Predigt von Papst Pius XII.

Zur Heiligsprechung unseres Landespatrons Nikolaus von der Flüe am 15. Mai 1947

Quelle – SKS 19/2016

15. Mai 1947 – Video Heiligsprechung
Hl. Bruder Klaus – Div. Beiträge

Christus ist in den Himmel aufgefahren, er, der den Tod überwand und siegreich auferstanden ist. Er hat uns durch sein Beispiel den Weg bereitet, auf dem wir alle zur ewigen Seligkeit gelangen können. Dieser Weg ist, ihr wisst es, ehe der Blitz des himmlischen Lichts ihn erhellt, mühsam, steil und rau; wenn wir aber an den Preis denken, den unser Streben nach dem höchsten Ziel uns einst einträgt, wenn wir in Ehrfurcht auf unseren Erlöser und auf die unübersehbare Schar seiner Gefolgschaft blicken, die uns auf dem Weg aus dieser irdischen Verbannung zur himmlischen Heimat vorangegangen sind, so wird uns der Aufstieg ohne Zweifel leichter, ja freudvoll erscheinen, und wir erfahren die Wahrheit seines Göttlichen Wortes:

“Mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht” (Mt 1 1,30). In diese himmlische Schar der Heiligen ist Nikolaus von der Flüe eingereiht worden. Wer den Ruhm seiner mannigfachen Tugenden betrachtet und zumal jenen höchsten Gipfel der Askese bedenkt, zu dem ihn in seinen letzten Lebensjahren eine Lebensweise führte, die eher die eines Engels als eines Menschen war, der wird von tiefster Bewunderung für ihn erfüllt werden. Als untadeliger Bürger liebte er sein Volk mit wahrer Vaterlandsliebe; als einsichtiger und kluger Ratsmann wurde er weithin durch die Geschicklichkeit seiner Amtsführung rühmlichst bekannt; im Kriegsdienst kämpfte er für die Freiheit und Einheit seines Landes, doch liess er sich nie von Hass oder Abneigung bestimmen, sondern folgte stets nur dem unparteiischen Rat seines strengen Pflichtbewusstseins. Er hielt die Heiligkeit einer keuschen Ehe hoch; und da Gott ihm eine zahlreiche Nachkommenschaft gegeben hatte, erzog er seine Kinder nicht so sehr durch seine Autorität als durch sein Beispiel zu Frömmigkeit und Fleiss und zur freudigen Erfüllung aller häuslichen, bürgerlichen und religiösen Pflichten. Als er sich aber durch einen überirdischen Trieb, eine Gnade von oben zu Höherem berufen fühlte, da verliess er als hochherziger und entschiedener Mann sofort sein Vaterhaus, die geliebte Gattin, die Kinder, die seinem Herzen teuer waren, und alles andere, er legte eine grobe Kutte an, rüstete sich einzig mit dem Pilgerstab und nahm von allem Abschied, um dem Willen Gottes zu folgen und ihn freudig zu erfüllen. Er zog sich nun in die Einsamkeit zurück, löste sich ohne Zögern von allen irdischen Dingen und gab alles preis, um einzig Gott anzuhangen, und allen, die ihn sahen, schien er mehr einem Engel als einem Menschen gleich. Er vergass nicht nur alle Bequemlichkeiten, sondern auch alle Bedürfnisse, denen wir, solange wir dieses sterbliche Leben führen, nachzugeben genötigt sind, und er bändigte durch freiwillige Kasteiungen und Züchtigungen seinen Leib derart und brachte ihn so in Dienstbarkeit, schwächte ihn so durch ständiges Fasten, dass er keine Last mehr für die Seele darstellte, sondern nur noch einen durchsichtigen Schleier, den die Göttliche Liebe verzehrte, und gleichsam das geringe Gewicht von Flügeln, die ihn nur umso leichter und schneller zum Himmel trugen. Ungefähr zwanzig Jahre lang lebte er als Einsiedler im Gebet, in der Betrachtung der himmlischen Dinge und in glühender Liebe. So konnte er das grosse Wort des Völkerapostels wahrhaft auf sich anwenden: ‘lch lebe, doch nicht ich: Christus lebt in mir’ (GaJ2,20). Vom Rufe seiner Heiligkeit angezogen, kamen die Leute von nah und fern, einzeln und in Scharen, zu ihm und obwohl es ihm hart war, von der Göttlichen Zwiesprache und der geliebten Einsamkeit abgezogen zu werden, so empfing er doch alle liebreich und erquickte sie durch seine heilsamen Ratschläge und Ermahnungen und durch sein Beispiel. Und so erschien jene wilde Einöde als das Heiligtum der Schweiz, von welchem Licht für die verdunkelten Geister ausging und eine wunderbare Mahnung zu Frieden, Eintracht und christlicher Tugend aufstieg. Als sich jedoch der Staat selber in schwerer Gefahr befand und die Schweizer schon drauf und dran waren, sich in entgegengesetzte, ja feindliche Parteien zu spalten, war er es allein, der die Gemüter beruhigte, die geeigneten Heilmittel in dieser furchtbaren Gefahr fand und so seinem Vaterland die Einheit in wunderbarer Weise rettete. Daher leuchtet Nikolaus von der Flüe mit hellstem Glanz unter jenen Helden des katholischen Glaubens hervor, die nicht nur aufs Beste für ihr ewiges Heil besorgt waren, nicht nur einzelnen Bürgern, die zu ihnen ihre Zuflucht nahmen, heilsame Ratschläge gaben, sondern die ihrem ganzem Volk zu höchstem Nutzen und grösstem Heil gereichen, sofern es nur in der Not ihren Ratschlägen und Befehlen freiwillig und tatkräftig folgt. Heute aber, da Wir Nikolaus von der Flüe auf Göttliche Eingebung hin mit den Strahlen der Heiligkeit schmücken dürfen, hoffen Wir, dass alle mit noch grösserer Bewunderung auf ihn blicken mögen, in erster Linie unser geliebtes Schweizervolk, das ihn als Patron und Schutzherrn verehrt. Dass diese hingebende Verehrung heilsame Früchte zeitigen möge, wünschen Wir aus väterlichem Herzen und erflehen Wir vor Gott in inständigem Gebet; denn es ist unendlich wichtig, nicht nur das Lob der himmlischen Heiligen zu verkünden, sondern vor allem ihre Tugenden, je nachdem sie den besonderen Lebensumständen eines jeden entsprechen, so weit und so treu wie möglich in unserem täglichen Leben zu verwirklichen.

Gebe Gott, dass, wie jener heilige Einsiedler sein von wirren Unruhen und Parteiungen bedrohtes und schon fast dem Untergang geweihtes Vaterland beruhigen, wieder aufrichten und festigen konnte, so auch heute die gesamte Völker- und Menschheitsgemeinschaft durch sein leuchtendes Beispiel und seine unschätzbare Fürbitte jene brüderliche Eintracht, jenen Frieden wiederfinden möge, die einzig und allein in den christlichen Grundsätzen ein sicheres Fundament finden können. Gebe Gott, dass alle Bürger jeden Ranges sich verehrungsvoll an ihn wenden und von ihm lernen, die vergänglichen irdischen Dinge, von denen sie sich nur zu oft unheilvoll behindern und verstricken lassen, durch die Bereitschaft und Hochherzigkeit ihrer Seele umzuwandeln in Stufen zur Erlangung dessen, was droben ist und ewig währt.

Amen.

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