Einheit der Christen – schon verwirklicht?

Impuls zum 3. Sonntag im Jahreskreis C — 24. Januar 2016

Quelle
Ökumene-Experte: Kircheneinheit in weiter Ferne

Rom, 22. Januar 2016, Zenit.org, Peter von Steinitz

Am Montag endet die diesjährige Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen, und wieder einmal stellen wir fest: wir sind auch in diesem Jahr der “einen Herde und dem einen Hirten” nicht näher gekommen.

Mit diesen Worten von der einen Herde kennzeichnet Christus, der Herr, die Kirche, so wie er sie sich gedacht hat. Wenn daher heute von “versöhnter Verschiedenheit” die Rede ist, so mag das zwar die aktuelle Lage ziemlich gut wiedergeben, aber es ist nicht das, was Christus wollte.

In beschwörendem Ton hat Christus seinen Vater gebeten: “Dass alle eins seien, wie du, Vater in mir und ich in dir”. Tausend Jahre lang hat diese Einheit gehalten, wenngleich es sich gegen Ende dieser langen Zeit zeigte, dass man sich in Ost und West längst auseinander gelebt hatte und einer den anderen nicht mehr verstand. Das grosse Schisma im Jahre 1054 besiegelte nur, was lange schon da war.

Was war der Grund für diese Entfremdung? Zum einen sicher, dass man wenig voneinander wusste. Die Kommunikation zwischen den Zentren der Christenheit funktionierte nicht annähernd so, wie wir es heute gewohnt sind. Vor allem aber wurde der Hauptfeind der Einheit immer  mächtiger: Hochmut, Egoismus und Besserwisserei. Und dann die Feinde von immer: das Streben nach Macht und Geld.

Diese üblen Neigungen des Menschen, die wir in grossem wie in kleinem Massstab immer wieder gewärtigen müssen, haben nach tausend Jahren die Einheit der Kirche zerstört. Fünfhundert Jahre später setzten diese üblen Feinde Christi zu einem noch heftigeren Schlag an. Bis dahin war man auf beiden Seiten noch im wahren Glauben. Jetzt aber sollte der Wahrheitsgehalt des Glaubens zerstört oder wenigstens relativiert werden.

Heute nach weiteren fünfhundert Jahren, wo niemand der heute Lebenden irgendeine Schuld an der Spaltung trägt, mutet es uns merkwürdig an, wie es sein konnte, dass ein Herr Luther aus Wittenberg anderthalbtausend Jahre christlicher Religion und Theologie in die Schranken weisen konnte, viele wesentliche Elemente des bisherigen Glaubens für falsch erklären und praktisch eine neue Religion kreieren konnte. (Gewiss ist vieles an gemeinsamem Glauben noch da, aber das Wesentliche, nämlich die Sakramente, die der Ort der persönlichen Begegnung des einzelnen Menschen mit Christus sind, wurde zerstört.)

Diese zugegebenermassen vereinfachte Aussage kann vielleicht dazu beitragen, die notwendige und gute Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten, die auch viele erfreuliche Früchte des Zusammenlebens und des menschlichen Verständnisses gebracht hat, nicht durch einen falschen Irenismus wieder zunichte zu machen.

Gemeinsam beten ist sicherlich gut, aber wenn von offiziellen katholischen und lutherischen Gremien das folgende ‚gemeinsame Gebet’ zum Reformationsjubiläum 2017 veröffentlicht wird, ist es sicher angebracht, mehrere Fragezeichen anzubringen. In diesem Gebetsvorschlag heisst es u.a.:

“Hilf uns dabei, uns an den Gaben zu erfreuen, die der Kirche durch die Reformation zuteil geworden sind” oder

“Dank sei Dir, o Gott, für die zahlreichen theologischen und spirituellen Einsichten, die wir alle durch die Reformation empfangen haben!”

Welche neuen Gaben sind das? Die Lehre der katholischen Kirche ist die gleiche wie 100 Jahre nach Christus, wie 400 Jahre nach Christus, wie 1.500 Jahre nach Christus. Plötzlich seit dem 16. Jahrhundert soll sie anders sein? Wo sind die grossartigen theologischen und spirituellen Einsichten? Für die katholische Kirche 2.000 Jahre nach Christus gibt es keinen Grund, die von Christus überkommene Lehre anders zu sehen. Die notwendigen Einsichten hatten Augustinus und Thomas von Aquin auch bereits. Auch sie sprachen von der “Ecclesia semper reformanda“. Das ist und bleibt so, aber Reform ist eben nicht Reformation.

Die Gebetsoktav für die Einheit der Christen endet traditionell mit dem Fest der Bekehrung des Apostels Paulus.

Ich glaube, hier ist die Lösung des angesprochenen Problems. Wir müssen uns alle bekehren statt uns im Scheinfrieden einer ‘versöhnten Verschiedenheit’ zu sonnen. Auf allen Seiten müssen sich die Christen fragen: Geht es mir wirklich um die Wahrheit oder ist das geheime Motiv meiner Gedanken Besserwisserei, Stolz oder das Streben nach Geld und Macht. Frieden und Verständigung sind sicher gut, dürfen aber nicht auf Kosten der Wahrheit gehen.  Was dann auf der Strecke bleiben würde, wäre die Freiheit, ohne die eine wirkliche Versöhnung und Einheit undenkbar ist, denn – nach dem Wort des Herrn – “die Wahrheit wird euch frei machen” (Joh 8,31).

Ein weiterer, sozusagen innerlicher Grund für die Unversöhntheit ist die Tatsache, dass der Protestantismus die Verehrung der Muttergottes de facto abgeschafft hat. Das Bild von der Mutter aller Menschen ist ja nicht nur ein hübsches Wort. Sie ist wirklich im ontologischen Sinne die Mutter der Kirche und aller Menschen (übrigens nicht nur der Christen). Eine Mutter schmerzt es sehr, zu sehen, wie ihre Kinder uneins sind, und mehr noch, wenn einige ihrer Kinder nichts von ihr wissen wollen.

Bemühen wir uns auch hier um einen Akt der Umkehr!

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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