Braucht die Kirche Veränderungen und wenn ja, welche?
Impuls zum Christkönigssonntag im Lesejahr C — 20. November 2016
Zenit.org, 18. November 2016, Peter von Steinitz
Es fällt auf, dass in der letzten Zeit das christliche Volk immer wieder auf notwendige Veränderungen hingewiesen wird, die in dieser Zeit kommen sollen. Wobei man den Eindruck hat, dass grundsätzlich nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Veränderungen unterschieden wird.
Ob man zum Empfang der Eucharistie nur eine Stunde oder aber von Mitternacht an nüchtern sein soll. Ob man am Freitag kein Fleisch isst oder aber ein anderes kleines Opfer bringt. Solche Änderungen sind ganz offensichtlich unproblematisch.
Aber ob andererseits das Priestertum nur von Männern oder auch von Frauen ausgeübt werden sollte, ist von anderem Kaliber. Oder ob die Homo-Ehe kirchlich akzeptiert wird oder nicht. Oder auch ob geschiedene Wiederverheiratete ohne weiteres die Sakramente empfangen können – das wären Änderungen, die an die Substanz gehen. Was die Geschiedenen betrifft, so ist es schlicht gesagt ein Irrtum zu glauben, dass das postsynodale Schreiben „Amoris Laetitia“ eine Art Freifahrschein darstellt.
Dieses päpstliche Dokument, das so reich an guten Gedanken ist, kann, wie es in der Kirche immer üblich war, nicht gelesen werden, ohne dass man frühere verbindliche Äusserungen des Lehramtes wie z.B. „Familiaris consortium“ des hl. Johannes Paul II. mitliest.
Nun könnte man sagen: da heute die Menschen sehr offen und flexibel sind, und obendrein die individuelle Freiheit sehr gross geschrieben wird, warum soll man nicht über mögliche Änderungen nachdenken dürfen, auch wenn sie von grösserer Wichtigkeit sind?
Die Kirche hat zu dieser Problemstellung aus ihrer immerhin zweitausendjährigen Erfahrung – wir können ja die Kirche nicht heute neu erfinden – zwei fundamentale Merksätze parat.
1. Ecclesia est semper reformanda – die Kirche muss sich immer wieder erneuern. Das bedeutet, dass es tatsächlich Änderungen, die sinnvoll sind, gibt. Kardinal Meisner, der emeritierte Erzbischof von Köln, sagte neulich: „Es geht darum die Kirche zu erneuern, nicht sie zu verändern“ (Predigt beim Internationalen Priestertreffen in Köln 2016).
2. Christus heri, hodie et in saecula – Christus ist derselbe gestern, heute und morgen und in alle Ewigkeit.
Wir feiern heute das Hochfest Christkönig. Die Lesungen erinnern uns daran, dass dieser Jesus von Nazareth, den zu seiner Zeit viele nicht ernst genommen haben, tatsächlich der allmächtige Gott und Richter aller Welt ist. Bei Lukas lesen wir heute „In jener Zeit verlachten die führenden Männer des Volkes Jesus und sagten: Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er er erwählte Messias Gottes ist“ (Lk 23,35 ff). Nicht nur dass sie seine Königswürde verspotten, sie finden es obendrein lächerlich, dass er anderen geholfen hat, was ein schlechtes Licht auf den Charakter dieser Leute wirft.
Auch heute gibt es sicher viele Menschen, die in Jesus einen erfolglosen Wanderprediger aus alten Zeiten sehen, der für uns heute keine besondere Bedeutung hat. Dass Europa seine einzigartige kulturelle Stellung in der Welt dem Christentum verdankt, wird ohne weiteres ausgeblendet. Und da liegt wohl der tiefere Grund für die uneingeschränkte Veränderungslust, die sich auch der Kirche bemächtigt hat. Wir haben unser historisches Bewusstsein verloren.
Wenn wir aber wirklich davon überzeugt sind, dass Christus buchstäblich der Allherrscher ist, dann können wir – mit Verlaub gesagt – nicht machen, was wir wollen.
Die Kirche ist nicht zuerst unsere Kirche, sondern seine. Und dennoch wird mit der grössten Selbstverständlichkeit angenommen, dass das, was wir Menschen planen und ausführen, schon seine Billigung hat. Wer fragt z.B. danach, ob es dem Herrn recht ist, wenn man in vielen Diözesen das Sakrament der Beichte de facto abgeschafft hat. Er hat die Beichte uns gegeben, und sie ist wahrhaft eine Wohltat. Ich bin ganz sicher, es ist ihm nicht recht.
Was für die Beichte gilt, gilt sicher für alle Sakramente. Sehr viele Menschen, Fachtheologen wie auch normale Gläubige, haben immer wieder gute Ideen, und das ist sicher gut so. Aber bezüglich der Sakramente gibt es wirklich nichts neues zu erfinden. Auch im ökumenischen Zusammenhang muss man hier Veränderungen ausschliessen. Da heisst es, im wahrsten Sinne des Wortes konservativ sein, denn es geht darum, das zu bewahren, was der Herr uns geschenkt hat.
Geradezu erschreckend ist der Kontrast zwischen der Machtlosigkeit Jesu vor seinen Henkern und der unwiderstehlichen Macht, die er ausstrahlt, wenn er wieder kommt.
Veränderungen wird es dann geben, aber sie kommen nicht von uns Menschen. In der Offenbarung des Johannes sagt Christus: „Siehe ich mache alles neu“. Und nicht wir machen den neuen Himmel und die neue Erde, sondern er.
Bitten wir auch Maria, die Mutter der Kirche, dass sie dafür sorgt, dass die Kirche der Fels in der Brandung der ständigen irdischen Wandlungen bleibt.
Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.
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