III. Welttag des geweihten Lebens, 2. Februar 1999
Hl. Messe für die Ordensleute am Fest der Darstellung des Herrn
Predigt von Johannes Paul II., gelesen von Kardinal Eduardo Martinez Somalo
III. Welttag des geweihten Lebens Dienstag, 2. Februar 1999
“Ein Licht, das die Heiden erleuchtet” Lk 2,32)
Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium, den wir soeben gehört haben, erinnert an das Ereignis in Jerusalem am vierzigsten Tag nach der Geburt Jesu: seine Darstellung im Tempel. Auch in diesem Falle entspricht die liturgische Zeitperiode der historischen: Heute sind nämlich vierzig Tage seit dem 25. Dezember, dem Hochfest der Geburt des Herrn, vergangen.
Diese Tatsache ist nicht ohne Bedeutung. Sie zeigt an, dass das Fest der Darstellung Jesu im Tempel gewissermassen ein “Scharnier” darstellt, das seinen ersten Lebensabschnitt auf Erden, die Geburt, von demjenigen, der seine Erfüllung sein wird, nämlich sein Tod und seine Auferstehung, trennt und wiederum damit verbindet. Heute verabschieden wir uns endgültig von der weihnachtlichen Zeit und gehen auf die Fastenzeit zu, die in fünfzehn Tagen am Aschermittwoch beginnen wird.
Die prophetischen Worte, die der alte Simeon damals sprach, beleuchten die Sendung des Kindes, das von seinen Eltern zum Tempel gebracht wird: “Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden” (Lk 2,34-35). Und zu Maria sagt er: “Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen” (Lk 2,35). Die Gesänge von Betlehem sind gerade erst verstummt, und schon zeichnet sich am Horizont das Kreuz auf dem Golgota ab; dies geschieht im Tempel, dem Ort, wo die Opfer dargebracht werden. Das Ereignis, dessen wir heute gedenken, kann daher gewissermassen als Brücke zwischen den beiden wichtigsten Zeiten der Kirche betrachtet werden.
- Die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief bietet einen interessanten Kommentar zu diesem Geschehnis. Der Autor macht eine Bemerkung, die uns nachdenklich stimmt: In seiner Ausführung über das Priestertum Christi weist er darauf hin, dass der Sohn Gottes sich “der Nachkommen Abrahams annimmt” (2,16). Abraham ist der Vater der Gläubigen: Alle Gläubigen gehören deshalb irgendwie zu den “Nachkommen Abrahams”, für die das Kind, das in Marias Armen liegt, im Tempel dargestellt wird. Dieses Ereignis vollzieht sich unter den Augen der wenigen, privilegierten Zeugen und ist eine erste Verkündigung des Opfers am Kreuz.
Der Bibeltext bestätigt, dass der Gottessohn mit den Menschen solidarisch ist und ihren Zustand der Schwäche und Zerbrechlichkeit teilt bis zum äussersten, das heisst bis zum Tod. Das Ziel ist, eine radikale Befreiung der Menschheit zu erwirken, indem der Gegner, der Teufel, der im Tod seine Gewalt über die Menschenwesen und jedes Geschöpf ausüben kann, ein für allemal besiegt wird (vgl. Hebr 2,14-15).
In dieser wunderbaren Zusammenfassung bringt der inspirierte Verfasser die ganze Wahrheit über die Erlösung der Welt zum Ausdruck. Er stellt die Bedeutung des priesterlichen Opfers Christi heraus, der “in allem seinen Brüdern gleich sein [musste], um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen” (Hebr 2,17).
Gerade weil darin die tiefe Verbindung zwischen dem Geheimnis der Menschwerdung und dem der Erlösung unterstrichen wird, ist der Hebräerbrief ein angemessener Kommentar zu dem liturgischen Ereignis, das wir heute feiern. Dieser Brief hebt die erlösende Sendung Christi hervor, an der das ganze Volk des Neuen Bundes teilhat.
An dieser Sendung seid ihr, liebe geweihte Menschen, die ihr die Petersbasilika füllt und die ich mit grosser Herzlichkeit begrüsse, auf ganz besondere Weise beteiligt. Dieses Fest der Darstellung ist ganz speziell euer Fest, denn heute feiern wir den III. Tag des geweihten Lebens.
- Aufrichtig danke ich Kardinal Eduardo Martínez Somalo, dem Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, der dieser Eucharistiefeier vorsteht. In seiner Person grüsse und danke ich allen, die in Rom und auf der ganzen Welt im Dienst des geweihten Lebens arbeiten.
In diesem Augenblick gehen meine Gedanken mit besonderer Zuneigung zu allen geweihten Menschen in jedem Teil der Welt: Es sind Männer und Frauen, die sich entschlossen haben, Christus auf radikale Art und Weise in Armut, Keuschheit und Gehorsam nachzufolgen. Ich denke an die Krankenhäuser, die Schulen und Jugendzentren, wo sie in vollkommener Hingabe im Dienst an den Brüdern für das Reich Gottes tätig sind; ich denke an die Tausende von Klöstern, wo die Gemeinschaft mit Gott in einem steten Rhythmus der Arbeit und des Gebets gelebt wird; ich denke an die geweihten Laien, diskrete Zeugen in der Welt, und an die vielen, die an vorderster Front unter den Armen und Ausgegrenzten aktiv sind.
Wie sollten wir hier nicht an die Ordensmänner und Ordensfrauen erinnern, die auch in jüngster Zeit ihr Blut vergossen haben bei einem oft schwierigen und problemreichen apostolischen Dienst? Ihrer spirituellen und karitativen Sendung treu, haben sie für die Rettung der Menschheit das Opfer ihres Lebens mit dem Opfer Christi verbunden. Das Gebet der Kirche ist heute jedem geweihten Menschen, besonders aber ihnen, gewidmet. Die Kirche dankt für das Geschenk dieser Berufung und erbittet es inständig: Denn die Menschen im geweihten Leben tragen in entscheidender Weise zum Werk der Evangelisierung bei. Sie verleihen dieser die prophetische Kraft, die aus der Radikalität ihrer Wahl des Evangeliums kommt.
- Die Kirche lebt vom Geschehen und vom Geheimnis. An diesem Tag lebt sie vom Geschehen der Darstellung des Herrn im Tempel, wobei sie das darin enthaltene Geheimnis zu ergründen sucht. In gewissem Sinn jedoch schöpft sie jeden Tag aus diesem Ereignis im Leben Christi und meditiert über seine geistliche Bedeutung: In der Tat erklingen in den Kirchen und Klöstern, in den Kapellen und Häusern auf der ganzen Welt die Worte des alten Simeon, die vor kurzem verlesen wurden:
“Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel” (Lk 2, 29-32).
So betete Simeon, dem es gegeben war, erleben zu dürfen, wie die Verheissungen des Alten Bundes in Erfüllung gingen. So betet die Kirche, die sich, ohne an Kräften zu sparen, verschwendet, um allen Völkern das Geschenk des Neuen Bundes zu bringen.
In der geheimnisvollen Begegnung zwischen Simeon und Maria verbindet sich das Alte mit dem Neuen Testament. Miteinander sagen der betagte Prophet und die junge Mutter Dank für dieses Licht, das verhinderte, dass die Finsternis Oberhand gewinne. Es ist das Licht, das in der Mitte der menschlichen Existenz erstrahlt: Christus, Retter und Erlöser der Welt, “Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel”.
Amen!
© Copyright 1999 – Libreria Editrice Vaticana
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