Apostolat mit Hindernissen
Wie Schwester Faustina Kowalska und Papst Johannes Paul II. die Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit förderten
Hl. Faustina: Diverse Beiträge
Von Krakau aus wurde das Bild des Barmherzigen Jesus zu einem der weltweit bekanntesten Gnadenbilder
Von Stefan Meetschen
Papst Johannes Paul II. (1920–2005), Schwester Faustina Kowalska (1905–1938) und die göttliche Barmherzigkeit – für viele Katholiken in der ganzen Welt gehören diese drei eng zusammen. Denn: widmete sich der polnische Papst, der am Vorabend des Festes der göttlichen Barmherzigkeit starb, nicht bereits in seiner zweiten Enzyklika („Dives in misericordia“) dem göttlichen Erbarmen? Sprach er die polnische Nonne nicht selig (1993) und dann sogar heilig (2000)? Weihte er nicht dort, wo die Schwester fünf Jahre ihres Klosterlebens verbrachte, in Krakau-£agiewniki, das Heiligtum der göttlichen Barmherzigkeit? Und: führte er nicht auch den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit ein, den die Kirche als Festtag am zweiten Sonntag der Osterzeit begeht – ganz so, wie es Faustina in ihrem „Tagebuch“, in dem sie ihre mystischen Erfahrungen mit Jesus festhielt, als Wunsch formulierte?
In der Tat. Der barmherzige Jesus und seine begnadeten polnischen Komplizen scheinen zusammenzugehören. Ganz selbstverständlich. So, als wäre die Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit, zu der ganz wesentlich auch das Jesus-Bild mit den blass-roten Strahlen und dem Schriftzug „Jesus, ich vertraue auf Dich“ gehört, in einem geistlichen Guss auf dieser Erde errichtet worden. Umso erstaunter kann man sein, wenn man sich die Widerstände vergegenwärtigt, mit denen Faustina, Johannes Paul II. alias Karol Wojty³a und – nicht zu vergessen – der inzwischen seliggesprochene Geistliche Micha³ Sopocko (1888–1975), Faustinas Seelenführer, zu Beginn dieses Apostolats zu kämpfen hatten.
In Faustinas Kongregation war man skeptisch gegenüber den Visionen der einfachen Frau. Wenigstens fand Faustina in Sopocko den lang erflehten Beichtvater, der ihren Visionen mit Verständnis, Verstand und theologischem Wissen begegnete. In Absprache mit den Schwestern leitete er aber kurzerhand eine psychiatrische Untersuchung ein. Die Faustina attestierte mentale Gesundheit beruhigte ihn, aber längst nicht alle Mitschwestern. Sopocko war es auch, der den renommierten Maler Eugeniusz Kazimirowski beauftragte, das Bild des barmherzigen Jesus zu malen. Und wieder ein Rückschlag: Faustina gefiel das Bild nicht. Da sie es aber selbst nicht besser malen konnte, ging diese erste Version des Bildes in Produktion. Vielen Polen war es in den dunklen Tagen des Zweiten Weltkrieges ein Trost. Dazu fanden Abschriften des „Tagebuchs“, welches Sopocko Faustina zu schreiben angeordnet hatte, Verbreitung. In Polen und im Ausland. Das Problem: Diese Abschriften enthielten theologische Fehler, weshalb sich die Polnische Bischofskonferenz Ende der 1950er Jahre, wie die Journalistin Ewa Czaczkowska in ihrem aktuellen Buch „Papie¿, który uwierzy³“ (dt: Der Papst, der geglaubt hat) hervorhebt, genötigt sah, den Wirbel um die göttliche Barmherzigkeit etwas zu „dämpfen“. Auch im Vatikan, wo man mit schlechten Übersetzungen des „Tagebuchs“ konfrontiert worden war, ging man auf Distanz. Das Heilige Offizium, die Vorläuferin der Kongregation für die Glaubenslehre, veröffentlichte im Jahr 1959 eine „Notifikation“, in der „die Ausbreitung der Bilder und Schriften, welche die Frömmigkeit der göttlichen Barmherzigkeit in den Formen, wie sie die Schwester Faustina vorgeschlagen hat“, verboten wurde.
Ein schwerer Schlag. Die Kongregation in Krakau, die Kazimirowskis Bild inzwischen gegen eine Fassung des Malers Adolf Hy³a eingetauscht hatte, die als die heute populärste gilt, gehorchte. Das Bild wurde abgehängt, die Reproduktionsmaschinen und der Schriftenversand gestoppt.
Zwei Männer, welche Faustina zu ihren Lebzeiten als Helfer geschaut hatte, liessen sich nicht entmutigen: Sopocko, der die Lehre von der göttlichen Barmherzigkeit weiter verkündete – ohne Schwester Faustina zu erwähnen – und der damalige Metropolit von Krakau, Kardinal Karol Wojty³a, der schon als junger Mann „oftmals am Grab von Schwester Faustina verweilte“ (Johannes Paul II., „Auf, lasst uns gehen“). War Wojty³a doch während des Krieges als Arbeiter in der Fabrik „Solvay“ tätig, die in der Nähe des Klosters £agiewniki liegt. Bei einer kurzen Begegnung mit dem damaligen Sekretär des Heiligen Offiziums, Kardinal Alfredo Ottaviani, kam Wojty³a eine Idee: Warum das Pferd beim Schwanz aufzäumen? Warum die göttliche Barmherzigkeit an den Anfang stellen? Im Oktober 1965 leitete Wojty³a stattdessen – als Vorbereitung zu einem Seligsprechungsprozess – den Informationsprozess von Schwester Faustina ein. Er war sich bewusst, dass man dabei nicht nur die heroischen Tugenden Faustinas überprüfen würde, sondern auch ihre Schriften – und zwar die Originalschriften. Ohne Fehler.
Wenig später wurde der Seligsprechungsprozess tatsächlich eröffnet. Als theologischen Gutachter ernannte Wojty³a den Dogmatiker Ignacy Ró¿ycki, der allerdings wenig Lust verspürte, sich mit den Schriften irgendeiner „Analphabetin“ (zit. nach Czaczkowska, S. 83) zu beschäftigen. Wojty³a musste ihn freundlich zur Lektüre des „Tagebuchs“ drängen. Wie Czaczkowska berichtet, las Ró¿ycki das Werk irgendwann aus Langeweile und bemerkte schnell, wie Unrecht er Faustina getan hatte. Nun las er das „Tagebuch“ immer wieder und im Jahr 1975 konnte er eine 500-seitige Rezension vorlegen, die unter dem Titel „Andacht zur göttlichen Barmherzigkeit“ veröffentlicht wurde.
Kardinal Wojty³a bat Papst Paul VI. darum, auf Grundlage der neuen Fakten die „Notifikation“ zu widerrufen, was am 15. April 1978 auch geschah. Ein halbes Jahr später wurde Wojty³a zum Papst gewählt. Der Rest ist Geschichte.
Warum aber musste der Weg zur offiziellen Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit so schwierig sein? Der langjährige Sekretär von Johannes Paul II. und jetzige Metropolit von Krakau, Kardinal Stanis³aw Dziwisz, glaubt, „um die Andacht zur Göttlichen Barmherzigkeit theologisch zu vertiefen“ (zit. nach Czaczkowska). Und Faustina? Sie sah voraus, dass „das von Gott so empfohlene Werk eine scheinbar völlige Zerstörung erfährt. Danach aber folgt Gottes Wirken mit grosser Kraft, die Zeugnis geben wird der Wahrhaftigkeit“. (Tagebuch)
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