Das Ende kommt noch nicht sofort

Impuls zum 33. Sonntag im Jahreskreis C — 13. November 2016

Quelle, Zenit.org,  11. November 2016, Peter von Steinitz

Langsam geht es aufs Ende zu – auf das Ende des Kirchenjahres. Am kommenden Sonntag schliesst das Kirchenjahr mit dem Christkönigsfest.

In ausserordentlich sinnfälliger Weise durchläuft die Liturgie der Kirche im Rhythmus eines Jahres die gesamte Heilsgeschichte. Das Kirchenjahr spiegelt in seinem Beginn, im Advent, den Beginn des Heils wieder, das wir mit den Verheissungen des Alten Bundes identifizieren. So wie die Menschen in den zweitausend Jahren von Abraham bis zu Christus (und auch schon lange vorher) sich nach der Erlösung gesehnt haben, so drückt die Liturgie der Kirche in der Adventszeit mit den Mitteln des Gottesdienstes – Gebeten, Psalmen, Liedern und Lesungen des Alten und Neuen Testaments – diese Sehnsucht nach dem Heil aus, das sich dann in Christus verwirklicht hat.

Und so reflektiert das Kirchenjahr in allem Wesentlichen das Leben und Wirken Christi, von seiner Geburt in Bethlehem (Weihnachten) über sein Leiden (Fastenzeit) und Sterben (Karwoche) bis zum Osterfest, das seine Auferstehung als den Höhepunkt der Heilsgeschichte, und also auch des Kirchenjahres feiert. Nach dem Osterfestkreis, der dann weitere Heilsereignisse wie Himmelfahrt und Ausgiessung des Hl. Geistes (Pfingsten) begeht, folgen die Gedenktage der wichtigsten Heilselemente, die sich aus Ostern und Pfingsten ergeben. So das Dreifaltigkeitsfest, Fronleichnam, Herz-Jesu-Fest. Später Verklärung des Herrn und Kreuzerhöhung. Und schliesslich, auf das Ende zugehend, das Gedenken Aller Heiligen und Aller Seelen.

Als besonders reizvolle Ergänzung zu diesem vielfältigen Heilsgedenken, das sich sozusagen im Zeitraffer abspielt, einige Elemente, die bestimmte Ereignisse gewissermassen in Echtzeit wiedergeben, so die vierzig Tage zwischen Geburt (Weihnachten) und Darstellung Jesu im Tempel (2. Februar), dann die vierzig Tage der Fastenzeit, die dem vierzigtägigen Fasten Jesu entsprechen, und schliesslich die vierzig Tage zwischen Auferstehung und Himmelfahrt, sowie die genau zehn Tage bis zum Pfingstfest, so wie es damals auch eine Zeit von zehn Tage war, während der die Apostel mit Maria im Abendmahlssaal das Kommen des Geistes erwarteten.

Zwischen diesen Hauptereignissen, als liebenswerte “Parallelwelt”, die Ereignisse um die Person der Heiligsten Jungfrau Maria: ihre Unbefleckte Empfängnis im Schoss ihrer Mutter Anna (8. Dezember), daraus sich ergebend ihr Geburtstag (8. September), ihre Darstellung im Tempel (Unsere Liebe Frau in Jerusalem, 21. November), ihr schmerzvolles Mitleiden mit dem Erlöser (Sieben Schmerzen Mariens 15. September), und schliesslich ihr Triumph an der Seite des Auferstandenen, nachdem sie, genau wie Christus, mit Leib und Seele zum Himmel aufgenommen wurde (15. August).

Am letzten Sonntag im Kirchenjahr, dem Christkönigssonntag, wird im Evangelium das Königtum Christi auf eine bewusst verkehrte Weise dargestellt. Jesus steht, armselig und von schlimmsten Folterungen gezeichnet, vor Pilatus, der ihn fragt: “Bist du denn ein König?”

Das ist ja gerade unsere buchstäblich verkehrte Welt, in der der König der Könige sich zum Spottkönig macht und alles Elend der in Sünden verstrickten Menschheit auf sich lädt, um uns frei zu machen.

Heute aber, am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, wird uns das Ende der Welt vor Augen geführt, das mit dem machtvollen Erscheinen des Königs seinen Höhepunkt findet. Bevor aber Christus als Weltenrichter erscheint, muss die Menschheit selber ihren Kreuzweg vollenden. “Es werden schreckliche Dinge geschehen, und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen” (Lk 21, 16). Kriege, Erdbeben, Seuchen und Hungersnöte, dazu eine massive Christenverfolgung – Schrecknisse, die es immer gegeben hat, die sich aber nun gewaltig potenzieren.

