Vorsehung Gottes

Freude über die Vor­se­hung Got­tes

Quelle

Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Erschei­nung des Herrn Ver­sam­melte!

Das Fest der hei­li­gen drei Könige, wie wir es nen­nen, hat sich tief in unsere Her­zen ein­ge­gra­ben. Schon als Kin­der stan­den wir gern vor der Krippe und beob­ach­te­ten, wie die Könige, wie die Wei­sen mit ihren ori­en­ta­li­schen Tie­ren in das Gelände ein­zie­hen, wo das Kind mit sei­ner Mut­ter zu fin­den war. Die hei­li­gen drei Könige sind unsere Freunde von Jugend auf. Uns zieht aber nicht nur das Äussere an, son­dern auch das Geheim­nis­volle. Sie kom­men, aber man weiss nicht, woher; sie gehen, aber man weiss nicht, wohin; sie fol­gen einem Stern, aber der Stern ent­zieht sich wie­der unse­ren Bli­cken. Doch sie wer­den geführt. Ein Stern ruft sie aus ihrer Hei­mat, ein Stern, der zunächst ver­schwin­det, aber sich dann wie­der zeigt und ihnen den Weg weist zu dem Kinde. Es ist ver­ständ­lich, wenn es in der Hei­li­gen Schrift heisst: „Als sie den Stern sahen, hat­ten sie eine über­aus grosse Freude.“

Meine lie­ben Freunde, wir brau­chen nicht dem angli­ka­ni­schen Erz­bi­schof von Can­ter­bury zu fol­gen, der die Weih­nachts­ge­schichte als Legende erklärt. Wir hal­ten uns lie­ber an die gro­ssen Astro­no­men wie Tycho de Brahe und Johan­nes Kep­ler, die fest über­zeugt waren, dass ein sol­cher Stern die Wei­sen zur Krippe geführt hat.

Der Stern kann uns zu der Über­le­gung füh­ren, dass auch über uns eine höhere Macht steht und unser Leben lei­tet. Wir wol­len heute nur einem ein­zi­gen Gedan­ken fol­gen, näm­lich der Freude über die Vor­se­hung Got­tes, die uns führt. Der Kate­chis­mus sagt: Gott erhält und regiert die Welt. Gott erhält und regiert alles, was da besteht. Man­che Men­schen haben halb unbe­wusst die Mei­nung, die Welt ist ein gro­sses Uhr­werk, der Herr­gott hat es geschaf­fen, aber jetzt über­lässt er die­ses Uhr­werk sei­nem eige­nen Gesetz. Es läuft ab, ohne dass sich Gott darum küm­mert. Diese Mei­nung wurde seit dem 18. Jahr­hun­dert vom Deis­mus ver­tre­ten, einer Irr­lehre. Nein, Gott wirkt und schafft dau­ernd in der Welt. Er ist kein unpar­tei­ischer Zuschauer. Wenn Gott nur einen ein­zi­gen Augen­blick seine Kraft ent­zie­hen würde, dann würde das All in das Nichts zurück­fal­len, dann wäre das die Ver­nich­tung alles Geschaf­fe­nen.

Die Theo­lo­gie hat über diese Wahr­heit nach­ge­dacht und uns man­ches Erhel­lens­wer­tes beschert. Sie spricht vom „con­cur­sus gene­ra­lis und uni­ver­sa­lis“, d.h. von der all­ge­mei­nen Mit­wir­kung Got­tes mit allem, was an geschöpf­li­chem Tun geschieht. Gott gibt nicht nur die Fähig­keit zum Tun, nein, er tut bei jedem mensch­li­chen Tun mit, er wirkt bei jeder mensch­li­chen Tätig­keit mit. Gott wirkt alles, aber er wirkt es nicht allein, und der Mensch wirkt mit, aber er wirkt es in der Kraft Got­tes. Das ganze Tun, das wir ver­rich­ten – und wenn ich hier am Ambo stehe – das ganze Tun, das wir ver­rich­ten, ist von Gott getra­gen. Gott wirkt alles, und wir wir­ken alles, aber in jeweils ver­schie­de­ner Weise, er näm­lich in über­ge­ord­ne­ter und wir in unter­ge­ord­ne­ter Weise.

Da höre ich den Ein­wand: Ja, sind es nicht die Natur­ge­setze, die alles Gesche­hen in der Welt bestim­men? Wo bleibt da noch Platz für die Vor­se­hung? Natur­ge­setze, meine lie­ben Freunde, sind Geschöpfe Got­tes. Er hat sie geschaf­fen, und die Natur­ge­setze spre­chen seine Spra­che. Das ist es ja, dass alles, was auf Erden sich bewegt und was auf Erden geschieht in der Macht der Natur­ge­setze, auf Got­tes Wil­len zurück­zu­füh­ren ist. Er hält die Welt im Dasein, er lässt die Sterne krei­sen, und wenn er ein­mal auf­hö­ren wird, sie krei­sen zu las­sen, dann fal­len die Sterne vom Him­mel, wie es Jesus vor­aus­ge­sagt hat. Der Gott, der die Welt und alles, was in ihr ist, geschaf­fen hat, ist auch der Herr der Natur­ge­setze; sie sind der Aus­druck sei­ner Weis­heit und sei­ner Macht.

