Das Ostergeheimnis in der Kunst
Auf verschiedene Wege näherten sich Künstler in ihren Werken der Auferstehung an und standen doch immer vor der gleichen Schwierigkeit
Die Tagespost, 24. März 2016 von Natalie Nordio
Albrecht Dürer
Isenheimer Altar
Mit der Natur verheiratet
Gegeisselt und ans Kreuz geschlagen ist Jesus am dritten Tage auferstanden. Das gesamte Leben Jesu Christi, beginnend mit seiner Geburt im Stall zu Bethlehem, ist fester Bestandteil der christlichen Ikonografie. Alle wichtigen Stationen und Ereignisse im Leben des Gottessohns wurden über Jahrhunderte immer wieder von Künstlerhand umgesetzt. Zu Ostern feiern wir die Auferstehung Jesu, die das Fundament unseres Glaubens ist: “… gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel…”, beten Christen weltweit im Glaubensbekenntnis.
In der Kunst gibt es verschiedene Bildtypen, die den auferstandenen Jesu darstellen. Doch aller Anfang ist schwer und so wagte sich die christliche Kunst zu Beginn nur indirekt an das Thema heran. Sie bediente sich biblischer Stellvertreter, die symbolisch mit der Auferstehung in Verbindung gebracht werden konnten. Noah in der Arche, die Erweckung des Lazarus oder Jona, der drei Tage im Bauch eines Wals betete, bis ihn dieser wieder an Land ausspuckte, erfreuten sich in den frühchristlichen Jahrhunderten grosser Beliebtheit. Sie zierten die Wände der Katakomben und frühchristlichen Kirchen.
Recht spät, nämlich erst im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts, kam zuerst in der italienischen Kunst der Typus des auferstandenen Jesus über dem Sarg schwebend auf. Eine Komposition, die fortan aus der Malerei nicht mehr wegzudenken ist und auch nördlich der Alpen auf grosse Begeisterung stiess. Man denke nur an Albrecht Dürer, der in seinem als „Grosse Passion“ bezeichneten Druckwerk die Auferstehung darstellte, oder die berühmte Version Matthias Grünewalds am Isenheimer Altar. Vor einem schwarzen, nächtlichen Himmel schwebt hell und leuchtend Jesus über seinem Sarg. Die Arme und Hände weit ausgebreitet, zeigt Jesus dem Betrachter seine Wundmale. Der Sargdeckel ist zur Seite geschoben. Im Vordergrund sind zwei der Grabwächter zu Boden gestürzt. Unmittelbar hinter Jesus leuchtet feuerrot die Sonne, die ihm zugleich als Glorie dient. Der Sonnenball und die Figur Jesu stehen in scharfem Gegensatz zum fast schwarzen Hintergrund. Mit diesem kühnen Farbspiel erreichte Grünewald eine bei einer Auferstehungsdarstellung so zuvor in der Kunst nie da gewesene Dramatik und Herrlichkeit.
So gut wie alle grossen Meister der Malkunst haben sich im Laufe ihrer Karriere wenigstens einmal mit diesem Bildtypus des Auferstandenen befasst. Raffael war noch keine zwanzig Jahre alt, als er sich zum ersten Mal an eine solche Darstellung wagte. Die obere Bildhälfte ist ganz und gar von der Gestalt des Auferstandenen mit der Kreuzfahne in der linken Hand bestimmt, der über dem offenen Sarg schwebt und von zwei Engeln begleitet wird. Auf einer Achse mit dem schwebenden Jesus ist auf der unteren Hälfte dagegen mittig der offene Sarkophag ins Bild platziert, dessen reich verzierter Deckel schräg zur Seite geschoben ist und so den Blick in das leere Grab freigibt. Die Grabwächter, die soeben erwacht sind, trauen ihren Augen nicht und gestikulieren wild durcheinander. Im Bildhintergrund kündete Raffael bereits das darauffolgende Geschehen der Auffindung des leeren Grabs durch die drei Marien an, indem er genau jene drei hinten links in der Landschaft zeigte. Durch den diagonal ins Bild gesetzten Sargdeckel unterbrach Raffael die ausgewogene Symmetrie der Komposition, lenkte dadurch aber den Blick des Betrachters erst recht auf die Kernaussage des Bilds: das leere Grab und den auferstandenen Gottessohn darüber.
