Der Kampf um die Künstliche Intelligenz

Roboter werden weder denken lernen noch wirklich menschliche Züge annehmen – Aber ihre eigene Welt könnte zum Fürchten werden

Von Alexander Riebel

Die Tagespost, 22. April 2015

Ob mechanisches oder digitales Gehirn: Die Robotertechnik will mit der auf Werte bezogenen Vernunft nichts zu tun haben.

Der Traum geht weiter. Ob er jedoch sinnvoll ist, das ist die Frage. Der neue Film “ExMachina”, malt die Visionen eines menschenähnlichen Wesens mit künstlicher Intelligenz aus. Dabei ist die Idee nicht neu: bereits bei E.T.A Hoffmann gibt es in “Der Sandmann” (1816) die automatische Holzpuppe Olimpia, in die sich der junge Nathanael zunächst verliebt und der er sich später entfremdet – “Du verdammtes… Automat”, ruft er verzweifelt aus – im Film heisst er Nathan. Die Gesellschaft erfährt von der Automatenpuppe und achtet bei ihren Zusammenkünften umso mehr auf kleine menschliche Unregelmässigkeiten und Fehler, um weitere künstliche Wesen zu entlarven.

Viel weiter ist die Filmkunst auch noch nicht gekommen. Immer wieder werden technische Intelligenzen auf die Leinwand gebannt, um dann aber im Film entlarvt zu werden. Aber ob man wirklich einer Software Geist entlocken kann, ist doch sehr fraglich und deutet auf ein bestimmtes Weltbild hin. Auch wenn die Befürworter der Hoffnung auf die Einheit von Mensch und Roboter behaupten, die heutige Technik sei noch nicht genügend ausgereift, gibt es doch prinzipielle Zweifel.

Computer heissen nicht ohne Grund Rechner und nicht Denker. Sie werden ohne Bewusstsein bleiben und können sich höchstens so verhalten wie ein Mensch, indem sie sich bestenfalls unterhalten können. Aber das Innenleben eines Bewusstseins fehlt ihnen und damit der Wirklichkeitsbezug. Sie können nicht träumen und mitten in der Nacht mit einem Heureka-Erlebnis, dem “Ich hab’s”, aufwachen, das dann Ursprung einer neuen Reihe von Gedanken wäre. Das aristotelische Staunen bleibt ihnen verschlossen. Und wenn man genauer hinschaut, wie dieses Heureka funktioniert, entpuppt es sich als “methodisch induziert”; es ist gar nicht so ursprünglich wie es scheint, sondern nur aus dem Zusammenhang der Lebenswirklichkeit des Betroffenen heraus zu verstehen. Darum haben wir auch keine Aha-Erlebnisse von Dingen, die erst in fünfhundert Jahren aktuell werden, sondern über Ereignisse, die sich an bisheriges Wissen anknüpfen lassen. Computer können diese typisch menschlichen Denkerlebnisse nicht haben. Computer können nämlich nur sequenziell, das heisst Schritt für Schritt verfahren.

Aber selbst wer behauptet, das Denken erschöpfe sich bereits in den Formen moderner mathematischer Logik – und genau das wird an viel zu vielen Universitäten heute bereits gelehrt, auch gerade im Philosophie-Unterricht, wird die Frage nach der Realität nicht beantworten können. Das wollen diese Logiker auch nicht, für die die Hoffnung auf die Mensch-Maschine bereits zur ausgemachten Zukunft gehört. Denn im Sprachspiel der Logiker sind wir immer schon in der Wirklichkeit, für deren Grundlage die Lebenswirklichkeit gilt, wie Wittgenstein sagte. Danach kann man sich immanent im System bewegen, wie der Industrieroboter, der es dank seines Programms mit Schrauben, Regalen, Karosserien und Schraubenziehern zu tun hat – ausserhalb seiner “natürlichen” Umgebung ist er nur ein Haufen Schrott. Die “Information” des Datenaustauschs hat nichts mit Subjektivität zu tun.