Da höre ich einen ande­ren Ein­wand: Ja, aber wie ist es mit dem Zufall? Wo ist denn die Vor­se­hung bei den Zufäl­lig­kei­ten mei­nes Lebens und dei­nes Lebens? Zufälle, die so eigen­ar­tig, so schmerz­lich, aber auch manch­mal beglü­ckend in unser Leben ein­grei­fen? Da löst sich oben am Berge durch ein flüch­ti­ges Tier ein Stein­chen, es rollt zu Tale, der Schnee ballt sich um das Stein­chen zusam­men und ein furcht­bare Lawine ver­schüt­tet ganze Dör­fer und Stra­ssen und zer­stört, was ihr in den Weg kommt. Zufall? Zufall gibt es nicht. Die Macht der Natur­ge­setze ist auch hier wirk­sam, und die Macht der Natur­ge­setze ist die Spra­che Got­tes, daran ist nicht zu rüt­teln. Und auch die Natur­ge­setze müs­sen Gott gehor­chen. Auch sie müs­sen sei­ner Vor­se­hung die­nen. Nichts geschieht von unge­fähr, alles kommt vom Höchs­ten her.

Vor Jahr­tau­sen­den schon, ach, was sage ich, vor Anbe­ginn der Zeit hat der Herr gewusst, wie es kom­men wird und hat es doch nach sei­nem uner­forsch­li­chen Wil­len zuge­las­sen, dass die Kräfte zusam­men­wir­ken, und in der Stunde oder in der Sekunde, da er es wollte, löste sich das Stein­chen, und die Lawine don­nerte ins Tal. Ich gebe zu, wir ste­hen vor Rät­seln, wir kön­nen es nicht begrei­fen. Aber in all den dunk­len Geheim­nis­sen gibt es doch den Trost: Gott weiss alles, er weiss auch, warum das gesche­hen musste. Der Zufall ist nichts ande­res als die in Schleier gehüllte Not­wen­dig­keit. Nichts geschieht von unge­fähr, alles kommt vom Höchs­ten her.

Und so hat er auch vor Anbe­ginn der Zeit unser Leben geplant. Er hat einen Ent­wurf gemacht für unser Leben, und die­sem Ent­wurf wird es fol­gen, was immer auch geschieht. Kein Künst­ler kann ein Kunst­werk mit sol­cher Liebe schaf­fen, wie Gott unser Leben geplant hat. Auch unser Leben ist ein Kunst­werk, ein Kunst­werk in der Hand Got­tes. Und wir müss­ten dank­bar sein, dass Got­tes Vor­se­hung über uns wal­tet.

Doch gibt es noch einen letz­ten Ein­wand, näm­lich: Wie steht es mit dem freien Wil­len des Men­schen? Gibt es über­haupt einen freien Wil­len? Das ist der Gip­fel­punkt der Vor­se­hung Got­tes, dass die Vor­se­hung sogar den freien Wil­len des Men­schen ein­be­greift in ihre Pläne. Gott lässt dem Men­schen sei­nen Wil­len, aber den­noch lässt er seine Pläne nicht durch­kreu­zen. Er hat alle, auch unsere freien Hand­lun­gen in seine Pläne ein­be­zo­gen. All unsere Gebete, all unsere Lei­den, all unsere Tätig­kei­ten sind in seine Vor­se­hung auf­ge­nom­men. Er lässt dem Men­schen nicht nur die Frei­heit, er wirkt sie sogar. Wir sind nur frei, weil Gott uns frei macht. Gott zwingt den Men­schen nicht, er lässt ihm sei­nen Wil­len. Das war der Irr­tum der Jan­se­nis­ten, dass sie mein­ten, die Gnade sei unwi­der­steh­lich. Nein, die Gnade ist nicht unwi­der­steh­lich, es gibt eine abge­lehnte Gnade, für die wir Rechen­schaft legen müs­sen. Der mensch­li­che Wille bleibt auch unter dem Ein­fluss der Gnade frei. Die Gnade ist nicht unwi­der­steh­lich. Wie frei­lich der mensch­li­che Wille und die Vor­se­hung Got­tes zusam­men­wir­ken, das bleibt ein undurch­dring­li­ches Geheim­nis.

