Der Anfang vom Ende?

Fast fünf Jahre nach Beginn der Proteste gegen Syriens Staatschef Assad und der Militarisierung des Konflikts im Sommer 2011 gibt es jetzt erstmals Hoffnungen, dass die Waffen schweigen und humanitäre Hilfe dorthin gelangt, wo sie dringend benötigt wird

Von Oliver Maksan

Die Tagespost,  24. Ferbruar 2016

Fast fünf Jahre nach Beginn der Proteste gegen Syriens Staatschef Assad und der Militarisierung des Konflikts im Sommer 2011 gibt es jetzt erstmals Hoffnungen, dass die Waffen schweigen und humanitäre Hilfe dorthin gelangt, wo sie dringend benötigt wird. Das ist eine gute Nachricht für das geschundene Land und seine Menschen. Natürlich stellt sich bis zum Eintritt der vereinbarten Waffenruhe am Samstag die Frage, ob sie zustande kommt und wie lange sie hält. Das Konstrukt ist wackelig und kann leicht einstürzen. Das Misstrauen auf beiden Seiten ist abgrundtief. Aber dass in den letzten Tagen nacheinander sowohl syrische Regierung wie Opposition zustimmten, nachdem sich Moskau und Washington verständigt hatten, ist zunächst ein gutes Zeichen.

Dass kurz nach dem Scheitern der Genfer Gespräche jetzt eine derart einschneidende Massnahme wie eine „Einstellung der Feindseligkeiten“ möglich scheint, mag überraschen. Doch sowohl Amerikaner wie Russen wollen sie, der bedrängten Opposition schafft sie eine Verschnaufpause und dem Regime erwachsen keine militärischen Nachteile daraus. Moskaus militärische Intervention hat die Karten in Syrien neu gemischt und Assads Kollaps verhindert. Dabei halten sich für Moskau die Kosten bislang im Rahmen, sowohl finanziell wie militärisch. Politisch ist die Dividende indes riesig. Der Einsatz ist in Russland populär und zahlt sich weltpolitisch aus. Putin hat durch sein entschlossenes Handeln Russland seit dem Herbst zum Spielmacher in Syrien gemacht und treibt Washington wie schon beim Chemiewaffendeal im Sommer 2013 vor sich her. Dennoch hat Moskau kein Interesse an einem neuen Afghanistan, wo die Sowjetmacht gegen die von den USA aufgerüsteten Taliban seinerzeit ein jahrelanges Desaster erlebte. Jüngste Signale aus Ankara und Riad, selbst in Syrien direkt zu intervenieren, haben in Moskaus Kalkül, jetzt eine Waffenruhe zu lancieren, sicher eine entscheidende Rolle gespielt. Sollte es zu ernsthaften Verhandlungen über einen politischen Übergang in Syrien kommen, verhandeln Assad und Putin nach den jüngsten militärischen Erfolgen gegen die Opposition jetzt aus einer Position der Stärke heraus.

Washington, das unter Präsident Obama während all der Jahre des Syrien-Konflikts halbherzig und zögerlich agierte, will ebenfalls keine weitere regionale Eskalation des Konflikts und ihn überhaupt beendet sehen. Der Kampf gegen den Terrorstaat IS ist mittlerweile letztlich wichtiger als ein Regimewechsel in Damaskus. Und die unter der syrischen Flüchtlingswelle leidenden Europäer unterstützen den Ende vergangenen Jahres im UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Fahrplan für einen politischen Übergang in Syrien ohnehin aus Überzeugung wie Eigeninteresse.

Dennoch sollte man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen. Die Waffenruhe friert die Situation zunächst nur ein. Die Konfliktstellung innerhalb Syriens wie in der Region mit der verheerenden Gemengelage im Dreieck Ankara-Teheran-Riad bleibt erhalten. Und dass Obamas Tage gezählt sind, könnte eine neue Dynamik entfalten. Der Syrien-Konflikt ist auch mit einer temporären Waffenruhe noch nicht zu Ende. Es könnte der Anfang vom Ende sein. Genauso gut könnte es aber die Ruhe vor einem neuen Sturm sein.

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