In den Schuhen des Fischers

‘Nichts, aber auch gar nichts deutet daraufhin, dass Papst Franziskus Abstriche bei der Lehre vornehmen oder auch nur dulden würde’

gnadenquelle xpStefan Rehder

Die Tagespost, 01. Juni 2015

Auch im dritten Jahr seines Pontifikats tun sich viele Katholiken, zumal in Deutschland, immer noch schwer mit Papst Franziskus. Man kann das verstehen. Richtig wird das dadurch nicht. Auf die Lichtgestalt Johannes Paul II. folgte mit Benedikt XVI. der “Mozart der Theologie”. Generationen von Katholiken erschlossen diese beiden Professoren auf dem Stuhl Petri den Reichtum und die Schönheit des mehr als zwei Jahrtausende währenden Nachdenkens über Gott. Auf Du und Du mit den Grossen der Kirchengeschichte machten sie uns bekannt mit Thomas von Aquin und Augustinus und erschlossen uns nahezu die Tiefen des Universums des menschlichen Geistes. Sie führten uns ein in Welten, wie die eines Bonaventura oder einer Edith Stein. Welten, deren Glanz Menschen näher zu Gott bringen können. Welten, in denen man sich aber auch derart häuslich einrichten kann, dass man den Kontakt zu unserer, von Säkularismus und Relativismus geschlagenen Welt nach und nach verliert, bis man sich am Ende angewidert von ihr abwendet.

Papst Franziskus scheint genau das verhindern zu wollen. Ungeduldiger noch als der Jahrhundertpapst und der Kirchenlehrer der Moderne drängt dieser Pastor die Gläubigen beständig, wie einst Jesus selbst die ersten Jünger, wieder hinaus aufs offene Meer zu fahren und die Netze erneut auszuwerfen. Ein Fischer, der die Ärmel hochkrempelt und zupackt, ohne Angst, die weisse Soutane zu beflecken. Einer, der wie Jesus selbst raus aus der Komfortzone und an die Ränder geht. Einer, der der Mafia, wie weiland der Sohn Gottes den Zöllnern ins Gewissen redet. Einer, der sich den Aussätzigen von heute, jenen, die auf der Flucht sind und die keine Sozialversicherungsnummer besitzen zuwendet und sie, nachdem er sie der Liebe des Vaters versichert hat, dann seinen Brüdern und ihrer Barmherzigkeit anvertraut. Es gibt eine Sehnsucht, die den Stellvertreter Christi auf Erden gewissermassen ikongrafisch in die göttliche Sphäre entrücken und ihn vornehmlich als Bindeglied zum Reich des Numinosen betrachten will. In Deutschland, dem Stammland der Romantik wie der Heimat des Protestantismus, findet sich diese Sehnsucht besonders ausgeprägt. Und vermutlich hat seit der Konstantinischen Wende kein Papst diese Sehnsucht so wenig gestillt wie der Argentinier Bergoglio. Wer das allerdings für einen substanziellen Makel hält, der muss auch die Frage beantworten können, wie dann der von Gottes Sohn höchst persönlich eingesetzte heilige Petrus als Stellvertreter Christi hätte bestehen können?

Erschwerend mag hinzukommen, dass die unkonventionelle Art von Franziskus viele Erwartungen auf den Seiten derer geweckt hat, die eine ganz andere, als die Kirche Jesu Christi wollen. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu wissen, dass auch Franziskus – wie vor ihm schon Johannes Paul II. und Benedikt XVI. – solche Erwartungen restlos enttäuschen wird. Nichts, aber auch gar nichts deutet daraufhin, dass Papst Franziskus Abstriche bei der Lehre vornehmen oder auch nur dulden würde. Konventionen brechen, Gebote halten – das haben Päpste, angefangen bei Pius XII., immer wieder getan (DT v. 30.5., S. 5). Inwieweit das jeweils angebracht ist, darüber kann und darf man streiten. Nur sollte man sich davor hüten, menschliche Sicherheiten den göttlichen vorzuziehen.

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