Bei alledem ist es gewissermassen ein Grundgesetz der göttlichen Vorsehung, dass alle wichtigen Ereignisse der menschlichen Geschichte schon, bevor sie geschehen, den Menschen bekannt gemacht werden. Und zwar mit der barmherzigen Absicht, sie zu warnen und zu veranlassen von ihren bösen Wegen abzulassen, die womöglich Strafen hervorrufen. Die Sintflut wurde den Menschen lange vorher angezeigt, aber die Menschen haben es nicht beachtet. Ein positives Beispiel ist das Verhalten der (heidnischen) Bürger von Ninive, denen der Prophet Jonas den Untergang prophezeite für den Fall, dass sie nicht umkehrten. Für den Propheten selbst überraschend haben sich die Niniviten bekehrt – und das Unglück blieb aus.

Auch in unserer unruhigen Zeit gibt es eine Vielzahl von Prophezeiungen, die allerdings nicht immer seriös sind. Dennoch gibt es auch heute die echten Propheten, die man meistens daran erkennen kann, dass sie in einer aufrichtigen Gottverbundenheit leben. Die wohl bekannteste und zuverlässigste Prophezeiung ist sicher die von Fatima, die in der Form von drei „Geheimnissen“ nur nach und nach bekannt gemacht worden ist. Besondere Beachtung findet immer noch das sog. Dritte Geheimnis, von dem einige meinen, es sei immer noch nicht vollständig veröffentlicht worden. Sie meinen, dass darin neben den „äusseren“ Katastrophen auch einige Voraussagen über die Kirche stehen, die so ernst sind, dass man sie besser nicht veröffentlicht, um die Gläubigen nicht zu verwirren.

Pius XII., der dieses Geheimnis zwar nicht gelesen, aber mit Schwester Lucia von Fatima darüber gesprochen hat, schrieb 1942: „Diese Eindringlichkeit Mariens bezüglich der Gefahr, die die Kirche bedroht, ist eine göttliche Warnung gegen den Selbstmord der Veränderung des Glaubens, in ihrer Liturgie, in ihrer Theologie und in ihrer Seele….Es wird eine Zeit kommen, da die zivilisierte Welt ihren Gott verleugnen wird, da die Kirche zweifeln wird, wie Petrus zweifelte. Sie wird versucht sein zu glauben, dass der Mensch zu Gott wurde (Georges Roche, Pie XII., „Devant l´histoire“, Paris, Editions Robert Lafont, 1972).

Und dennoch, was auch immer geschehen wird, der Beistand des Herrn ist den Seinen sicher. Das letzte Buch der Bibel, die Geheime Offenbarung des Johannes, schildert die dann zu erwartenden Schrecknisse in oft drastischer Weise. Und ist doch auch zugleich ein Trostbuch. Johannes, der Seher dieser Offenbarung, bekommt am Schluss den Auftrag: “Versiegle dieses Buch mit seinen prophetischen Worten nicht! Denn die Zeit ist nahe. Wer Unrecht tut, tue weiterhin Unrecht, der Unreine bleibe unrein, der Gerechte handle weiter gerecht, und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit. Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht.” (Off. 22,10)

Christus, der Sohn Gottes, bezeichnet sich selbst als das Alpha und das Omega, Anfang und Ende.

Er steht von aller Ewigkeit am Anfang.

Wann aber das Ende kommt, lässt der Herr bewusst offen. In erster Linie deswegen, weil wir immer wachsam sein sollen.

In Gefüge der irdischen Zeit steht Maria am Anfang, und der Erlöser nimmt sein irdisches Leben aus ihr.

Es war wohl eine sehr glückliche Entscheidung, als Papst Paul VI. im Zuge der Liturgiereform das Hochfest der Mutterschaft Mariens auf den 1. Januar legte – also nicht auf den Beginn des Kirchenjahres, sondern des bürgerlichen Jahres.

Durch die Mutter aller Menschen, Maria, gelangen wir aus der diesseitigen Welt in die ewige Welt, die das endgültige Ziel des Menschen ist, in das Reich Gottes, von dem es heisst: “Sein Reich ist ein ewiges Reich, alle Mächte werden ihm dienen und ihm gehorchen” (Antiphon zum 2. Psalm).

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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