Sie ken­nen die Geschichte vom ägyp­ti­schen Josef. Die Brü­der haben ihn ver­kauft an Händ­ler, die nach Ägyp­ten zogen. Sie woll­ten ihn unschäd­lich machen; er war ihnen läs­tig, weil ihn der Vater beson­ders liebte und weil er merk­wür­dige Träume hatte, die ihm eine füh­rende Stel­lung ein­räum­ten. Sie haben ihn also ver­kauft und dach­ten: Jetzt haben wir ihn los­ge­bracht. Aber was geschah? In Ägyp­ten stieg er zum Vize­kö­nig des Pha­rao auf. Gerade diese Miss­etat benutzte Gott, um seine Pläne mit Josef durch­zu­füh­ren. Ja, alle Geschöpfe müs­sen ihm die­nen, ob belebt oder unbe­lebt, ob mit oder ohne ihren Wil­len. „Ich bin der Herr, dein Gott!“

Und wir dür­fen uns das Wort des hei­li­gen Apos­tels Pau­lus zu eigen machen: „Denen, die Gott lie­ben, gereicht alles zum Bes­ten.“ O meine lie­ben Freunde, ein furcht­ba­res Wort! Denen, die Gott lie­ben, gereicht alles zum Bes­ten, auch die Lei­den und die Qua­len, auch die Mis­ser­folge und die Ent­täu­schun­gen, auch der Betrug und die Ver­leum­dung, die wider uns auf­ste­hen. Denen, die Gott lie­ben, gereicht alles zum Bes­ten, ohne Aus­nahme. Auch das Leid, auch die schwe­ren Stun­den haben ihren Platz im Plane Got­tes, meine lie­ben Freunde. Es wird wenige unter uns geben, die nicht schon manch­mal gedacht haben: Ich kann nicht mehr, es geht nicht mehr, es ist zu viel, ich bin am Ende mei­ner Kraft. Und dann ist es doch wie­der gegan­gen, dann hat doch wie­der die Kraft Got­tes uns gestützt, und dann sind wir doch wei­ter­ge­gan­gen. Es ist in Wahr­heit so: Der Herr­gott schickt uns soviel Leid, wie wir brau­chen, um nicht in die Irre zu gehen. Er schickt uns soviel Leid, wie wir brau­chen, um nicht in die Irre zu gehen.

Als ich im Pries­ter­se­mi­nar war 1950, erschien unser Bischof und hielt uns einen Vor­trag. Der Vor­trag hatte zum Thema: „Es ist gut für mich, dass du mich gede­mü­tigt hast.“ Das ist ein Wort aus dem 118. Psalm. „Es ist gut für mich, dass du mich gede­mü­tigt hast.“ Es ist gut für mich, dass du mich geschla­gen hast. Es ist gut für mich, dass du mir das Leid geschickt hast. Es ist gut für mich, das heisst, es ist nütz­lich für die Ewig­keit.

Wir soll­ten also unser Ver­trauen zur Vor­se­hung Got­tes erneu­ern am Bei­spiel der Könige, der Wei­sen, die aus dem Mor­gen­lande zum Krip­pen­kinde kamen. Nichts geschieht von unge­fähr, alles kommt vom Höchs­ten her. Ein Stu­dent besuchte ein­mal einen from­men Pfar­rer, und ein böses Wet­ter über­raschte ihn. Als er beim Pfar­rer ankam, da schimpfte er über das Wet­ter nach Kräf­ten. Der Pfar­rer hörte ihm zu, und nach einer Pause sagte er: „Junge, was schimpfst du denn? Es ist Got­tes Wet­ter!“ Das ist wie ein Blitz in seine Seele ein­ge­zo­gen: Es ist Got­tes Wet­ter. Ja, das Wet­ter ist Got­tes, und unser Leben ist Got­tes, und unsere Arbeit ist Got­tes, und unsere Freude ist Got­tes, unser Erfolg ist Got­tes, und unser Mis­ser­folg ist Got­tes, und unser Leid ist Got­tes. Alles ist Got­tes. Gott ist wei­ser, er sieht wei­ter, er schaut tie­fer, als wir es ver­mö­gen. Er regiert die Welt, und er hat am Anfang gespro­chen. Als Gott sah, was er gemacht hatte, da erkannte er: Es war alles gut. Und wenn die Welt zu Ende geht, wird er wie­der sagen: Er erkannte, was er gemacht hatte mit sei­ner Vor­se­hung, und es war alles gut.

Der grosse eng­li­sche Theo­loge und Kar­di­nal New­man hat ein­mal ein schö­nes Gebet ver­fasst, das ich schon seit vie­len Jahr­zehn­ten aus­wen­dig kann. Die­ses schöne Gebet lau­tet:

„Führe, du mil­des Licht, im Dun­kel, das mich umgibt, führe du mich hinan! Die Nacht ist fins­ter, und ich bin fern der Hei­mat, führe du mich hinan! Leite du mei­nen Fuss, sehe ich auch nicht wei­ter, wenn ich nur sehe jeden Schritt. Einst war ich weit zu beten, dass du mich füh­rest, selbst wollt ich wäh­len, selbst mir Licht trot­zend dem Abgrund dachte ich mei­nen Weg zu bestim­men, setzte mir stolz das eigene Ziel. Aber jetzt lass es ver­ges­sen sein. Du hast mich so lang behü­tet, wirst mich auch wei­ter füh­ren über sump­fi­ges Moor, über Ströme und lau­ernde Klip­pen, bis vor­über die Nacht und im Mor­gen­licht Engel mir win­ken. Ach, ich habe sie längst geliebt, nur ver­ges­sen für kurze Zeit.“

Amen.

 

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