Es gehören zwei zu einer Begegnung….
Es gehören zwei zu einer Begegnung, zwei zu einem Dialog – Fremdes und der Fremde bei Franziskus
Quelle
Der Sultan und der Heilige
Schöpfung: Wer staunt, fängt an zu glauben
Wie geht Franziskus mit “Fremden” um?
Wenig deutet im jungen Kaufmann darauf hin, dass er sich in Rundschreiben als „Bruder an alle Menschen“ wenden wird. Franziskus stammte aus einer kleinräumigen Stadt, die sich sozial und politisch abgrenzte. Innerhalb der Mauern bekämpften sich Adel und Bürger. Obdachlos nächtigten Arme und Bettlerinnen in engen Gassen, und vor den Mauern kämpften Entwurzelte ums Überleben, die in der aufstrebenden Kleinstadt nicht Fuss fassten. Die Landbevölkerung blieb unterdrückt: leibeigene Bauernfamilien unter dem Joch des Adels oder der zwölf benediktinischen Klöster im Umfeld Assisis. Nannte jemand Franziskus „rusticus“, wenn sein Reden oder Tun „bäuerlich“ wirkte, beleidigte er den ehrgeizigen Mann. Eine krumme Bettlerin weckte in ihm Albträume. Einen Bettler, der die Kundinnen der Bernardones störte, warf er aus dem Modegeschäft. Franziskus bewegte sich jahrelang in der engen Welt seiner privilegierten Familie, der führenden Zunft und einer zerstrittenen Kleinstadt.
Im Handelshaus, das Luxusstoffe importierte, weitete der Juniorchef seine Horizonte. Er lernte Latein, die internationale Sprache, und Provenzalisch für die Handelskontakte mit Frankreich, das er wohl als junger Kaufmann mit seinem Vater bereiste. Die Quellen erzählen zudem von einer Wallfahrt nach Rom, wo sich Pilgernde aus ganz Europa tummelten. Im Orient lockte das Heilige Land, wohin damals Kreuzritter aus dem ganzen Abendland aufbrachen. Eine Kleinstadt mit sozial engen Mauern und ein Italien, das mitten im Mittelmeer weite Horizonte eröffnet, prägten den Bürgersohn.
Befremdendes
Dass Franziskus nicht ein egozentrischer Kaufmann blieb, verdankt er einer schmerzlichen Entfremdung. Seine geliebte Welt wurde ihm durch das Scheitern seiner Pläne fremd. Ein missratener Kriegszug, monatelange Kriegsgefangenschaft im feindlichen Perugia und eine bedrohliche Krankheit führten dazu, dass Franziskus seiner Zunft, Familie und Stadt fremd wurde. Nach Monaten geheilt, trieb der Kaufmann sich mit offenen Sinnfragen in Assisis Wäldern und Ebene herum. Er schaute von aussen auf das Treiben der Stadt und durchschaute die engen Kreise seines Lebens. Einst fremd und abstossend, zogen ihn nun die Milieus der Arbeiterschaft und der Bettler an. Selber nach Lebenssinn bettelnd, erfuhr er in der Begegnung mit Aussätzigen, dass sein „Herz erwachte“. Die Schlüsselerfahrung bereitete auf eine religiöse Überraschung vor: Gott Sohn selber zeigte sich ihm in San Damiano obdachlos und vergessen in einer Kirchenruine, ein Armer unter Randständigen vor den Stadtmauern.
Grenzüberschreitungen
Franziskus wechselte auf die Seite des armen Christus: Eben noch Festkönig, wurde der Modefachmann im Konflikt mit seinem Vater für verrückt gehalten und enterbt aus der Stadt verstossen. Eben noch Immobilienhändler, klopfte Franziskus mittellos bei Mönchen an. Diese behandelten ihre Küchenhilfe so übel, dass der Heimatlose nach Gubbio zog und dort im Aussätzigenhospital diente: namenlos mit den Ungeliebten in der fremden Stadt. Nach Monaten wagte er sich zurück zum armen Christus von San Damiano. Verachtete er als Städter noch das Ländlich-Bäuerliche, wurde die Welt vor den Stadtmauern nun sein Zuhause. Franziskus wurde Geschöpf unter Geschöpfen, ohne Mauern und Grenzen. Das exponierte Leben draussen tauchte ihn in eine Schöpfung, deren Schönheit er später im Sonnengesang preist. Obdachlos „wie die Vögel des Himmels “ teilte er brüderlich das Schicksal der Ausgeschlossenen.
