benedikts Überlegungen zum Zölibat vom 10. Juni 2010 mögen gerade heute Stoff und Anregungen zum Nachdenken bieten.

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