Der heilige Maler

Diane Cole Ahl wirft einen neuen Blick auf Fra Angelico

San Marco Museum Florenz
Angelikus von Fiesole: Heiligenlexikon

Von Martin Warnke

Der Maler Fra Angelico (er wurde zwischen 1386 und 1400 geboren und starb 1455) ist der einzige heilige Künstler. Papst Johannes Paul II. erhob ihn 1984 zum Schutzpatron der Maler, nicht ohne die Künstler zu ermahnen, dem Beispiel dieses frommen Mannes zu folgen. Da der heilige Lukas, der das ganze Mittelalter hindurch dieses Amt versehen hatte, seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr als Maler anerkannt war, hatten die Maler jetzt erst wieder einen Heiligen, der ihre Fürbitten entgegennehmen konnte. Zu verdanken ist das vor allem dem “Vater der Kunstgeschichte”, Giorgio Vasari, der in seinem Vitenwerk von 1550 Fra Angelico zum pictor christianus, den man zu Recht “engelgleich” genannt habe, stilisiert.

“Bevor er zum Pinsel griff, hat er immer gebetet”, dann habe er Figuren gemalt, die er “vom Paradies geholt” haben müsse, und dies mit Farben, die so leuchteten, als seien sie “von der Hand eines Heiligen oder eines Engels vollführt worden”. Vasari wollte endlich einen Künstler vorstellen, dessen Bilder sein innerstes Wesen offenbarten, ganz anders als der Lehrer Raffaels, Perugino, der die frommsten Madonnen malte, obwohl er, nach Vasari, “wenig Religion besass”.

Diane Cole Ahl, Professorin für Kunstgeschichte aus Easton in Pennsylvania, die schon 1990 den grossen Eintrag über Fra Angelico in dem deutschen Allgemeinen Künstlerlexikon verfasst hat, legt jetzt die massgebliche Monografie über diesen populären Künstler vor. Sie stellt die künstlerischen Leistungen des Mönchsmalers in zeitlicher Folge dar, berichtet über die Auftraggeber, unter denen neben Päpsten und Kirchenherren die reichsten Männer der Zeit wie die Strozzi und die Medici waren, erklärt die christlichen Inhalte und Themen, die stilistischen Neuerungen und Anlehnungen und die religiösen Ausdrucksqualitäten, die zumeist in Übereinstimmung mit den reformerischen Bestrebungen der Observanten unter den Dominikanern standen.

Die stilgeschichtliche Stellung des Fra Angelico ist in den letzten Jahrzehnten erheblich zurechtgerückt worden. Lange wurde seine Kunst gegenüber den heroischen Leistungen der Masaccio, Donatello oder Brunelleschi als eher mittelalterlich, als rückwärtsgewandt angesehen. Aus dem Text von Cole Ahl, der auch üppig illustriert ist, wird deutlich, dass sich Fra Angelico mehr und mehr den neuen Tendenzen angenähert hat, die eine perspektivische Raumerschliessung, eine landschaftliche und architektonische Ausgestaltung der Hintergründe, vor denen sich selbstständige Figuren bewegen, darboten. Aber Fra Angelico passt sich nicht nur fortschrittlichen Vorgaben an, sondern wartet auch mit erstaunlichen Neuerungen auf: Mit seiner gross angelegten Kreuzabnahme beschert er dem italienischen Altarbild ein zukunftsreiches neues Thema – etwa gleichzeitig mit Rogier van der Weyden im Norden, der übrigens auf seiner Reise in Italien sich von Fra Angelicos Grablegung anregen liess.

Fra Angelico hat aber auch das Altarbild revolutioniert, indem er für den Hochaltar in San Marco die erste pala, die erste rechteckige Einheitstafel, ohne die kleinteiligen gotischen Parzellen schuf, und er hat darauf Heilige in einem perspektivisch konstruierten Einheitsraum um einen Madonnenthron gruppiert und damit die sacra conversazione geschaffen, die in der Folge in kaum einer Kirche Italiens mehr fehlen wird. Aber er hat auch als erster italienischer Maler 1433 für die Kapelle der Leinenweberzunft den nordeuropäischen Flügelaltar übernommen, für den Ghiberti den über fünf Meter hohen Rahmen lieferte.

Zahlreiche ikonografische Innovationen gehen auf ihn zurück, so hat er als Erster sich das Paradies als einen Engelreigen im Blumengarten vorgestellt. Den Mönchen im Kloster von San Marco hat er eindringliche, mannshohe biblische Fresken in die 44 Zellen gesetzt und damit seine Mitbrüder in engem Raum der massivsten spirituellen Bildwirkung ausgesetzt.

Cole Ahl nimmt an, dass sich in all den intensiven Frömmigkeitsformen der Bilder auch die persönliche Erfahrung und Überzeugung des Künstlers spiegelt, und sie vermag immer wieder theologische Einflüsse zu benennen, die der Maler aufgenommen hat. Andererseits zeigt er sich als weltkundiger, realistischer Zeitgenosse. So liess er sich ausserordentlich hoch bezahlen: Für die Fresken von Orvieto bekam er selbst 200, seine drei Gehilfen erhielten 84, 36 und 12 Dukaten. Seine zahlreichen Werke in Florenz und Rom, in Cortona und Orvieto zeigen, dass er eine effiziente Werkstatt herangebildet hatte. Erleichtert wurde dies durch seinen Status als Mönch, denn als solcher war er steuer- und zunftfrei. Von ihm gibt es keine Klagen an die Steuerbehörden wie von allen anderen grossen Florentiner Künstlern. Das würde auch erklären, warum es in Florenz so zahlreiche bedeutende Mönchsmaler gab. Es ist jetzt gewiss, dass Fra Angelico, der aus einem Dorf im Mugello nach Florenz kam, erst nach seiner Lehrzeit in das Kloster eintrat. Hinter all den zarten, empfindsamen, geradezu unverletzbaren Wesen, die er auf die Holztafeln gezaubert hat, scheint ein Maler mit sehr zeitgemässen weltlichen Prinzipien gestanden zu haben.

Diane Cole Ahl: Fra Angelico

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel