Die Ursachen liegen in Afrika

EU will ihre Kapazitäten der Seenotrettung mindestens verdreifachen

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Stephan BaierVon Stephan Baier

Die Tagespost, 24. April 2015

Wird die EU mit den Gipfelbeschlüssen vom Donnerstag zu einem “barmherzigen Samariter”, der den von Räubern Misshandelten nicht bloss auf eigene Kosten rettet und pflegt – sondern auch gleich noch den Räubern nachstellt, um sie zur Strecke zu bringen? Die EU will ja ihre Kapazitäten der Seenotrettung mindestens verdreifachen und den Kampf gegen die Schlepperkriminalität massiv ausbauen, einschliesslich militärischer Operationen. Das alles ist richtig und dringlich. Nicht nur für Christen, sondern für alle, die sich in der Kälte und Härte unserer Geschichtszeit einen Rest Mitmenschlichkeit bewahrt haben, ist der tausendfache Tod im Mittelmeer ein Skandal.

Wer sich über den Völkermord vergangener Zeiten empört, aber dem Massensterben vor der eigenen Haustüre – in der Ost-Ukraine, in Nahost und im Mittelmeer – tatenlos zusieht, ist ein Heuchler. Ja, wir Europäer haben die Pflicht, den Ertrinkenden an den Grenzen Europas zu Hilfe zu eilen. Ein Ausbau der Seenotrettung wäre ohne den Kampf gegen die Schlepperkriminalität aber widersinnig, weil die EU dann gerade deren Risiken übernähme. Wie Alexander der Grosse oder Cäsar muss darum heute das vereinte Europa den bewaffneten Kampf gegen die Piraten unserer Tage aufnehmen und die Netzwerke der Schlepper rund um das “Mare nostrum zerschlagen. Das aber setzt halbwegs geordnete, funktionierende und kooperationsbereite Staaten auf der Südseite des Mittelmeeres voraus.

Damit sind wir beim Kern des Problems: Alles, was die EU am Donnerstag beschloss und in Zukunft beschliessen kann, wird allenfalls das Schlimmste verhindern und Katastrophen eingrenzen. Solange in Afrika Hungersnöte und Epidemien, Kriege und Bürgerkriege, korrupte Clans und Terrorbanden herrschen, werden immer wieder Massen verzweifelter Menschen alle Risiken auf sich nehmen, um Elend, Terror und Tod zu entfliehen. Europa ist für Millionen der Ärmsten heute zur weithin sichtbaren Burg geworden, deren Mauern Sicherheit verheissen, die jedoch ihre Tore streng bewacht. Wer angesichts der Nöte in Afrika nun fordert, die Politik solle einfach die Zugbrücke herunterlassen und Europas Tore für alle Schutzsuchenden öffnen, darf sich morgen nicht über Wahlsiege national-populistischer Demagogen beklagen. Sozialneid schürende Parteien, die den Wahlbürgern einreden, Flüchtlinge und Zuwanderer würden ihnen den Speck vom Brot wegnaschen, stehen schon jetzt in vielen EU-Staaten hoch im Kurs. Solange der Zuflucht Suchende als Fremder statt als Nächster gesehen wird, agiert unsere Politik unter dem Damoklesschwert eines Wahlsiegs nationalistischer Demagogen.

Steht Europa also vor der Alternative, entweder Flüchtlinge grosszügig aufzunehmen und so den Wahlsieg fremdenfeindlicher Parteien zu provozieren oder sich auf humanitäre Seenotrettung mit anschliessender Abschiebung zu beschränken? Die EU sollte sich – neben der humanitären Hilfe – aufraffen, die Ursachen der Massenmigration zu bekämpfen. Europa muss die politische Klasse der Staaten Afrikas mit den Waffen des Handels und der Entwicklungshilfe nötigen, den Weg zu Rechtsstaatlichkeit und Gemeinwohlorientierung einzuschlagen. Zudem sollten Terror- und Räuberbanden, die sich vielerorts staatsähnliche Macht erkämpft haben, endlich im internationalen Verbund niedergerungen werden.

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