In den zwei eremitischen Jahren bei San Damiano kehrte der Bettler nach Assisi zurück, wo er Brot und Steine erbat. Nicht nur praktische Not drängte ihn dazu, sondern die Liebe zum armen Christus: Franziskus folgte ihm, „der arm geboren ganz arm in dieser Welt lebte, nackt am Kreuz starb und in fremdem Grabe bestattet wurde“. Dessen Ikone öffnete zugleich neue Horizonte. Um den Auferstandenen zeigen sich Gefährtinnen und Gefährten in einem Kreis, der die ganze Menschheit im Blick hat: Ein Jude und ein Römer stehen für Israel und das Weltreich, für das ersterwählte Volk und die vielen Völker, die unter der Hand des einen himmlischen Vaters zur Familie werden.
Fremde werden einander Geschwister
San Damiano bereitete den Freund der Verstossenen auf ein neues Leben vor. Er fand seine Sendung in der nahen Portiunkula: wie die Apostel zu den Menschen zu gehen, Frieden zu stiften und Reich Gottes erfahrbar zu machen. Erste Gefährten schlossen sich an. Mit dem vornehmen Bernardo, dem Juristen Pietro und dem Handwerker Egidio entstand eine „fraternitas „, eine Bruderschaft, die alle sozialen Grenzen überwand. Bald stiessen auch Bauern und Ritter dazu. Getrennte Stände, Städter und Landleute, Mitbürger und Fremde lernten, einander und jedem Menschen Brüder zu werden.
Pilgernd in der Kirche
Im Mai 1209 erreichte Franziskus in Rom, dass Innozenz III. den Brüdern „den ganzen Erdkreis“ erschloss. Der Bruder weitete sein eigenes Wirken nun auf die ganze Welt aus: 1212 erlitt eine Syrienreise in der Adria Schiffbruch, 1214 brach er zu einer Friedensmission nach Marokko auf. Ein Dialog mit dem maurischen Oberherrscher, Emir Al-Mumenim, kam nicht zustande, da Franziskus in Spanien erkrankte. 1219 suchte er ein zweites Mal, Kreuzzüge zwischen Christen und Moslems zu untergraben. Dabei machte er in Ägypten eine überwältigende Erfahrung.
Feinde werden Freunde
Von den Kreuzrittern verspottet, entdeckte der Bruder im Lager des Sultans eine Religiosität, die ihn tief berührte. Zunächst fremde Formen, Gott in der Schrift, in 99 Namen und im Alltag zu verehren, bewegten Franziskus ab 1220, sich in Rundschreiben brüderlich an „alle Menschen, wo auch immer auf Erden“, zu richten. Die Brüder ermutigte er, friedfertig unter fremden Menschen zu leben und ihnen dienlich zu sein: Wer es tut, entdeckt nicht nur Gottesliebe in anderen Kulturen und Religionen, sondern erkennt auch, dass es keine Fremden gibt im Reich Gottes – und dass alle Grenzen, jede Ausgrenzung und Abgrenzung, Menschenwerk sind.
Franziskus’ Begegnung mit dem Islam fliesst in die Ordensregel von 1221 ein. Sie ermutigt „Brüder, von Gott inspiriert, unter Andersgläubige zu gehen“: Sie sollen da „unter ihnen vom Geist geleitet leben“ und „weder zanken noch streiten“, sondern „jedem Menschen um Gottes willen dienstbar sein“. Erst danach und nur „wenn sie sehen, dass es Gott gefällt“, sollen sie auch von ihrem Glauben sprechen. Die Ermutigung lässt sich in folgende Handlungsoptionen fassen:
Initiativ werden: Wer Schritte wagt und auf Fremde zugeht, macht gute Begegnungen möglich, die ihrerseits die Basis werden für gemeinsame Erfahrungen.
Ohne Eigeninteresse begegnen: Dabei sollen Brüder nicht missionarische oder andere Ziele verfolgen, sondern Gottes Inspiration folgen: dem Gott aller Menschen, dessen Geist öffnet und verbindet.
Am Verbindenden anknüpfen: Begegnung gelingt, wo Menschen den Frieden suchen: nicht das Trennende sehen, sondern das Verbindende entdecken und miteinander vertrauter werden.
Dem Fremden Gutes tun: Wer anderen und Fremden wohltuend begegnet, öffnet Augen und Herzen und bringt eine Dynamik in Gang, die auch in Jesu befreiendem Tun aufleuchtet (Pro-Existenz, Reich Gottes).
Missionarisch?
Erst wenn Brüder mit der Lebenssituation der Fremden vertraut sind, von ihnen als friedfertig und wohltuend erfahren werden und nur „wenn es Gott gefällt“ (inshallah), sollen auch Glaubenserfahrungen Thema sein und in einen Austausch auf spiritueller Ebene führen.
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