Ein Gegenpol zum Bürgerkrieg
Die Gebete der Karmelitinnen aus Charkow in der Ukraine – Ein Gegenpol zum Bürgerkrieg
Quelle
500 Jahre Teresa von Avila
Von Hans Jakob Bürger, 17. Februar 2018
Im Westen steht der Bruderkrieg in der Ukraine nicht auf der Tagesordnung. Er ist uns offenbar nicht wichtig, auch wenn das Drama dieses Krieges weiter geht. Es sind aber nicht nur die kriegerischen Kämpfe, die dieses Drama immer wieder anheizen. Lüge und Korruption sind besonders rücksichtslos und sammeln sich ständig neue Opfer unter unschuldigen Menschen. Demoralisierung breitet sich aus, – nicht nur in der Ukraine. Während ich diese Sätze schreibe, tue ich nichts gegen das endlose Leid der Menschen. Die alltägliche Sündhaftigkeit, hinter der die bösen Mächte der Finsternis lauern, steht zwar auch uns vor Augen; doch wollen wir sie sehen? Korruption und Rücksichtslosigkeit auf der einen Seite, auf der anderen Hilflosigkeit und Demoralisierung; hier wie da ständig neue Opfer.
Der Karmel von Charkow – der offizielle Name der ukrainischen Stadt ist Charkiw, im Westen verwendet wird auch Kharkiv und Kharkov, im deutschen Sprachraum ist jedoch Charkow die geläufigste Bezeichnung – geht auf das Jahr 1995 zurück. Papst Johannes Paul II. setzte sich dafür ein. Gegenwärtig leben, sühnen und beten in dem Karmelitinnen-Kloster elf Nonnen aus der Ukraine, aus Polen und der Slowakei.
Dieses Karmel-Kloster liegt unweit der russisch-ukrainischen Grenze. Es handelt sich um das einzige kontemplative Kloster in der Diözese Charkow und Saporischschja, das vom Kriegsdrama im Osten der Ukraine betroffen ist. Im Oktober 2017, 100 Jahre nach der Oktoberrevolution, die Europa, besonders aber den europäischen Osten umwälzte, gewinnt die Anwesenheit eines Karmel in Charkow eine besondere Bedeutung. Obwohl sie durch die Klausur von der Welt getrennt sind, vergessen die Nonnen in ihrer Abgeschiedenheit nicht, was um sie herum geschieht. Sie beten hier ständig um Frieden. Das sei jetzt ihre Mission, sagt die Priorin Schwester Anna Maria vom Heiligen Geist.
“Wir beten in erster Linie für den Frieden in der Ukraine. Weil Gott uns erlaubt, gerade jetzt, im Krieg, hier zu sein, nehmen wir alles an, wie schwierig und schmerzhaft es auch sein mag. Viele Menschen kommen zu uns und bitten um unser Gebet. Frauen bitten um Gebete für ihre Ehemännern, und Kinder für die Rückkehr ihrer Väter. So beten wir Tag und Nacht, damit sie alle eine Chance haben, heil aus dem Krieg zurückzukommen.
Wir bringen alles ständig vor Gott und bitten um seine Gnade. Wir beten auch, dass die Gnade Gottes die Herzen derer berührt, die für diese Situation verantwortlich sind. Der Krieg, der draussen stattfindet, beginnt tief im menschlichen Herzen. Wir beten für den Frieden der menschlichen Herzen. Jetzt in besonderer Weise den Herzen der Ukrainer, für all jene Menschen die in diesem Land leben; für eine wirkliche Lösung dieses Konflikts.”
Eine der Karmelitinnen aus Charkow notiert an einem Winterabend ihre Gedanken.
Sie sass in ihrer Klosterzelle und blickte in die eisige Kälte draussen und beobachtete die dicken Schneeflocken, die wie funkelnde Sterne vom Himmel fielen. In der Ferne sah sie die flackernden Lichter der Stadt Charkow. Tiefe Stille durchdrang die Gegenwart Gottes. Die Schwester fühlte sich in dieser Stunde ganz nahe bei Maria, ihrer geliebten Mutter.
Sie dachte an die Berichte über den Krieg, an die vielen Bitten um ihre Gebete. Sie hatte die Gesichter der weinenden Frauen in der Klosterkapelle vor Augen. Sie dachte an die Soldaten an der Front und an die vielen Obdachlosen, von denen es immer mehr würden: Ob sie alle in diesem eisigen Winter warme Kleidung und etwas zu essen hatten?
Die Karmelitin sammelt ihre Gedanken wie schmerzhafte Krümel in das Brot ihres Gebetes und opfere sie dem Herrn auf. Sie bittet ihn um ein Wunder, um Veränderung; sie fleht mit Maria, der Mutter allen Trostes, sie betet mit Maria, der Trösterin der Betrübten. Und sie fragt sich gerade jetzt, in dieser Nacht und nach vielen Jahren ihres Lebens hinter den Gittern des Karmel, was die Qualität ihrer Existenz vor Gott ausmache. Wer und was wird Bestand haben?
Und sie betet:
Ich glaube, dass das Licht nicht in der Dunkelheit verlischt. Ich hoffe, dass Dein Blut, Jesus, uns retten wird, auf dass in der Ukraine alle Herzen dafür schlagen und rufen und bitten um Gnade, damit die Vernunft siegt – auch in mir selbst! Oh, wie sehr muss ich mich demütigen, damit ich Deinen Segen empfange, mein Gott, Dich zu lieben und Dein Herz, das für jedes Übel beschuldigt und vernachlässigt wird; ich bitte um Gnade. Ich verbinde mich mit Dir, o mein Jesus, und ich rufe zu Dir: “Vater, vergib uns, denn wir wissen nicht, was wir tun”.
– Marias Unbeflecktes Herz, sei unser Heil. Ich bitte Dich, Jesus, mein Geliebter, mit meinem Gebet – hilf uns!
Karmel Charkow – https://www.karmel.pl/pokotylivka/
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