Die Frucht des Auferstandenen

Gnade und Versöhnung gibt es in der Beichte gratis – Überlegungen zum Busssakrament

Von Bischof Felix Genn

Die Tagespost, 16. März 2016

Wie gut tut es, wenn mir jemand auf den Kopf zusagt: Du bist okay, du bist in Ordnung, es ist gut, dass es dich gibt. Papst Franziskus hat einmal sehr schön gesagt, dass es keinen Menschen gibt, den in der Seele nicht irgendetwas belastet. Wo gehe ich damit hin? Viele Menschen bleiben mit diesen Dingen alleine. Vielleicht hat der eine oder andere das Glück, mit einem vertrauten Menschen sich auszutauschen. Aber auch eine solche Gesprächsatmosphäre hat immer eine Grenze. Es gibt Dinge, die bleiben in der Seele liegen, weil man sie keinem anvertrauen kann. Ich mache öfters die Erfahrung, wenn ich diesen Gedanken vor Jugendlichen anspreche, dann spüre ich: Jetzt hast du sie getroffen. Sie wissen genau, was ich meine. Sie kennen diese Erfahrung.

Aus meiner Tätigkeit als Spiritual im Priesterseminar bringe ich die Erfahrung mit, wie hilfreich es ist, um einen Ort zu wissen, wo ich unaufgearbeitete Probleme meines Lebens aussprechen kann und die feste Sicherheit habe: Davon erfährt niemand etwas. Das bleibt zwischen uns. Ein Spiritual wird und kann es niemandem weitergeben. Es ist aber ausgesprochen!

Wenn ich durch die Stadt gehe und bisweilen sehe, wie viele psychotherapeutische Praxen es gibt, wenn ich von einem guten Bekannten erfahre, dass seine Tochter eine solche Praxis eröffnet und dabei schon vorher eine lange Warteliste hat, tut mir das in der Seele auch weh. Ich denke nämlich: Bei uns gibt es das alles gratis, bei uns gibt es die gratia gratis data: Die umsonst verschwendete Gnade Gottes. Damit will ich nicht den Wert solcher Beratungen geringschätzen. Sie sind sehr hilfreich. Aber Schuld wegnehmen – das können sie nicht!

Und da soll man noch gross fragen, warum es sich lohnt, beichten zu gehen? Hier erfahre ich auf der Grundlage des Glaubens unmittelbar die Frucht des Auferstandenen: Er wurde nämlich gekreuzigt, durch seinen Tod die Sünden und deren furchtbare Folgen, nämlich den Tod, hinwegzunehmen. Nicht umsonst beschreibt deshalb das Johannesevangelium die erste Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen als eine Begegnung der Versöhnung. Der heilige Pfarrer von Ars hat einmal die Frage gestellt: „Was hat Jesus nach der Auferstehung Seinen Jüngern getan?“ „Er hat sie umarmt!“ Dabei hätte der Herr meines Erachtens Grund genug gehabt, nach der Auferstehung erst einmal mit den Jüngern abzurechnen. Kein Wort, sondern nur: „Der Friede sei mit euch!“ Dann gibt Er ihnen den Geist, den Er in der letzten Stunde Seines Lebens ausgehaucht hat, damit sie diesen Geist in der Kraft der Sündenvergebung an die Menschen weitergeben.

Es lohnt sich, beichten zu gehen, weil ich hier genau diese Erfahrung machen kann: Dem zu begegnen, der auch meine Sünde getragen und überwunden hat, und die Versöhnung direkt zu empfangen, sie mir auf den Kopf zusagen zu lassen. Welche Befreiung kann das sein! Ich habe nämlich alles, was ich auf der Seele habe, was mich in der Seele belastet, dem gegeben, der mich wirklich davon lösen kann, weil Er als einziger die Macht hat, das hinwegzunehmen.

Wenn ein Mensch, den ich beleidigt habe, mir verzeiht, bleibt er immer in der Gefahr, doch noch einmal darauf zurückzugreifen und es mir heimzuzahlen. Der Herr tut es niemals! Denn es ist so, wie es Papst Franziskus immer wieder betont: Er hört niemals auf, barmherzig zu sein.

Beichten zu gehen, hat also in sich schon einen Lohn: Ich brauche nichts zu bezahlen, und ich bekomme gleichzeitig Gnade und Versöhnung geschenkt – gratis.

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