Eng verwandt mit dem Auferstehungsmotiv ist der in der Kunst als „Noli me tangere“ bezeichnete Bildtypus. „Noli me tangere“, „Berühre mich nicht“, bezieht sich auf die ausschliesslich im Evangelium des Johannes geschilderte Begegnung von Maria Magdalena mit dem soeben auferstandenen Jesus in unmittelbarer Nähe des leeren Grabs. Maria Magdalena hält Jesus fälschlicherweise für einen Gärtner und erkennt ihn erst, als dieser sie bei ihrem Namen ruft. Bei dem Versuch, Jesus die Füsse zu küssen, gebietet der Gottessohn Maria Magdalena mit dem Ausruf „Noli me tangere“ Einhalt, fordert die Frau aber auf, die Jünger von ihrer schicksalhaften Begegnung in Kenntnis zu setzen. Maria Magdalena wird dadurch bei Johannes die erste Zeugin und gleichzeitige Verkünderin der Auferstehung.
Es sind Giotto di Bondone und seine Malschule, denen die Kunst eine der frühsten und schönsten „Noli me tangere“-Darstellungen verdankt. Gleich zwei Szenen verbindet Giotto in dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts im Rahmen der Ausmalung der Arena-Kapelle in Padua entstandenen Fresko miteinander. Links im Bild sitzen zwei Engel auf dem leeren Sarg. Sie sind Zeugen der Auferstehung Christi. Die Wachen sind unterhalb des Grabs schlafend dargestellt. In der rechten Bildhälfte kniet dagegen Maria Magdalena vor Jesus, der ganz am rechten Bildrand zu sehen ist. Mit der rechten Hand wehrt er den Annäherungsversuch Maria Magdalenas ab. In seiner Linken hält Jesus die Kreuzfahne. Auf jedem der vier Fahnenfelder stehen je drei Buchstaben, aus denen sich die beiden Worte „Victor Mortis“, Sieger über den Tod, ergeben.
Neben dem „Noli me tangere“-Bildypus stellten viele Künstler den auferstandenen Jesus in der Vorhölle dar. So auch Giovanni da Fiesole, besser bekannt als Fra? Angelico. Der italienische Maler der Frührenaissance, der als Zwanzigjähriger dem Dominikanerorden beigetreten war, wurde aufgrund seiner tiefen Religiosität bereits zu Lebzeiten „Beato Angelico“, der selige Engelsgleiche, genannt. Seit seiner Seligsprechung im Jahr 1984 durch Johannes Paul II. trägt er diesen Titel auch zu Recht. Grosses Talent und feines Gespür hatte Fra? Angelico besonders bei Szenen aus dem Leben Jesu bewiesen. Die dargestellte Szene zeigt Jesus in der Vorhölle. Das Werk ist heute im klostereigenen Museum von San Marco in Florenz zu sehen. Vorlage für die Darstellung bilden jedoch nicht die Evangelien, sondern die als Nikodemus-Evangelium bezeichnete apokryphe Schrift. Geschildert wird die alte Überzeugung, dass Christus bei seiner Auferstehung zuerst ins Totenreich, die Hölle oder auch Vorhölle, hinabstieg, um dort die Gerechten aus der Herrschaft des Todes zu befreien. In Fra? Angelicos Werk steht Jesus rechts im Bild in der offenen Grabestür, die bereits den Blick auf einen Streifen der Aussenwelt freigibt. Von links nährt sich aus den Tiefen des in den Felsen gehauenen Tunnels die Gruppe der Gerechten. Zum Zeichen ihrer Erlösung aus der Herrschaft des Todes reicht Jesus dem Ersten seine rechte Hand, die der weisshaarige Alte mit beiden Händen umklammert. Am linken vorderen Bildrand haben zwei kleine Teufelchen bereits das Weite gesucht und beobachten mit ihren Fratzen-Gesichtern aus sicherer Entfernung die Begegnung des Auferstandenen mit den Gerechten. Noch einen dritten Teufel malte Fra? Angelico in die Szene hinein. Doch war diesem die Flucht nicht gelungen, denn er liegt von der durch Jesus aus den Angeln gehobenen und umgefallenen Holztür zerquetscht auf dem Boden. Das Bildwerk Fra? Angelicos ist heute im klostereigenen Museum von San Marco in Florenz zu sehen.
Neben dem auferstandenen Jesus schwebend über dem offenen Sarg und dem „Noli me tangere“-Motiv ist die Darstellung Jesus in der Vorhölle ein weiterer gängiger Typus, wie sich Maler mit dem Thema der Auferstehung Jesu auseinandergesetzt haben. Doch egal welche Darstellungsform ein Künstler auch wählte, stets war er vor die gleichen Schwierigkeiten gestellt. Denn Augenzeugen für die Auferstehung gibt es keine. Niemand war dabei, als das Unbegreifliche geschah. So war dieses Mysterium für jeden Künstler zu jeder Zeit eine grosse, wenn nicht die grösste künstlerische Herausforderung überhaupt.
Schreibe einen Kommentar