Die Vertreter solch geschlossener Systeme, in denen man sich letztlich nur im Kreise drehen kann, werden sich also sagen lassen müssen, dass sie die Geltungsgründe des Denkens und Handelns einfach aus dem Blick verloren haben. Denn Computerwesen können sich verhalten, aber nicht (moralisch) handeln, und sie können rechnen, aber nicht denken. Zum Denken fehlt ihnen das Entscheidende, nämlich die einfache Tatsache, dass die Geltungsgründe auch die Gründe der gegenständlichen Welt sind, auf die wir uns mit dem Denken beziehen. Wenn also etwa eine grosse Zeitung aus Frankfurt im Hinblick auf den Terror des “Islamischen Staates” ehrfurchtsvoll “Krieg der Intelligenz” titelt, sind mit Intelligenz gerade nicht die moralischen Implikationen der Geltungsgründe des Denkens und Handelns gemeint, sondern das bloss reale Agieren einer instrumentellen Vernunft, die schon immer barbarisch war. Dieses bloss technische Verständnis von Vernunft liegt aber auch der Sehnsucht nach Roboterwesen zugrunde, von denen sogar der Atheist Stephen Hawking kürzlich sagte, sie könnten einst die Menschheit auslöschen.

Die unverwechselbare Einheit von Denken und Sein, der Grund der abendländischen Metaphysik, kann nie Thema der künstlichen Intelligenz eines Roboters werden. Denn sie können schrittweise in ihren Algorithmen vorgehen, nicht aber die Umkehr auf eine höhere Ebene vollziehen, die man seit altersher als Reflexion bezeichnet hat. Erst die Reflexion führt weg vom unmittelbaren Bezug von den Dingen zur Ebene der Werte und Wertungen. Hier spielt gerade nicht mehr die kalte Logik der Algorithmen die Hauptrolle, also die Funktionsweise der Computer, sondern wie auch das Christentum lehrt, Mitgefühl, Barmherzigkeit, Verzeihen, Begnadigung und tugendhaftes Handeln. Hierfür braucht es aber, wie schon der heilige Thomas von Aquin sagte, den ganzen Menschen mit seiner Sinnlichkeit und Vernunft.

Von diesem Anspruch sind die Entwickler von Robotern weit entfernt. Sie wollen nur künstliche Intelligenz, also die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, auf Maschinen übertragen. An der Tatsache, dass heute Neurobiologen, Hirnforscher und Entwicklungspsychologen die Intelligenz erforschen, die sie für die Grundlage des Denkens halten, lässt sich leicht ablesen, dass das Wissen über Vernunft immer mehr verschüttet wird. Die Naturwissenschaften führen einen Kampf gegen den klassischen Vernunftbegriff, dem sich immer mehr Philosophen anschliessen. Nur in diesem Sinne wird auch der Ausdruck vom “Krieg der Intelligenz” sinnvoll – mit der naturwissenschaftlich messbaren und in jedem Menschen verschieden ausgeprägten Intelligenz soll der klassische Vernunftbegriff mit seinen Werten und den Prinzipien des Wahren, Guten und Schönen ausgehebelt werden. Selbst in philosophischen Seminaren kann man das täglich beobachten.

Durch die Verabsolutierung der naturwissenschaftlichen Perspektive der Intelligenz schreitet die völlige Objektivierung des Menschen voran. Dass vor wenigen Tagen die in japanischen Kaufhäusern übliche Dame in der Information durch eine Roboterfigur in Tokio ersetzt wurde, ist nur ein Zeichen für den entschiedenen Willen Japans, mit technischen Errungenschaften in der Roboterforschung Amerika überflügeln zu wollen. Und die Ersetzung von Prostituierten in Peking durch Roboterpuppen zeigt die düsterste Seite der Beziehung zwischen Mensch und Maschine.

Roboter werden mit dem Unterschied zwischen Natur und Kultur so wenig anfangen können wie damit, was man den objektiven Geist nennt: Familie, Recht und Staat. Und wenn häufig beteuert wird, die digitale Sphäre schaffe eine neue Welt, dann ist es eine andere als die des Menschen und die Menschen wollen können. Diese andere Welt, die völlig unmenschlich werden könnte, ist es, die das Fürchten lehrt. Denn es wäre eine Welt, in der nur noch kalte Intelligenz herrscht, in der aber das Denken in Werten, das die bisherige Kultur geschaffen hat, beseitigt wird.

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